| # taz.de -- Safaris und Tierschutz: Der verlogene Ruf der Wildnis | |
| > In Sri Lankas Naturparks werden Leoparden, Elefanten und andere Tiere | |
| > eher gejagt als angeschaut. Tierschützer*innen kritisieren das. | |
| Bild: Sieht man eher auf einem Foto als bei einer Safari in Sri Lanka: Leoparden | |
| Tissamaharama taz | Der Jeep rast mit fast 80 Stundenkilometern über den | |
| braunen Sandboden. Er wirbelt Staub auf, nebelt die Insassen in dem offenen | |
| Wagen mit Abgasen ein, macht Krach. Die sechs Frauen und Männer in dem Auto | |
| wundern sich: Was soll das? Warum lenkt der Fahrer den Wagen wie jemand, | |
| der auf der Flucht ist, durch diesen Naturpark in Sri Lanka? | |
| So hatte sich niemand der sechs das vorgestellt. Die kleine Gruppe hatte | |
| eine Safari durch den Yala Nationalpark gebucht, das älteste | |
| Naturschutzgebiet der Insel im Indischen Ozean. Die Frauen und Männer | |
| hatten eine geruhsame Tour erwartet – und dann das. | |
| Kerstin Luck ist eine der Insass*innen und irritiert: „Wir sind in einem | |
| Naturschutzgebiet, ich verstehe das nicht.“ Sie fragt sich: Stört es die | |
| Tiere nicht, wenn der Wagen durch die Gegend rast? Wird die Luft nicht | |
| unnötig verpestet? Die deutsche Touristin, die zum ersten Mal eine Safari | |
| erlebt, wird in den nächsten Stunden immer wieder den Kopf schütteln und | |
| versuchen, den Fahrer zum Langsamfahren und Anhalten zu bringen. Doch der | |
| folgt nicht den Bitten seiner Fahrgäste, sondern den Rufen seiner Kollegen | |
| in anderen Jeeps, die durch den 1.500 Quadratkilometer großen Nationalpark | |
| rasen. | |
| Die Anrufe kommen im Minutentakt übers Handy. Und das hat einen Grund: | |
| Safari-Gäste wollen hier vor allem Leoparden sehen. So wie das die | |
| Prospekte, die überall in den Hotels und Gästehäusern ausliegen, | |
| versprechen. Die Raubkatze steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Im | |
| Yala Nationalpark leben 35 dieser Tiere, das ist eine der weltweit | |
| dichtesten Leopardenpopulationen. Die Chance, eines der Tiere außerhalb | |
| eines Zoos zu sehen, ist günstig, die Jeepfahrer sollen [1][die | |
| Tourist*innen zu ihnen] bringen. | |
| ## Ein Wagen nach dem anderen rast los | |
| Doch das führt zu einer Art Treibjagd. Sobald ein Fahrer irgendwo in einem | |
| Busch oder hinter einem Baum einen Schwanz, eine Tatze oder ein Stück | |
| Leopardenkopf entdeckt, ruft er sofort einen Kollegen an und gibt den | |
| Standort durch. Der wiederum meldet sich beim nächsten, die Telefonkette | |
| funktioniert perfekt. Dann rast ein Wagen nach dem anderen los, binnen | |
| wenigen Minuten fahren sämtliche Autos auf eine Stelle zu und kommen dicht | |
| gedrängt hinter- und nebeneinander zum Stehen. Mit der Folge, dass kaum | |
| jemand ein Tier zu sehen bekommt – die Autos versperren die Sicht. | |
| Leider sei das bei den meisten Safaris so, weiß die Tierärztin Daniela | |
| Schrudde von der Welttierschutzgesellschaft in Berlin. Sie hat in | |
| verschiedenen Naturparks gearbeitet und erlebt, wie Safaris funktionieren. | |
| Oft ist es ein Kreislauf: Den Tourist*innen wird von den Touranbietern ein | |
| einzigartiges Erlebnis versprochen, das viele Gäste dann auch einfordern – | |
| und das die Guides erfüllen sollen. Diese setzen alles daran, den Wünsche | |
| wenigstens in Ansätzen zu entsprechen, und missachten daher oft den | |
| Tierschutz. | |
| Die Safari, die Kerstin Luck gebucht hat, startet im Morgengrauen. Es ist | |
| noch dunkel, als die geschätzt 40 Wagen vor dem Nationalpark in einer | |
| langen Schlange auf den Einlass warten. Die Sonnenauf- und -untergänge | |
| gelten als die besten Zeiten, Wildtiere wie Elefanten, Krokodile, | |
| Wasserbüffel, Warzenschweine und eben Leoparden zu sehen. Zweimal am Tag | |
| rasen die Autokolonnen durch den Park. An diesen Touri-Rummel hätten sich | |
| die Tiere gewöhnt, sagt der Jeep-Fahrer: „Die Jungtiere kennen es ja gar | |
| nicht anders, sie wachsen damit auf.“ | |
