| # taz.de -- „So“ – ein Wörtchen mit Potenzial: So zu behandeln wie jede … | |
| > Mit zwei Buchstaben lässt sich mehr sagen, als man denkt. Und manchmal | |
| > auch etwas, das man nicht mal denken mag: etwa die Brandmauer | |
| > einzureißen. | |
| Bild: Auch Boris Pistorius nutzte das „so“, um eine Chefansage zu senden, u… | |
| Großgetöse um Großkampfbegriffe ist immer. Unterhaltsam kann aber auch | |
| sein, dem Geraschel zuzuhören, das weniger laut polternde Geister auf | |
| kleinstem Raum entwickeln. Beispielsweise dem kleinen „so“. | |
| Eigentlich ein ausnehmend hübscher Anblick, wie das o vom s sanft | |
| angeschoben wird, hat es das „so“ aber faustdick hinter den Ohren. Es ist | |
| ein Chamäleon, ein Hochstapler, ein Opportunist. Einerseits ist das | |
| schlichte „so“ so schön offen für Interpretation, lässt jede Menge | |
| Spielraum („Ich sage mal so …“, „Das kann man so und so sagen“, „So… | |
| Leben“, „Sodele“). | |
| Gleichzeitig kann es Repressionsmaßnahme sein, die dem Spaß ein Ende | |
| bereitet („So kommen wir nicht weiter“, „So nicht, Freundchen“, „Das … | |
| wir jetzt mal so stehen“). Zweimal hintereinander gesprochen, drückt das | |
| „so“ zweifelnde Zustimmung aus, die auch nach einer Drohung klingen kann. | |
| Spricht man sein s eher als z und hält das o zackig kurz, lässt sich damit | |
| auf alle Fälle Autorität demonstrieren, die Durchsetzungsstärke | |
| signalisiert. | |
| Auch die TV-Moderator*innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von | |
| [1][Markus Lanz] bis Maybritt Illner nutzen das „so“ inzwischen so, wenn | |
| sie klarmachen wollen, dass einer ihrer Gäste den Punkt gemacht hat, zu dem | |
| sie sowieso kommen wollten oder den Redefluss unterbrechen wollen, ohne | |
| eigene Sätze über das Palaver zu sprechen, bei dem niemand mehr ein Wort | |
| versteht. | |
| ## Genug mit Gockelhaftigkeit | |
| Mutmaßlich hat die Talkregie ernst genommen, dass viele Zuschauer*innen | |
| nicht nur der Floskel- oder Gockelhaftigkeit der Diskutierenden überdrüssig | |
| sind, sondern vor allem abschalten, wenn Diskutant*innen und | |
| Moderator*innen sich gegenseitig auf die Tonspur sprechen. Der | |
| Empörungslust und Prügelbereitschaft auf Social Media steht anderenorts | |
| ganz offensichtlich wieder ein größeres Bedürfnis nach unaufgeregten, gut | |
| argumentierenden und informierten Gesprächen gegenüber. | |
| Weil Ostern ist, wollen wir die Bibel reinholen und erinnern an Jesaja | |
| 55,11. Dort heißt es: „So soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch | |
| sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was | |
| mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.“ | |
| Als Politiker*in hat man diesen Bibelvers wahrscheinlich als Poster | |
| über dem Bett hängen, und auch das „so“ nutzen sie als Wort, das nicht le… | |
| zu ihnen zurückkommen soll, sondern tun, wozu sie es senden. | |
| Zuletzt hatte Friedrich Merz mit dem kleinen „so“ klargemacht, wer der Chef | |
| ist: [2][„Das haben wir so nicht verabredet“], erwiderte er auf die Aussage | |
| von SPD-Chef Lars Klingbeil, der Mindestlohn 2026 werde auf 15 Euro | |
| steigen. | |
| Auch Boris Pistorius nutzte das „so“, um eine Chefansage zu senden, und | |
| zwar in Richtung des seit sechs Monaten als mutmaßlich nächster | |
| Bundeskanzler gehandelten CDU-Chefs. Dieser hatte gesagt, er werde | |
| Marschflugkörper für die Ukraine nur in Abstimmung mit den europäischen | |
| Partnern liefern. „Ich kenne keinen europäischen Partner mit einem solchen | |
| System. [3][Von daher ist das mit der Abstimmung auch so eine Sache]“, ließ | |
| Pistorius wissen. | |
| Wer „so“ sagt, hat ausweislich des deutschen Sprichworts noch lange nicht | |
| fertig. Das „so“ ist derzeit das Wort, das den Zukunftskurs der CDU | |
| anklingen lässt. Jens Spahns Rat lautet nämlich, mit der AfD „[4][so | |
| umzugehen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch]“. | |
| Wird der So-Umgang mit Rechtsradikalen tun, was Jens Spahn gefällt, und | |
| wird ihm gelingen, wozu er es gesendet hat? Oder wird der So-Umgang die CDU | |
| dahin führen, wo die Republikaner längst sind: am Ende. Es kann so oder so | |
| ausgehen. Fest steht nur, dass Rechtspopulisten à la Trump Verbrecher sind, | |
| die wie Bert Brechts zynischer Gangster Mackie Messer klingen: „[5][Es geht | |
| auch anders, doch so geht es auch].“ | |
| 19 Apr 2025 | |
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| [2] /Diskussion-ueber-Mindestlohn/!6079006 | |
| [3] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/taurus-diskussion-merz-pistor… | |
| [4] /Politologe-ueber-Brandmauer-und-CDU/!6078106 | |
| [5] https://www.youtube.com/watch?v=QCddsMshytk | |
| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
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