# taz.de -- Schlagende Verbindungen: Pikante E-Mails, Rücktritt | |
> Beim Coburger Convent gibt ein Versammlungsleiter sein Amt ab. Grund | |
> dafür sind die Pläne, Kritiker*innen öffentlich schlecht zu machen. | |
Bild: Stadt mit Tradition: In Coburg kommen seit Anfang der 50er Jahre an Pfing… | |
COBURG taz | Jedes Jahr trifft sich der Coburger Convent (CC) an Pfingsten | |
in der gleichnamigen Stadt in Bayern. Seit 1951 schon hält der Dachverband | |
von rund 100 Studentenverbindungen, Landsmannschaften und Turnerschaften | |
hier seinen Convent ab, Fackelmärsche inklusive. Nicht allen gefällt diese | |
Tradition. | |
In diesem Jahr dürfte die Beliebtheit nicht unbedingt gestiegen sein. Vor | |
Beginn des Convents wurden pikante E-Mails des langjährigen | |
Kongressbeauftragten Hans-Georg Schollmeyer bekannt. Schollmeyer ist noch | |
vor den Feierlichkeiten zurückgetreten, blieb für die Pfingsttage aber | |
kommissarisch im Amt. | |
In den internen E-Mails, die die Autonome Antifa Freiburg einsah und unter | |
anderem der taz zugänglich machte, geht es darum, Kritik am CC zu | |
unterbinden. Eine Idee: eine Person abzustellen, die „einzelne Grüne im | |
Stadtrat“ durchleuchten sollte, um sie angreifbar zu machen. Absender | |
dieser E-Mail: der Kongressbeauftragte Schollmeyer. Am 8. März vergangenen | |
Jahres schickte er die Mail an ranghohe Funktionsträger im CC – unter | |
anderem an Pressesprecher Martin Vaupel. | |
Von den Grünen im Stadtrat soll Kevin Klüglein besonders angegangen werden, | |
der sich in der Vergangenheit kritisch über den CC geäußert hatte. Ihm | |
soll, schlägt Schollmeyer in einer weiteren Mail am 8. April vor, eine | |
Falle gestellt werden. | |
## Falle für grünen Stadtrat | |
Ein „Pressefritze“ sollte ein Interview mit Klüglein führen – „unter … | |
Denkmantel für die Taz etc. zu arbeiten“. Bei diesem Gespräch müssten sie | |
Klüglein „ausrutschen lassen und das dann veröffentlichen, um den politisch | |
kaputtzumachen“. Gegenüber der taz sagt der Grünenpolitiker, diese E-Mails | |
hätten ihn nur in seiner Auffassung bestätigt, dass der Coburger Convent in | |
einer antidemokratischen nationalistischen Tradition stehe. Darauf habe er | |
immer schon hingewiesen. | |
Der grüne Stadtrat ist offenbar nicht der Einzige, den Mitglieder des CC | |
angehen wollten. Wie die internen Mails zeigen, wollte der Verband Alter | |
Herren im Coburger Convent (AHCC) auch in Schulen Stimmung gegen | |
Kritiker*innen machen. So sollten Plakate vor zwei unliebsamen | |
Journalist*innen warnen. Einer von beiden ist Dominik Sauerer, der auch | |
als Berater gegen Rechtsextremismus tätig ist. | |
„Diese Aktion ist für mich klar ein Angriff auf die Pressefreiheit und eine | |
Diffamierung von einzelnen Personen, die als ‚Feinde‘ markiert werden | |
sollen“, sagt Sauerer der taz. Solche Anfeindungen kenne er „eigentlich nur | |
aus der extremen Rechten“. | |
CC-Pressesprecher Vaupel behauptete zunächst, dass ihm die geplante Aktion | |
gegen Sauer und eine Kollegin „nicht bekannt“ sei. Nach dem Rücktritt | |
Schollmeyers, der 51 Jahre lang der Kongressbeauftragte des CC gewesen ist, | |
hält Vaupel die E-Mails nun jedoch für authentisch. | |
## Rücktritt ein Alibi? | |
Der Rechtsextremismus-Experte Sauerer hält das für ein bloßes Alibi. Die | |
mutmaßlichen Planungen der „Fahndungsplakate kommen direkt aus dem Vorstand | |
des CC-Altherrenverbands“, betont er. „Auch wenn es extrem rechte | |
Mitglieder im CC gibt – dass eine solche Aktion von der Verbandsspitze | |
organisiert wird, ist eine andere Qualität“. | |
So ähnlich sieht es auch die Antifagruppe aus Freiburg. Nach ihrer Ansicht | |
wird Schollmeyer nun als Sündenbock geopfert. In den E-Mails werden auch | |
weitere Politiker*innen der Stadt verbal diffamiert. Für den Stadtrat | |
Kevin Klüglein bedeutet dies, dass der CC sein „Gastrecht“ in der Stadt | |
verloren habe. | |
Der Coburger Convent steht unter anderem wegen seines Umgangs mit der | |
Mensur in der Kritik. Pressesprecher Vaupel teilte auf Anfrage mit, dass | |
darüber auch intern gestritten werde. Auslöser dafür waren die starken | |
Verletzungen von zwei Duellanten in Erlangen [1][bei einem Fechten um die | |
Ehre] (die taz berichtete). Aus Sorge vor einem Verbot möchten schlagende | |
Verbindungen ein moderateres Wording nach außen kommunizieren. | |
Vor gut einer Woche berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ – ebenfalls auf | |
Grundlage der internen E-Mails – dass 2018 ein CC-Mitglied auf der | |
Herrentoilette eines Lokals in Coburg „Heil Hitler“ gerufen haben soll. | |
Ein anderes Mitglied zeigte den Vorfall an. Aus dem Schriftverkehr des CC | |
wird sichtbar, dass der Name des Rufers dem CC bekannt war. Den Namen gaben | |
die Verantwortlichen jedoch nicht an die Staatsanwaltschaft weiter – das | |
Verfahren wurde eingestellt. | |
29 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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