| Das hält Tierärztin Schrudde zwar für möglich, aber trotzdem nicht für | |
| entschuldbar. „Möglicherweise sind Tiere, die Tag für Tag Autos und | |
| Touristen erleben, nicht gestresst, weil sie sich daran gewöhnt haben“, | |
| sagt sie: „Mittlerweile sind in den Parks auch viele Tiere habituiert, das | |
| heißt, sie haben verstanden, dass ihnen vom Menschen keine Gefahr droht, | |
| und flüchten deshalb auch nicht.“ Andererseits wird bei Tieren wie | |
| Antilopen nicht selten der Fluchtinstinkt missachtet. „Werden die Tiere von | |
| Menschen bedrängt oder von Autos eingekreist, bedeutet das für sie Stress“, | |
| sagt Schrudde. | |
| ## 10 Stundenkilometer im Serengeti-Park in Hodenhagen | |
| Im [2][Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen] ist das nicht | |
| erlaubt. Die Zahl der Autos und Besucher*innen ist begrenzt, die Fahrzeuge | |
| dürfen nicht schneller als 10 Stundenkilometer fahren und die asphaltierten | |
| Straßen nicht verlassen. Niemand darf aus dem Auto aussteigen, die Tiere | |
| dürfen nicht gefüttert werden. Mit seinen 220 Hektar und 1.500 exotischen | |
| Tieren ist der Serengeti-Park zwar wesentlich kleiner als der in Sri Lanka, | |
| aber trotzdem eine Besonderheit in Europa. Dort können Menschen auf | |
| Wildtiere treffen, die nicht wie in einem Zoo eingesperrt sind. | |
| Der Umgang mit den Tieren orientiert sich am Tierwohl. „Ein Tier muss immer | |
| das Recht behalten, Tier zu sein, um möglichst ungestört zu leben“, heißt | |
| es auf der Homepage. Das sei „eine Frage des Respekts“. Respekt vor den | |
| Tieren drückt sich aber auch dadurch aus, dass die Tourguides die „Tiere | |
| lesen“ können, wie die Tierschutzexpertin Schrudde es ausdrückt. | |
| Damit meint sie, dass die Fahrer erkennen sollten, wann ein Tier gestresst | |
| ist und Abstand zwischen sich und den Menschen haben möchte. In Sri Lanka | |
| scheint diese Philosophie weitgehend ausgehebelt zu sein. Schätzungsweise | |
| bis zu 400 Jeeps rasen an manchen Tagen durch den Park und versuchen, so | |
| dicht wie möglich an die Tiere heranzukommen. Und doch sehen die wenigsten | |
| Insassen der Wagen Leoparden. Das sei auch kein Wunder, weiß eine | |
| Mitarbeiterin des Serengeti-Parks in Hodenhagen. Die Tiere verschwinden vor | |
| allem im Sommer tagsüber in den Schatten der Bäume. | |
| ## Tierschützerin: Nicht mehr Menschen als Tiere im Park | |
| Die [3][Tierschutzorganisation Pro Wildlife] weist darauf hin, wie quälend | |
| für Tiere grundsätzlich manche Touristenattraktionen sind. Dazu zählten | |
| unter anderem Elefantenreiten, Delfinshows, das Streicheln von Affen und | |
| Tigern. Die häufige Betonung von Anbietern solcher Attraktionen, dass das | |
| Tierwohl gewährleistet sei, sei in der Regel ein „Etikettenschwindel“. | |
| Einen solchen kann die Touristin Luck im sri-lankischen Yala Nationalpark | |
| nicht einmal entdecken. Es sei noch viel schlimmer, sagt sie: „Dort sind | |
| meines Erachtens keinerlei Standards gewährleistet.“ Ähnlich sieht das auch | |
| das Leoparden-Projekt des „[4][Wilderness and Wildlife Conservation Trust]“ | |
| (WWCT) in Sri Lanka. Anjali Watson, die WWCT-Geschäftsführerin, sagt: „Der | |
| langfristige Einfluss des übermäßigen und rücksichtslosen Tourismus ist | |
| noch unklar.“ | |
| Tierschützerin Schrudde sagt, Schutzstandards einzuhalten sei eigentlich | |
| einfach: nicht mehr Menschen als Tiere in den Park lassen und die Tiere aus | |
| der Ferne beobachten. Sie sagt: „Dann besteht die Möglichkeit, die Tiere | |
| tatsächlich in ihrem natürlichen Verhalten zu erleben.“ Und die | |
| Tourist*innen bekommen das zu sehen, was sie sehen wollen: wilde Tiere. | |
| 25 Dec 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Reisen-nach-Sri-Lanka/!5566060 | |
| [2] https://www.serengeti-park.de/ | |
| [3] https://www.prowildlife.de | |
| [4] https://www.wwct.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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