Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schwierige Symbole: Stop the Wassermelonen-War!
> Was hat Dalmatien mit Palästina zu tun? Sehr viel mehr als unsere Autorin
> sich das vorstellen konnte, als sie ein Buchcover auswählte.
Bild: Wassermelone: aussen hart, innen saftig
Haben Sie schon mal vom Wassermeloneneffekt gehört? Nein, damit ist nicht
gemeint, dass dieses Obst in Form von Luftmatratzen, Girlanden, Kuschel-
und Dekokissen, auf Feuerzeugen und anderen Plastikprodukten die
wahrscheinlich meistappropriierteste Frucht der Welt ist.
Mit Wassermeloneneffekt wird das Verhalten von Mitarbeiter*innen
beschrieben, die aus Angst vor einer autoritärfiesundgemeinen
Unternehmensführung die Wahrheit verschweigen: Den alarmierenden Istzustand
(rot) eines Projektes kommunizieren sie so beschönigend in die Chefetage,
dass die da oben glaubt, im Laden unten liefe alles im grünen Bereich.
Schon schräg, dieses Phänomen ausgerechnet nach der Wassermelone zu
benennen. Deren Witz funktioniert doch in genau entgegengesetzter Richtung:
Wer zum ersten Mal ins Antlitz einer Wassermelone schaut, sieht eine
klobige, an das Ei eines Aliens erinnernde und nicht vielversprechend
appetitlich aussehende Riesenbohne.
Wer aber hinter der verhornten Elefantenhautschale des dreckig grünen
Giganten das einzigartige wassermelonenrote innere Wunder entdeckt und in
sein wassermelonensaftiges und wassermelonensüßes Fleisch beißt, [1][hat
ein Eins-a-Hosiannaerlebnis]. Zumindest ging mir als Kind beim Anblick des
grün-weiß-roten Wunders ein Licht auf, weil ich nun verstanden zu haben
glaubte, dass hinter dem Ave Maria – „Gebenedeit ist die Frucht deines
Leibes“ – die Wassermelone steckte.
## Terror und Vernichtung
Der Geschmack von Wassermelone ist wie wenig anderes der Geschmack von
Sommerferien am Mittelmeer. Vor ein paar Wochen erschien [2][mein Reisebuch
über Dalmatien]. Auf grünem Grund sieht man auf dem Titel einen Esel mit
Olivenbauer, eine Sonne und drei dreieckige Stücke Wassermelone. Die
Reaktionen von Kolleg*innen und Bekannten sind immer gleich: O, was für
ein schönes Cover – aber was hat denn Dalmatien mit Palästina zu tun?
Paläst…? O no! Kein einziger Wassermelonenkern hat mich bei den
Titeldiskussionen mit dem Verlag daran erinnert, dass die Wassermelone
ideologische Kampffrucht geworden ist, die mit Terror und Vernichtung, mit
Befreiung und Widerstand assoziiert wird. Beim Anblick der Wassermelone auf
dem Buchtitel hatte ich nur gedacht: O Wassermelone, was bist du doch für
ein schönes Wesen. Überhaupt nicht hatte ich auf dem Schirm, dass sich
Leute von Wassermelone bedroht fühlen, von ihr in Alarmzustand versetzt
werden oder mit ihr Terror legitimieren. Die einzige Frage, die ich mit
meinem Verlag diskutierte, lautete: Wassermelone oder Mercedes? Letzterer
kommt in Form eines in Stein gehauenen Gastarbeiterdenkmals ebenfalls im
Buch vor.
Aber auch wer keine Wassermelone aufm Cover hat, sollte sich meiner
Bewegung „Reclaim the Wassermelone“ anschließen. Es kann nicht sein, dass
das fantastischste Früchtchen dieser Erde ideologisch verhackstückt wird.
Idee für den Kampagnenslogan: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns
die Wassermelone klaut!“
Leider hat die Wassermelonen-Eskalationsspirale diese Woche meine in ihren
Anfängen steckende Bewegung torpediert. Nach heftigen Vorwürfen („zynisch
und menschenverachtend“) hat der Wirt des israelischen Restaurants
Feinberg’s in Berlin seinen [3][Drink mit „zerhackstückten“ Wassermelone…
und Israelfahne damit begründet, dass die Wassermelone für ihn das „neue
Hakenkreuz“ symbolisiere.
Nee, klar, da arbeitet man an der Entideologisierung, und zack:
Hakenkreuzvergleich. Dabei wäre der Wassermelonenfrieden so einfach zu
haben: Aus ihr lässt sich beispielsweise ein veganer Mettigel machen, und
wer unbedingt eine Fahne mit ihr assoziieren will, steckt einfach eine
Flasche Wodka in sie rein und trinkt sie aus. Holen wir uns das Obst
zurück: Freiheit für alle politischen Wassermelonen! Aufruhr, Widerstand –
Wassermelonen gibt es in jedem Land!
5 May 2025
## LINKS
[1] /Vier-Hymnen-auf-die-Wassermelone/!5607588
[2] https://www.folioverlag.com/Oh-Dalmatien/9783852569123
[3] /Pietaetlos-oder-Satire/!6081949
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Kolumne Geraschel
Palästina
Gaza-Krieg
GNS
Antisemitismus
Kolumne Geraschel
Kolumne Geraschel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pietätlos oder Satire?: Kritik an Drink auf Israeltag
Ein israelisches Restaurant hatte einen Drink aus „gehäckselter“
Wassermelone ausgeschenkt. Der Inhaber beteuert, es sei als Witz gemeint.
„So“ – ein Wörtchen mit Potenzial: So zu behandeln wie jede andere Oppos…
Mit zwei Buchstaben lässt sich mehr sagen, als man denkt. Und manchmal auch
etwas, das man nicht mal denken mag: etwa die Brandmauer einzureißen.
Putins hybrider Krieg: Verschwörung, haha, was haben wir gelacht
Es war Friedrich Merz, der Deutschland in den Abschiebewahlkampf geführt
hat. Oder doch Russland? Und warum reden wir dann nicht dauernd darüber?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.