# taz.de -- Rot-grüne Gesundheitspolitik: Hoffnung fürs Pflegepersonal | |
> Auch wenn es in Hamburg keine Gesundheitsbehörde mehr geben wird, hat | |
> sich Rot-Grün in Hamburg in diesem Bereich einiges vorgenommen. | |
Bild: Könnte Vorgaben bei der Personalausstattung bekommen: Agaplesion-Klinik … | |
HAMBURG taz | Sozialsenatorin Melanie Leonhardt (SPD) wird einiges zu tun | |
haben, wenn die Vorhaben in Sachen Gesundheit aus dem rot-grünen | |
Koalitionsvertrag wirklich umgesetzt werden sollen. Denn der Themenbereich, | |
der künftig kein eigenes Ressort mehr haben wird, kommt auf ihren nicht | |
gerade kleinen Berg an Aufgaben in den Bereichen Arbeit, Soziales, Familie | |
und Integration. | |
Ziemlich einvernehmlich habe man verhandelt, sagte Leonhardts Vorgängerin | |
Cornelia-Prüfer Storcks (SPD), als sie mit Anna Gallina (Grüne) die | |
[1][Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen] zu den Themen Gesundheit und | |
Verbraucherschutz vorstellte. Anders als damals, Ende Mai, wohl noch | |
angedacht, wurde Gallina aber doch nicht neue Gesundheitssenatorin. | |
Stattdessen hat sie die Justizbehörde übernommen, in deren Verantwortung | |
nun auch der Verbraucherschutz fällt. | |
Besonders aufgehorcht haben Pflegekräfte bei der Ankündigung | |
Prüfer-Storcks', dass Hamburg landeseigene Vorgaben für die | |
Personalausstattung im Krankenhaus plane. Diese Forderung von Pflegekräften | |
wurde bisher immer mit dem Argument abgewehrt, Hamburg sei an Vorgaben aus | |
dem Bund gebunden und könne selbst nicht tätig werden. | |
Im [2][Koalitionsvertrag] selber klingt das Vorhaben dann auch weniger | |
konkret. Die Einhaltung bundesweiter Personalstandards werde sichergestellt | |
und die Koalition wolle sich für eine angemessene Personalausstattung im | |
Nachtdienst einsetzen, steht da. Außerdem: „Ferner werden zusätzliche | |
Vorgaben für technische und personelle Ausstattung bei bestimmten | |
Behandlungen geschaffen.“ | |
## Landeseigene Vorgaben geplant | |
Landeseigene Vorgaben würden solche auf Bundesebene ergänzen, heißt es auf | |
Nachfrage aus der Fraktion der Grünen. Welche Vorgaben für welche | |
Einrichtungen und Bereiche es geben soll, dazu könnten derzeit aber „noch | |
keine genauen Angaben gemacht werden“. Auch aus der SPD-Fraktion heißt es, | |
die erforderlichen Vorgaben würden „unter Berücksichtigung der fachlichen | |
Leitlinien und Standards zu besprechen sein“. | |
Trotzdem wertet die [3][Hamburger Krankenhausbewegung] die Aussagen der | |
Koalition als Erfolg ihres Engagements in den vergangenen Monaten. | |
„Momentan haben wir eine Untergrenze, die ein absolutes Minimum zementiert, | |
also eine oft schlechte, unwürdige Versorgung“, sagt Karlheinz Fernau, in | |
der Bewegung aktiver Gesundheits- und Krankenpfleger. | |
Personalvorgaben müssten sich verbindlich am Patientenbedarf orientieren. | |
„Und da haben wir in Hamburg jetzt eine große Chance!“, findet er. | |
Bedarfsgerechte Personalbemessung trage dazu bei, dass ehemalige | |
[4][Pflegekräfte in den Beruf zurückkehren], Kolleginnen aus Teilzeit | |
wieder aufstocken und mehr junge Menschen die Ausbildung machen. | |
Constanze Weichert vom [5][Hamburger Bündnis für mehr Personal im | |
Krankenhaus] sieht das ähnlich. Sie betont, dass die Vorgaben nicht nur für | |
Pflegepersonal, sondern auch für andere Bereiche, beispielsweise Service- | |
