# taz.de -- Streit in der Linkspartei im Saarland: Bis zur Staatsanwaltschaft | |
> Der Streit in der Saar-Linken eskaliert. Ein Ex-Mitarbeiter sagt, der | |
> Bundetsagsabgeordnete Thomas Lutze habe Stimmen gekauft. | |
Bild: Thomas Lutze während einer Sitzung: Schon seit Jahren rumort es bei den … | |
FRANKFURT AM MAIN taz | „Wahlfälschung, Wählerbestechung, Urkundenfälschung | |
und Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung gegenüber der | |
Landeswahlleiterin“ – die Strafanzeige der früheren Landesvorsitzende der | |
Saar-Linken Astrid Schramm gegen den linken Bundestagsabgeordneten Thomas | |
Lutze hat es in sich. Für solche Delikte sieht das Strafgesetzbuch bis zu | |
fünf Jahren Haft vor. | |
Mit der Anzeige erreicht der [1][erbitterte Machtkampf in der | |
Saarland-Linken] eine neue Eskalationsstufe. Es stehen sich zwei Lager | |
gegenüber: Auf der einen Seite eines um Parteigründer Oskar Lafontaine und | |
Astrid Schramm, auf der anderen der Bundestagsabgeordneten Lutze und seine | |
MitstreiterInnen. | |
Bei der Aufstellung der Landesliste im Jahr 2017 habe Lutze „Wählerstimmen | |
gekauft und damit die Wahl zur Aufstellung der Landesliste und in der Folge | |
die Bundestagswahl manipuliert“, heißt es in der Strafanzeige, die der taz | |
vorliegt. Lutze habe für Mitglieder im Zusammenhang mit der | |
Kandidatenaufstellung ausstehende Mitgliedsbeiträge beglichen und | |
zusätzlich Geldprämien bezahlt, um sich Platz eins zu sichern, so der | |
Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat Vorermittlungen | |
eingeleitet. | |
Als Urknall des Zerwürfnisses gelten die dubiosen Umstände der | |
Kandidatenaufstellung für die letzte Bundestagswahl, am 7.Mai 2017 in | |
Klarenthal, im Westen Saarbrückens. Seitdem geht ein Riss durch den | |
Linken-Landesverband. Zeugen hatten damals berichtet, Lutzes | |
MitstreiterInnen hätten zum entscheidenden Wahlgang für den | |
aussichtsreichen Platz eins der Landesliste zahlreiche Mitglieder in Bussen | |
„herangekarrt“. | |
## 50 Euro im braunen Umschlag | |
Einige seien gar eigens „für einen Tag“ neu in die Partei aufgenommen | |
worden; Lutze habe in großem Stil ausstehende Mitgliedsbeiträge bezahlt, | |
damit sie stimmberechtigt waren. Schließlich seien Prämien für die | |
Stimmabgabe geflossen. Lutze setzte sich schließlich bei der Entscheidung | |
über Platz eins der Landesliste durch und zog erneut in den Bundestag ein. | |
Mit den Vorwürfen der Lutze-Kritikern war die Justiz bereits mehrfach | |
befasst. Die Landeswahlleiterin hatte 2018 die Landesliste der Linken im | |
Saarland nur „trotz schwerer Bedenken“ zugelassen“. Für einen Ausschluss | |
der Partei von der Wahl reichten ihr die Beweise nicht. | |
Diese bisher fehlenden Beweise liefert mit dem Ex-Landesvorstandsmitglied | |
Mekan Kolasinac jetzt ausgerechnet ein ehemaliger Mitstreiter Lutzes. | |
Kolasinac selbst wurde 2017 für einen antisemitischen Beitrag auf Facebook | |
kritisiert, in dem er Parteichef Reixinger [2][als „Falsche, hinterlistige | |
Jude“ (sic!) bezeichnete]. Kolasinac behauptete später, er habe „Judas“ | |
statt „Jude“ schreiben wollen. im In eidesstattlichen Erklärungen, die der | |
taz vorliegen, bekennt Kolasinac nun, 2017 habe Lutze bei einem internen | |
Treffen versprochen, „dass er jedem Mitglied, das ihn bei der Versammlung | |
wählt, 50 Euro geben wird“. | |
Kolnasiac selbst, und die Lutze-Vertrauten Andreas und Andrea Neumann, | |
hätten bei der Versammlung „braune Umschläge“ mit je 50 Euro ausgeteilt u… | |
„Stimmzettel kontrolliert“. Im Auftrag Lutzes habe er Speisen und Getränke | |
für die Unterstützer „spendiert“, so Kolnasiac. Im Vorfeld des Parteitags | |
habe er außerdem in Lutzes Auftrag 1286,30 Euro an ausstehenden | |
Mitgliedsbeiträgen für Dritte bei der Landespartei eingezahlt, um deren | |
Wahlberechtigung zu sichern, so erklärt er jetzt an Eides Statt. | |
## Nur noch „Inhalte und Politik“? | |
Die taz hatte Lutze im Juli 2018 auf den Vorwurf angesprochen, er habe | |
Beitragszahlungen für Mitglieder geleistet, um sich deren Stimmen zu | |
sichern. Lutze schrieb damals: „In früheren Jahren hatte ich für 5–6 | |
Mitglieder eine Patenschaft übernommen und nie ein Geheimnis daraus | |
gemacht.“ Er habe Hartz-IV-Beziehern helfen wollen, in der Partei zu | |
bleiben. „Da dies nun aber gegen mich verwendet wird, habe ich das | |
eingestellt“, so Lutze damals. | |
Mit einem Paukenschlag hatten sich im Juli 2019 nach langen Querelen die | |
letzten Lutze-Kritiker aus dem Landesvorstand verabschiedet. | |
„Satzungswidrige und manipulative Machenschaften in der Mitgliederpartei“ | |
attestierte ihm damals der scheidende Landesgeschäftsführer Stefan Leo | |
Schmitt, ein ehemaliger Polizeibeamter. Und Heinz Bierbaum, wie Schmitt ein | |
langjähriger Mitstreiter von Parteigründer Lafontaine, zog nüchtern Bilanz: | |
„Es geht um Mandate, Geld und Macht!“ | |
Seit September 2009 amtiert Lutze als gewählter Landesvorsitzender. Die | |
Vorstandsmehrheit steht hinter ihm. Beim Parteitag 2019 [3][versprach er | |
einen Neuanfang], es werde zukünftig „nur noch um Inhalte und Politik | |
gehen“, sagte er. Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler war damals | |
eigens nach Wiebelskirchen gereist, um die Konflikte zu schlichten. „Wir | |
möchten, dass ihr zur politischen Arbeit zurückkehrt“, hatte Schindler den | |
saarländischen GenossInnen zugerufen. Zur jüngsten Entwicklung ließen | |
Schindler und Lutze taz-Anfragen unbeantwortet. | |
Neun Monate vor der Bundestagswahl ist jetzt die Staatsanwaltschaft am Zug. | |
Die Immunität des Bundestagsabgeordneten Lutze steht Vorermittlungen nicht | |
im Wege. Nur wenn sie Durchsuchungen veranlassen, Strafbefehle beantragen | |
oder Anklage erheben will, muss die Ermittlungsbehörde die Aufhebung der | |
Immunität des Abgeordneten beantragen, teilte die Pressestelle des | |
Bundestages mit. | |
5 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Vorwuerfe-in-der-Linkspartei-im-Saarland/!5523058 | |
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[3] /Landesparteitag-der-Linken-im-Saarland/!5630729 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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