# taz.de -- Scholz und Cum-Ex: Vorgänger belastet Tschentscher | |
> Der Hamburger Ex-Finanzsenator Peiner (CDU) behauptet, er wäre mit | |
> Steuersachen anders umgegangen als sein Nachfolger. Neues zum | |
> „teuflischen Plan“. | |
Bild: Götz Wiese (CDU) und Norbert Hackbusch (Die Linke) im Cum-Ex-Untersuchun… | |
HAMBURG taz | Dass sich der ehemalige Hamburger Finanzsenator Peter | |
Tschentscher (SPD) über den Cum-Ex-Steuerfall Warburg informieren ließ, hat | |
einer seiner Vorgänger jetzt als „Beginn einer Einflussnahme“ bezeichnet. | |
„Wenn über den Finanzsenator etwas in den Apparat eingespeist wird, dann | |
macht sich die Verwaltung Gedanken“, sagte Wolfgang Peiner (CDU), der von | |
2001 bis 2006 Finanzsenator der Hansestadt war, am Donnerstag vor dem | |
Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft. „Es setzt die | |
Besorgnis der Befangenheit ein.“ | |
Damit hat der ehemalige Senator die Frage des Untersuchungsausschusses, ob | |
Senat und Steuerverwaltung zum Nachteil der Hamburger Einfluss auf ein | |
Steuerverfahren genommen haben, zwar nicht im Einzelfall, aber | |
grundsätzlich bejaht. Das schlägt auch zurück auf den damaligen | |
Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). | |
[1][Tschentscher hatte bei seiner Befragung im Ausschuss] zwar eingeräumt, | |
er habe sich als Chef der Finanzbehörde über den Fall berichten lassen; die | |
Entscheidung habe er aber den Experten des Finanzamtes und der | |
Finanzbehörde überlassen. „In steuerliche Entscheidungen der Finanzämter | |
wurde ich nicht eingebunden, in besonderen Fällen aber informiert“, sagte | |
er. | |
Gegenstand des Untersuchungsausschusses sind Cum-Ex-Geschäfte der Hamburger | |
Privatbank MM Warburg, von denen sich inzwischen herausgestellt hat, dass | |
sie rechtswidrig waren. Bei den Geschäften wurden Aktien so gehandelt, dass | |
sich die Beteiligten eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach | |
erstatten lassen konnten – ein schlichter Griff in die Staatskasse. | |
## Zum Rückfordern gezwungen | |
[2][Der Ausschuss untersucht, warum die Hamburger Finanzverwaltung 2016 und | |
2017 Steuererstattungen aus solchen Geschäften nicht zurückforderte | |
wollte], sondern in Kauf nahm, dass die Forderungen verjährten. 2016 | |
verjährte eine Forderung von 47 Millionen Euro tatsächlich, 2017 zwang das | |
Bundesfinanzministerium die Hamburger, 43 Millionen Euro einzutreiben. | |
Inzwischen hat die Bank 177 Millionen Euro zurückgezahlt. | |
Ex-Senator Peiner schilderte, dass er vor vielen Jahren einmal von dem | |
Miteigentümer der Warburg-Bank Christian Olearius gefragt worden sei, ob er | |
sich bei einem steuerlichen Problem Rat von der Politik holen sollte. „Mein | |
Rat war: auf keinen Fall“, sagte Peiner. „In dem Moment, in dem sie | |
erkennen, dass es sich um eine Steuerangelegenheit handelt, müssen sie das | |
Gespräch beenden.“ | |
Peiner wollte zwar nicht ausschließen, dass er selbst ein Schreiben eines | |
Steuerpflichtigen in den Behördenapparat gereicht habe. Das wisse er nicht | |
mehr. „Aber ich hatte meine Prinzipien“, sagte Peiner. Es sei die Sache des | |
Staatsrates, sich mit solchen Schreiben zu befassen. Der Senator | |
repräsentiere die politische Ebene, die sich da nicht einmischen dürfe, der | |
