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# taz.de -- Revolution in Ägypten: "Wir brauchen Brot und Würde"
> Die Jugendlichen, die auf dem Tahrir-Platz ausharren, treiben alle vor
> sich her, das Regime wie die Opposition. Auf jedes Manöver des Regimes
> finden sie eine Antwort.
Bild: Demonstranten auf dem Tahrir-Platz: "Danke, Jugend Ägyptens". Und: "Wir …
KAIRO taz | Es ist eine Dynamik, der sich derzeit niemand in Ägypten
entziehen kann. Der Tahrir-Platz im Zentrum der Hauptstadt Kairo bestimmt
die Tagesordnung. Die jungen Menschen, die dort ausharren, treiben alle vor
sich her. Nicht nur das Regime, sondern auch die Opposition. Hatte diese
noch am Sonntag versucht, mit dem von Präsident Husni Mubarak ernannten
Vizepräsidenten Omar Suleiman Gespräche zu führen, um sich gegenseitig
abzutasten, kam bald das "Nein zu Verhandlungen" vom Platz.
Die Vertreter der verschiedenen Jugendbewegungen von links bis hin zu den
jungen Muslimbrüdern, deren Führung gleichzeitig mit Suleiman am
Verhandlungstisch saß, erklärten unisono, bei diesen Gesprächen spreche
keiner in ihrem Namen. Ein Verdikt, dem sich die Opposition schnell beugen
musste, die sich am Abend für den Verhandlungsversuch mit dem Regime fast
entschuldigen musste.
Die Leute auf dem Platz haben eine klare politische Linie: Erst wenn
Mubarak geht, sind sie bereit zu sprechen. Das Regime versucht indes,
möglichst viel vom alten System in die neue Zeit hinüberzuretten, während
Mubarak offiziell noch im Amt ist. Und Teile der Opposition wollen das
Spiel mitspielen, um sich selbst einen Platz für die Zeit nach Mubarak zu
sichern.
Keine Sprecher, keine Führung
Doch bisher hat sich der Tahrir-Platz nicht instrumentalisieren lassen.
Dabei ist es seine Stärke, dass er bisher keine Sprecher und keine
politische Führungen hervorgebracht hat. Niemand konnte bislang von einer
organisierten Opposition vereinnahmt oder vom Regime verhaftet werden.
Das Regime spielt auf Zeit und setzt als Propagandainstrument das mächtige
staatliche Fernsehen ein. Es macht die Demonstranten dafür verantwortlich,
dass die Ägypter nicht wieder zur Normalität zurückkehren können. Dabei
geht es um so existenzielle Dinge wie die Auszahlung der Löhne. Eines der
großen Themen, die die Menschen in diesen Tagen bewegen, ist, dass viele
nicht wissen, wie sie ihre Familie durch den Monat bringen sollen.
Zugleich hetzt das staatliche Fernsehen offen gegen Ausländer und
behauptet, diese hätten die Revolte angezettelt. Man versucht, ein ganzes
Land im 24-stündigen Programmtakt gehirnzuwaschen. Dagegen steuern die
arabischen Satellitenkanäle mit ihrer Berichterstattung vom Platz. Es ist
ein Zermürbungskrieg. Das Regime versucht dabei, jeden gegen jeden
auszuspielen: Ägypter gegen Ausländer, Reiche gegen Arme, Stadt gegen Land.
Erst Brot, dann Freiheit
Zu Beginn der Proteste hatten vor allem die Jugendlichen aus den
Armenvierteln die Polizei verjagt und von ihren Problemen wie den
Preissteigerungen für Lebensmittel gesprochen. Danach waren es sehr viele
Ägypter aus der Mittel- und Oberschicht, die sich auf dem Tahrir-Platz
versammelten und vor allem politische Freiheiten forderten. Auch diesen
Widerspruch hat das Regime auszunutzen versucht. Deswegen ist heute eine
neue Parole auf dem Platz aufgetaucht: "Wir brauchen Brot und Würde", heißt
es jetzt.
Wieder einmal hat der Tahrir sensibel auf die Stimmungsmache des Regimes
reagiert. Sowohl das Regime als auch die Demonstranten kämpfen heftig um
die Gunst der zahlreichen Ägypter, die zu Hause sitzen und sich abwechselnd
die Hetze im staatlichen Fernsehen oder die Berichterstattung der
Satellitenkanäle vom Platz ansehen. Wie deren Stimmung ist, vermag niemand
mit Bestimmtheit zu sagen.
Aber vielleicht ist meine vollkommen unpolitische Cousine Nermin aus
Alexandria ein Barometer. Sie rief am Montag an und sagte, sie hätte das
Spiel durchschaut. "Ich hoffe, dass die Leute auf dem Tahrir den längeren
Atem haben."
7 Feb 2011
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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