# taz.de -- Sinkende Qualität von Flixbus-Fahrten: Einmal Dänemark ohne Gepä… | |
> Zwei Syrerinnen wird beim Umsteigen der Koffer verweigert – | |
> offensichtlich aus Zeitmangel. Die negativen Berichte über Flixbus häufen | |
> sich. | |
Bild: Das Unternehmen macht inzwischen geschätzt mehr als 400 Millionen Euro J… | |
Für 4,99 Euro von München nach Salzburg? Von Hamburg nach Kopenhagen für | |
19,99 Euro? Oder für 99 Euro durch fünf Städte in Europa? Geht alles. Mit | |
dem Flixbus. Das 2013 gegründete Unternehmen fährt rund 900 Ziele in 20 | |
europäischen Städten an. 40 Millionen Passagiere waren nach Flixbus-Angaben | |
im vergangenen Jahr mit einem der grün-orangegelben Busse unterwegs. Klar, | |
ist ja alles so schön billig. | |
Davon wollten in diesem Jahr auch zwei syrische Frauen profitieren. Doch | |
das preisgünstige Ticket bezahlten sie mit dem Verlust ihres Koffers. Am | |
späten Abend des 18. Juli stiegen die beiden älteren Damen am Zentralen | |
Busbahnhof in Berlin in den Bus Nummer N75 mit dem Ziel Odense in Dänemark. | |
Dafür mussten sie in Hamburg gegen 1 Uhr in den Bus N844 umsteigen. Die | |
Frauen wollten ein paar Tage bei einer Bekannten in Dänemark verbringen und | |
hatten Gepäck dabei. | |
In Dänemark konnten sie allerdings weder ihre Unterwäsche wechseln noch | |
ihre eigenen Zahnbürsten benutzen. Denn in Hamburg, wo die Frauen umsteigen | |
mussten, weigerte sich der Busfahrer, den Koffer aus dem Bauch des Busses | |
zu holen. Er steckte wohl zu tief im Gepäckraum. Die beiden Syrerinnen | |
sprechen kaum Deutsch, so viel haben sie eigenen Aussagen zufolge aber | |
verstanden: Das Gepäckfach war rappelvoll und der Koffer der Frauen tief | |
vergraben. Um den zu finden, hätte der Fahrer viele andere Koffer und | |
Taschen zunächst herausholen und dann wieder einräumen müssen. Die beiden | |
Frauen versuchten mit Händen und Füßen und knappen deutschen Worten zu | |
erklären, dass sie ihr Gepäck doch bräuchten. Keine Chance, der Bus N75 | |
fuhr mit dem Koffer der beiden Damen weiter in Richtung Amsterdam. | |
In Dänemark angekommen, baten die beiden ihre Bekannte um Hilfe. Diese | |
schrieb, nachdem telefonisch beim Flixbus-Kundenservice niemand helfen | |
konnte, am 24. Juli eine Mail an das Busunternehmen. Ohne Ergebnis. Bis auf | |
die automatische Standardantwort „Auf unserer Website haben wir die am | |
häufigsten gestellten Fragen von unseren Kunden für Sie gesammelt. Wir | |
freuen uns, Sie bald an Bord eines unserer grünen Busse begrüßen zu dürfen, | |
und wünschen Ihnen eine gute Reise“, haben die beiden Frauen bis heute | |
nichts vom Unternehmen gehört. | |
## Die anfängliche Euphorie schwindet | |
Um verloren gegangenes Gepäck kümmert sich die Lost&Found-Abteilung, | |
erklärt David Krebs von der Flixbus-Pressestelle auf taz-Nachfrage: „Die | |
Kollegen melden sich dann per E-Mail, falls der Gegenstand gefunden wurde.“ | |
Werde nichts gefunden, erhielten die Fahrgäste „innerhalb von 14 Tagen eine | |
E-Mail“. | |
Was ist bei Flixbus los? Müssen Reisende damit rechnen, ihr Gepäck zu | |
verlieren, weil die Busfahrer*innen keine Zeit haben, um- und auszuräumen? | |
Und müssen sich die Geschädigten später mit nichts sagenden Mails abspeisen | |
lassen? Fahrgäste, die gut Deutsch sprechen, können sich zumindest verbal | |
besser wehren. | |
Nach anfänglicher Kund*innen-Euphorie wegen der günstigen Preise ist | |
Flixbus mittlerweile in Verruf geraten. Oft würden die Busse, heißt es in | |
Bewertungsportalen und Online-Foren, wegen ungeleerter Bordtoiletten | |
stinken und häufig nicht mitten in der Stadt, sondern weiter draußen | |
halten. Die Fahrgäste müssten dann zusätzlich Tickets für den öffentlichen | |
Nahverkehr lösen. Busfahrer*innen würden mit 11 bis 16 Euro pro Stunde | |
schlecht bezahlt, selbst einen Teil der Kosten für ihre Dienstuniformen | |
müssen sie selbst bezahlen. Häufig komme es vor, dass Fahrer*innen | |
übermüdet seien. | |
Kürzlich kam es auf der Autobahn A 19 in Mecklenburg-Vorpommern zu einem | |
schweren Unfall: Ein aus Stockholm kommender Flixbus mit 60 Passagieren war | |
in den Straßengraben gefahren und dort umgekippt. 22 Menschen wurden | |
verletzt, einige davon schwer. Technisch sei der Bus laut Dekra | |
Neubrandenburg in Ordnung gewesen, Unfallforscher*innen wiesen im Rundfunk | |
Berlin-Brandenburg auf die lange Fahrstrecke hin und die nachlassende | |
Konzentrationsfähigkeit der Fahrer*innen. | |
## „Stressbelastete“ Arbeitsbedingungen | |
Von überschrittenen Lenkzeiten hört auch die Gewerkschaft Verdi. Das sei | |
aber nicht Flixbus direkt anzulasten, sondern den Subunternehmen, deren | |
Fahrzeuge im Auftrag von Flixbus unterwegs sind. In der Regel sind das | |
mittelständische Busfirmen, die das größte unternehmerische Risiko tragen. | |
Flixbus selbst besitzt nur einen einzigen Bus – als „Alibi“. | |
Die Arbeitsbedingungen für das Verwaltungspersonal sowie im kaufmännischen | |
Bereich seien „stressbelastet“, sagt Susanne Meinke, bei Verdi zuständig | |
für den Bereich Busse und Bahnen. Bestrebungen, Tarifverträge | |
abzuschließen, seien laut ihren Informationen nach ersten Verhandlungen im | |
Sande verlaufen. | |
Das Unternehmen macht inzwischen geschätzt mehr als 400 Millionen Euro | |
Jahresumsatz. Seit Kurzem sind Flixbusse auch in Amerika unterwegs. | |
Die beiden Syrerinnen warten bis heute, mehr als vier Wochen nach ihrer | |
Beschwerde, auf eine Reaktion des Unternehmens. Und auf ihr Gepäck. | |
Flixbus-Sprecher Krebs sagt: „Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen.“ | |
Finde sich der Koffer der beiden Damen nicht mehr, werde eine „Auflistung | |
des Inhalts vorgenommen und eine Entschädigung geprüft“. Dabei werde | |
allerdings der „Zeitverfall der Sachen einkalkuliert“. | |
3 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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