und Reinigungskräfte, gelten müssten. Nur so könnte gesichert werden, dass | |
mögliche Mehrkosten für Pflegepersonal nicht in diesen Bereichen wieder | |
eingespart werden. | |
Konkreter als bei Pflegekräften wird die neue Koalition mit Blick auf | |
Hebammen. „In den entscheidenden Phasen der Geburt“ soll Frauen laut | |
Koalitionsvertrag eine eins zu eins Betreuung durch eine Hebamme ermöglicht | |
werden. „Es ist wichtig, dass die Hebammen hier in den Fokus genommen | |
werden“, sagt Weichert. Die Eins-zu-eins-Betreuung sei eine Forderung aus | |
dem Volksbegehren gegen den Pflegenotstand. Diesen hatte das Hamburger | |
Verfassungsgericht vor [6][etwa einem Jahr für unzulässig erklärt]. | |
Kritischer wird Weichert aber mit Blick auf die Krankenhausinvestitionen. | |
Es sei gut, dass mehr Investitionen angekündigt werden. Damit würden aber | |
auch die Gewinninteressen privater Konzerne gefördert. Es könne nicht sein, | |
„dass zum Beispiel der Asklepios-Eigentümer und Milliardär Bernhard große | |
Broermann auf Kosten der öffentlichen Hand weiter Gewinne mit unserer | |
Gesundheit macht“, sagt sie. Der Senat müsse sich konsequenter von der | |
Gewinnorientierung im Gesundheitswesen distanzieren. | |
Weichert kritisiert, dass im Koalitionsvertrag der Neubau der | |
Asklepios-Klinik Altona nochmal extra Erwähnung findet. „Erst schenken sie | |
Asklepios die Hamburger Krankenhäuser und jetzt betonen sie auch noch, dass | |
sie einen neues Krankenhaus bauen, woraus der Konzern dann Gewinne | |
abschöpfen kann“, sagt Weichert. „Das ist doch pseudo-sozialdemokratisch.�… | |
Mit Blick auf das Renditestreben im Gesundheitswesen findet sich | |
tatsächlich nur ein Passus im neuen Koalitionsvertrag. Der betrifft aber | |
nicht die Krankenhäuser, sondern gewerbliche Anbieter von | |
Gesundheitsleistungen und [7][medizinische Versorgungszentren], die | |
ambulante Versorgung anbieten und bei denen es die Befürchtung gibt, dass | |
sich Unternehmen in die Gesundheitsversorgung einkaufen. | |
## Umstrittene Pflegekammer | |
Ein weiterer Punkt im Koalitionsvertrag: Rot-Grün will beraten, ob | |
Pflegekräfte erneut über die Einrichtung einer Landespflegekammer befragt | |
werden sollen. Die Einrichtung wird unter Pflegekräften kontrovers | |
diskutiert. Die Kammer in Niedersachsen beispielsweise steht immer wieder | |
in der Kritik. | |
Eine Befragung dazu hatte es in Hamburg jedoch schon im Jahr 2013 gegeben. | |
Damals hatten sich nur 36 Prozent der befragten Pflegekräfte für eine | |
Kammer ausgesprochen. Das Votum halten die Grünen, auf die die erneute | |
Initiative zurückgeht, aber nur noch für „begrenzt aussagefähig“. Deshalb | |
wollen sie eine erneute Diskussion darüber. | |
„Das ist nicht der Punkt, den es zu diskutieren gilt“, sagt hingegen | |
Constanze Weichert vom Pflegebündnis. „Wir haben im Moment ganz andere | |
Probleme.“ | |
21 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rot-gruener-Koalitionsvertrag-in-Hamburg/!5686321 | |
[2] https://www.gruene-hamburg.de/wp-content/uploads/2020/06/Koalitionsvertrag-… | |
[3] https://www.hamburger-krankenhausbewegung.de/was-wir-brauchen/ | |
[4] /Fachkraeftemangel-im-Norden/!5651942 | |
[5] http://pflegenotstand-hamburg.de/ | |
[6] /Volksbegehren-gegen-Pflegenotstand/!5593510 | |
[7] /Krankenhauskonzerne-kaufen-Arztpraxen/!5538109 | |
## AUTOREN | |
Marthe Ruddat | |
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