# taz.de -- Reisen nach Sri Lanka: Die Touristen bleiben weg | |
> Nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen | |
> steckt Sri Lanka in einer Regierungskrise. | |
Bild: Polizisten vor einer zerstörten Moschee in Colombo | |
Monika hat ein kleines Restaurant und elf Angestellte. Die spülen Geschirr, | |
kochen, nehmen Bestellungen auf, bringen Essen, kassieren. Vor einem Jahr, | |
sagt Monika, kamen so viele Tourist*innen in ihr kleines, zweistöckiges | |
Lokal im Dorf Sigiriya in Sri Lanka, dass die Crew fast nicht hinterher | |
kam, um die Gäste rasch mit Essen und Getränken zu versorgen. | |
Nach Sigiriya kommen die Menschen, um den „Löwenfelsen“ zu besteigen, eine | |
ehemalige Festungsanlage aus dem 5. Jahrhundert. Auf halbem Weg nach oben | |
präsentieren „Wolkenmädchen“ ihre nackten prallen Brüste. Die | |
„Wolkenmädchen“ sind Rest uralter Malereien auf der Felswand, sie gehören | |
zu den kulturellen Highlights auf der ostasiatischen Insel. | |
Monikas Restaurant „Pradeep“ wird in Reiseführern beworben, bis vor einem | |
Jahr war die Bude vor allem abends rappelvoll. Doch jetzt hat die | |
48-Jährige Zeit, mit den Gästen zu schwatzen. Es sind nämlich kaum | |
Tourist*innen da. Seit es im Frühjahr politische Unruhen auf der | |
südasiatischen Insel gegeben hat und Länder wie Großbritannien und Kanada | |
Reisewarnungen in die Welt schickten, bleiben die Gäste weg. | |
## Die Regierung ist schuld | |
Auch Pipi Sinharachchi, Besitzerin eines versteckt in den Hügeln der Stadt | |
Kandy gelegenen Gästehauses in englischem Stil, klagt über ausbleibende | |
Tourist*innen. Ihr Refugium mit zehn kleinen Zimmern war immer ausgebucht, | |
sagt sie. Deshalb haben sie und ihr Mann neben dem Altbau einen Neubau | |
gesetzt, vor wenigen Wochen haben sie das neue Haus eingeweiht. | |
Moderne Architektur, große Zimmer mit Klimaanlage, Fernseher und großzügige | |
Bäder. Pipi wollte gerüstet sein für den üblichen Tourist*innenansturm nach | |
der Regenzeit in Sri Lanka. Doch jetzt sitzen sie und ihr Mann auf der | |
Terrasse ihres Hauses und schauen auf die Fassade des leeren Neubaus. | |
„Die Regierung ist schuld“, sagt Pipi: „Die hat dafür gesorgt, dass derz… | |
kaum Touristen kommen.“ Mit wem auch immer ich sprach im Dezember in Sri | |
Lanka, ich hörte vor allem Sätze wie diese: Die Regierung ist schlecht. Die | |
Regierung macht alles falsch. Die Regierung sollte abgelöst werden. | |
Im März hat Präsident Maithripala Sirisena einen einwöchigen | |
Ausnahmezustand ausgerufen, nachdem es bei Auseinandersetzungen zwischen | |
Buddhisten und Muslimen zwei Tote gegeben hatte. Vor allem in Kandy im | |
bergigen Hochland kam es zu Ausschreitungen, Häuser und Geschäfte wurden in | |
Brand gesteckt. Das Auswärtige Amt in Deutschland hat Urlauber*innen | |
geraten, „größere Menschenmengen und Demonstrationen zu meiden“. | |
## Wichtigster Wirtschaftszweig | |
Im Oktober kam es zu einem weiteren Zwischenfall. Präsident Sirisena machte | |
in der Hauptstadt Colombo seinen Vorgänger Mahinda Rajapakse überraschend | |
zum Premierminister. Der zu jener Zeit amtierende Premier Ranila | |
Wickremesinghe wurde kurzerhand entlassen. Dieser wollte sich mit seiner | |
Abwahl jedoch nicht abfinden und trommelte seine Anhänger*innen zusammen. | |
Das Ende vom Lied: eine veritable Regierungskrise. | |
Brände, Tote, Gewalt – das klingt alles bedrohlich. So bedrohlich, dass | |
Reiseveranstalter weltweit Buchungen massenweise stornierten. Nur: Wo immer | |
ich hinkam, erlebte ich freundliche Menschen und ein ruhiges Land. Von | |
Unruhen im Land, von Gewalt und Regierungskrise ist nichts zu spüren. Nicht | |
einmal in der Hauptstadt Colombo, wo die Regierung sitzt. | |
Ausbleibende Tourist*innen sind dramatisch für das Land, das maßgeblich von | |
ihnen lebt. 4,15 Milliarden Euro nahm das Land den Angaben der | |
Welttourismusorganisation (WTO) durch Reisende ein, das sind 5,6 Prozent | |
des Bruttoinlandsprodukts. Zehn Jahre zuvor waren es 2,6 Prozent. Der WTO | |
zufolge gibt jeder Gast durchschnittlich 2.000 Euro für seinen Urlaub in | |
Sri Lanka aus: in Restaurants, Hotels, Shops, für Safaris, Tuktuks, Touren | |
zu Buddhastatuen und Tempeln. | |
Sujith Samantha, Inhaber eines Hotels in Tissamaharama, sagt: „Es handelt | |
sich um eine Regierungskrise, und die findet ausschließlich in Colombo | |
statt und dort auch nur im Regierungsviertel.“ Aber es gab doch Unruhen im | |
Land. „Vorbei“, sagt Samantha. Es könnte noch mal losgehen. „Sieht nicht… | |
aus.“ Was tun? „Keine Ahnung“, sagt der Mann – und senkt die Priese für | |
seine Zimmer. | |
2 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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