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# taz.de -- Saudi-Araberin in Thailand: Ein Leben lang nur ein Mündel
> Die Flucht der 18-jährigen Rahaf al-Kunun zeigt die Willkür des
> saudi-arabischen Vormundschaftsrechts. Nun ist sie in der Obhut des
> UNHCR.
Bild: Weiß auf sich aufmerksam zu machen: al-Kunun am Montag am Flughafen in B…
Kairo taz | Für die 18-jährige saudische Frau Rahaf Mohammed al-Kunun
scheint die unmittelbare Gefahr zunächst gebannt, zu ihrer Familie
zurückgeschickt zu werden. Al-Kunun wollte am Wochenende nach eigenen
Angaben vor einer Zwangsheirat nach Australien fliehen, wurde aber im
Transitbereich des Flughafens in Bangkok aufgehalten, wo sie sich in einem
Hotelzimmer verbarrikadierte und über soziale Medien auf ihr Schicksal
aufmerksam machte.
[1][Inzwischen hat sie den Flughafen verlassen] und befindet sich in der
Obhut der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR. „Es könnte mehrere Tage dauern,
diesen Fall zu untersuchen und die nächsten Schritte einzuleiten“, teilte
das UNHCR in Thailand mit.
Al-Kunun soll inzwischen um Asyl in Kanada, den USA, Großbritannien oder
Australien ersucht haben. „Der Vater und der Bruder haben angefragt, mit
Rahaf sprechen zu können, derartiges bedürfe aber der Zustimmung des
UNHCR“, erklärte der thailändische Chef für Immigrationsfragen, Surachate
Hakparn.
Der Vater sei nun in Thailand und das sei besorgniserregend, meint Phil
Robertson von Human Rights Watch. „Wir haben keine Ahnung, was der Vater
unternehmen wird, ob er herausfindet, wo sie ist und sie belästigt“, fügte
er hinzu.
## Das System der Vormundschaft
Das Schicksal al-Kununs hat erneut ein Schlaglicht auf die Rechtslage in
Saudi-Arabien geworfen, die Frauenrechtlerinnen aus dem Königreich seit
Jahren verändern wollen: die männliche Vormundschaft.
Saudische Frauen werden damit ihr ganzes Leben lang wie Minderjährige
behandelt. Für wichtige Entscheidungen brauchen sie die Unterschrift ihres
Vaters, Bruders oder Ehemanns – zum Beispiel, um einen Pass beantragen zu
können, um ins Ausland zu reisen oder dort zu studieren, sogar um nach
Absitzen der Strafe das Gefängnis verlassen zu dürfen und, vollkommen
absurd, um ein Haus für misshandelte Frauen verlassen zu dürfen.
Seit vorigem Jahr haben saudische Frauen das Recht, einen Führerschein zu
machen und Auto zu fahren, ein Sportstadion zu besuchen und in staatlichen
Schulen am Sportunterricht teilzunehmen. Danach forderten saudische
Frauenrechtlerinnen auch eine Reform des Vormundschaftsrechts.
Dessen Regeln entspringen einer besonders konservativen Koraninterpretation
der wahhabitischen Scheichs in Saudi-Arabien. In den meisten anderen
islamischen Ländern gelten diese Regeln nicht mehr. In Ägypten etwa können
Frauen alle Amtsgeschäfte alleine erledigen, einen Pass beantragen oder
verreisen.
Immer wieder haben saudische Frauenrechtlerinnen Kampagnen gegen das
männliche Vormundschaftsrecht gestartet. Im September 2016 wurde dem
saudischen König [2][eine Petition mit 14.000 Unterschriften gegen dieses
System] überreicht.
Doch das religiöse Establishment stellt sich quer. Der Mufti des Landes,
Abdulaziz Al al-Sheikh, hatte diese Petition damals gar als „Verbrechen
gegen den Islam“ und als „eine grundsätzliche Bedrohung der saudischen
Gesellschaft“ bezeichnet. Immerhin unterzeichnete der König Salman später
ein Dekret, in dem er den Frauen das Recht gab, einige Amtsgeschäfte
alleine zu erledigen.
## Al-Kunun ist nicht die erste Saudi-Araberin, die flieht
Die Flucht Rahaf al-Kununs vor ihrer Familie ist nicht der einzige Fall,
der international Aufmerksamkeit erlangte. Vor elf Jahren floh die
prominente [3][Frauenrechtlerin Samar Badawi] vor ihrer Familie, weil ihr
Vater sie misshandelt habe. Der wiederum stellte eine Anzeige gegen seiner
Tochter wegen „Ungehorsam“. Die verbrachte dann sieben Monate im Gefängnis,
bevor sie schließlich in der zweiten Instanz freigesprochen wurde.
Ein weiterer Fall ist der von Maryam al-Otaibi, die für 100 Tage
eingesperrt wurde, nachdem sie aus dem Haus ihres Vaters geflohen war. Sie
war von ihrer Familie bedroht worden, weil sie sich in sozialen Medien
gegen die männliche Vormundschaft ausgesprochen hatte. Es galt als Erfolg,
dass sie das Gefängnis ohne Zustimmung eines männlichen Verwandten
verlassen durfte.
Die größten Wellen schlug aber der Fall von Dina Ali Lasloom vor zwei
Jahren. Sie war aus Saudi-Arabien geflohen, um nicht gegen ihren Willen
verheiratet zu werden. Auch sie wollte nach Australien, wurde dann aber im
Transit in Manila von ihren männlichen Verwandten abgeholt und gegen ihren
Willen wieder nach Saudi-Arabien gebracht.
Zuvor konnte sie aber noch einen Videoappell für ihre Rettung absetzen, der
sich damals über die sozialen Medien unter dem Hashtag [4][#SaveDinaAli]
wie ein Lauffeuer verbreitete. Doch nach ihrer Ankunft wurde sie ins
Gefängnis gesperrt, später soll sie in ein Frauenhaus gekommen sein, dann
verliert sich ihre Spur.
In sozialen Medien in Saudi-Arabien stößt der aktuelle Fall auf gemischte
Reaktionen. Junge Frauen wie al-Kunun seien zu sehr von freizügigen
türkischen TV-Serien beeinflusst. Außerdem könne eine Frau, die misshandelt
wird, beantragen, dass dem gewalttätigen männlichen Vormund seine
Privilegien entzogen werden, heißt es dort weiter. Andere Tweets aus Saudi
Arabien wünschen Rafah dagegen viel Glück beim Versuch, ihrer Familie zu
entkommen.
8 Jan 2019
## LINKS
[1] /18-Jaehrige-fluechtet-nach-Thailand/!5560969
[2] /Frauenrechte-in-Saudi-Arabien/!5339594
[3] /Raif-Badawis-Schwester-festgenommen/!5265639
[4] https://twitter.com/search?q=%23savedinaali&src=typd
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
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Flucht
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