# taz.de -- Staeck-Plakat-Ausstellung in Essen: Nichts ist erledigt | |
> Satire für den Demokratiebedarf: Das Folkwangmuseum in Essen zeigt Klaus | |
> Staecks Plakate, die Politikgeschichte Revue passieren lassen. | |
Bild: Klaus Staeck bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Folkwangmuseum | |
Sonntagnachmittag am Museumsplatz in Essen. Aus dem Museum Folkwang strömen | |
reihenweise Leute, zusammengerollte Plakate unter dem Arm. Beim Gang durchs | |
Deutsche Plakatmuseum, das dem ehemaligen Präsidenten und jetzigen | |
Ehrenpräsidenten der Berliner Akademie der Künste bis Anfang April eine | |
Sonderausstellung widmet, wird klar: Jede Besucherin und jeder Besucher der | |
Einzelausstellung zu Ehren von Deutschlands bekanntestem Plakatkünstler | |
darf sich von zwei dicken Stapeln jeweils ein Plakat mitnehmen. | |
Staeck hat dafür Motive gewählt, die ihm aufgrund ihrer Thematik auch heute | |
noch die Wichtigsten sind: „Die Mietsache Erde“ sowie „Steuern von allen�… | |
verweisen auf die zentralen Themen Umwelt und soziale Gerechtigkeit im | |
Schaffen des aus Bitterfeld stammenden Künstlers. | |
Anlässlich seines 80. Geburtstags an diesem Mittwoch verschenkt der | |
viermalige documenta-Teilnehmer nun mahnende Bilder. Von unserem Planeten, | |
der „schonend zu behandeln und in gutem Zustand zurückzugeben“ sei. Von | |
Großunternehmen wie Apple, Starbucks, Google, Pfizer, IKEA oder Microsoft, | |
die er wegen Steuerflucht ins Visier nimmt. | |
## Ironische Kampfansage | |
Auch sonst überrascht die Aktualität von Staecks Abbildungen. Gemäß seinem | |
Credo „Nichts ist erledigt“ erschreckt zum Beispiel der weiterhin gültige | |
Wahrheitsgehalt von „Alle reden vom Klima, wir ruinieren es“, jenes | |
Umweltplakat von 1988 aus seinem Kampf gegen die deutsche Chemieindustrie | |
zusammen mit Greenpeace. | |
Es brachte ihm von seinen insgesamt 41 Prozessen die mit neun Jahren | |
längsten und härtesten Verfahren ein, die er – selbst Jurist – wie alle | |
anderen erfolgreich für sich entscheiden konnte. Geklagt hatten die | |
Vorstandsvorsitzenden von Hoechst und Kali-Chemie, weil er die | |
Chemiegiganten auf seinem Plakat direkt verantwortlich machte für | |
Ozonzerstörung und Treibhauseffekt. | |
Politisch produzierte Staeck, nicht weniger mutig, regelmäßig Skandale, | |
wenn er sich mit der CDU/CSU anlegte. Geradezu ikonografischen Charakter | |
hat sein 1972 anlässlich der Bundestagswahl entstandenes Plakat „Deutsche | |
Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“. Es war | |
Staecks ironische Kampfansage an die Wahlpropaganda der CDU, die | |
Sozialdemokraten planten bei einem Wahlsieg die Verstaatlichung von | |
Privateigentum. | |
Wenn es um die Christdemokraten ging, war der „Heidelberger Rechtsanwalt“, | |
wie er zu Beginn seiner künstlerischen Karriere in den Sechzigern und | |
Anfang der Siebziger oft genannt wurde, besonders bissig. Ob mit | |
„Birne“-Plakaten oder der „Banane“ von 1990, als zusammenwuchs, „was | |
zusammen gehört“. | |
## Anleihen bei Klassikern | |
Staeck wollte immer das liefern, was er selbst „Demokratiebedarf“ nennt: | |
mit Satire zum Nachdenken anregen. Das Ernsthafte mit dem Unterhaltsamen | |
verbinden. „Ich will kein Volksbespaßer sein“, sagt er. Doch unterhaltsam | |
sind seine Bilder allemal. | |
So wie sein Multiple „Zukunft“, das in Form einer blauen Neonröhre den | |
Eingangsbereich zu seiner Gesamtschau ziert, sprichwörtlich auf die | |
Bedeutung von Kunst als Zukunft verweist, so bezieht er sich mit | |
Collage-Technik auf Tradition und Vergangenheit. Gerne macht der | |
Grafikdesigner und Karikaturist dafür Anleihen bei Klassikern wie Dürer, | |
Breughel oder Spitzweg. Immer ironisch, nie moralinsauer. | |
Als er 1971 eine Kohlezeichnung der alten, verhärmten Mutter des | |
Renaissancemalers Albrecht Dürer verwendet, um im Dürerjahr polemisch in | |
die Debatte um fehlenden Wohnraum zu intervenieren, hatte Staeck, der | |
bislang als Rechtsanwalt sein Geld verdiente, seinen künstlerischen | |
Durchbruch. | |
## Kampfplatz Litfaßsäule | |
Er mietet zum ersten Mal in seinem Schaffen zahlreiche Nürnberger | |
Litfaßsäulen an und gelangt damit dorthin, wo er schon lange hin wollte: in | |
den öffentlichen Raum und zwar im doppelten Sinne. Mit seinem Plakat | |
„Sozialfall“ mit dem Abbild der vom Leben gezeichneten Frau zieht er in | |
einem Maße die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, dass er in den | |
Folgejahren nicht mehr aus der Öffentlichkeit wegzudenken ist. | |
Politische Aktionskunst wie damals betreibt Staeck heute immer noch. Auch, | |
wenn die Zeit der Litfaßsäulen vorbei ist. Jüngst nahm er Trump und die AfD | |
aufs Korn. Ob Trump als „Lügenbaron“ auf Münchhausens Kanonenkugel oder | |
Alexander Gauland als zweifelhafter Repräsentant einer ‚altteutschen‘ | |
„Leitkultur“: Klaus Staecks Plakate bringen aktuelle Problematiken visuell | |
eindringlich auf den Punkt. Er nimmt auch mit 80 Stellung zu den Gefahren, | |
die uns auf dem internationalen politischen Parkett bedrohen. „Ich gehöre | |
einfach in die Arena, nicht auf die Zuschauerränge. Ich bin ein Anstifter“, | |
so Staeck zu seinem unermüdlichen Engagement. | |
Heute verwendet er aber auch und vor allem die medialen Auftritte der | |
„Aktion für mehr Demokratie“, deren Mitbegründer er war, um sich mit | |
zahlreichen anderen deutschen Kulturschaffenden für eine Politik der | |
Gerechtigkeit zu betätigen und seine Ideen in die Breite zu tragen. | |
Staecks Strategien mögen heute andere sein als zu Beginn seiner Karriere. | |
Seine Anliegen sind gleich geblieben: sich in die politische Lebenswelt | |
einmischen, Verantwortung übernehmen und dadurch die Demokratie stärken. | |
Eben „Sand fürs Getriebe“ verstreuen. So der Titel der vielleicht | |
wichtigsten Installation, die er schon 1986 angefertigt und für seine | |
Jubiläumsausstellung aktualisiert hat: Stapelweise Jutesäcke mit Sand | |
sollen Störfaktor sein in der von ihm zeit seines Lebens verachteten | |
deutschen Behaglichkeit. | |
28 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Gisela Stamer | |
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