Staatsrat leite die Verwaltung. Allerdings sind die Staatsräte politische | |
Beamte. | |
Im [3][Warburg-Fall hatte der damalige Finanzsenator Tschentscher ein | |
Argumentationsschreiben der Bank in seine Behörde gegeben] mit der Bitte, | |
ihn auf dem Laufenden zu halten. Die Bank hatte das Papier auf Empfehlung | |
von Bürgermeister Scholz an Tschentscher geschickt. Dabei lag das Schreiben | |
dem zuständigen Finanzamt für Großunternehmen längst vor. | |
## Referentin fühlt sich unbeeinflusst | |
Eine Referentin der Finanzbehörde, bei der das Schreiben landete, sagte bei | |
ihrer Vernehmung am Donnerstag: „ Ich habe mich davon nicht angesprochen | |
gefühlt“. SPD-Obmann Milan Pein hakte nach: „Wenn der Senator um Sachstand | |
bittet, will er doch was?“ Er wolle informiert werden, antwortete die | |
Referentin. „Er hat nicht gesagt: Entscheide so oder so!“ Allerdings sei | |
das auch der einzige derartige Fall außerhalb des Beschwerdemanagements | |
gewesen, der ihr untergekommen sei. | |
Die Ausschusssitzung war ein [4][schräges Licht auf eine entscheidende | |
Sitzung in der Finanzbehörde am 17. November 2016]. Dort wurde eine | |
29-seitige Ausarbeitung der Sachgebietsleiterin Daniela P. diskutiert, die | |
zu dem Schluss kam, das Geld solle von Warburg zurückgefordert werden. Am | |
Ende kam die Runde aber zu dem Schluss, nicht zurückzufordern. Warum, das | |
ist und bleibt rätselhaft. | |
Die Schlüsselrolle auch in der Sitzung scheint P. gespielt zu haben, die | |
ein Gespräch mit eine Kölner Staatsanwalt einführte. Der habe darauf | |
hingewiesen, dass der Sachverhalt noch nicht ausermittelt sei und die | |
Steuern im Zweifel noch in einem Strafverfahren zurückgeholt werden | |
könnten. Das war damals noch nicht die Rechtslage, hat aber offenbar keiner | |
aus der Runde überprüft. Ebenfalls nicht überprüft worden zu sein scheint, | |
ob die Bank durch die Rückforderung in ihrer Existenz bedroht gewesen wäre. | |
P. scheint ausgeführt zu haben, dass sich seit Abfassung ihres Papiers | |
sechs Wochen zuvor neue Erkenntnisse ergeben hätten, die gegen eine | |
Rückforderungen sprächen. Das Anlagenkonvolut, das sie mitlieferte, deutete | |
nach Auffassung von Ausschussmitgliedern aber in die entgegengesetzte | |
Richtung. | |
## Der „teuflische Plan“ | |
Nur hat den Ordner, wie es sich nach den Zeugenaussagen darstellt, keiner | |
vorher gelesen oder Schlüsse daraus in die Runde eingebracht. In dem | |
Gespräch habe es nur Zweifel an der bisherigen Argumentation gegeben, sagte | |
die inzwischen pensionierte Leiterin des Finanzamtes für Großunternehmen, | |
„bis ich irgendwann sagte: Sollen wir es lieber lassen?“ | |
Dieser Satz könne am ehesten zu einem von der Staatsanwaltschaft | |
beschlagnahmten Chat P.s mit anderen Verwaltungsmitarbeitern gehören. Darin | |
äußerte sich P. nach der Sitzung gegenüber einer Kollegin erfreut darüber, | |
dass ihr „teuflischer Plan“ aufgegangen sei. Zudem bezeichnete P. zwei | |
Kollegen aus der Finanzbehörde als „Totalausfälle“ und das Bundesminsteri… | |
der Finanzen als „doof“. Allerdings sei ihr ein teuflischer Plan nicht | |
bekannt, sagte die Finanzamtschefin. | |
12 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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