# taz.de -- Revolution in Ägypten: Das Dilemma der Exilanten | |
> Viele Ägypter in Deutschland unterstützen die Revolution in der Heimat. | |
> Sie sind ständig online, versuchen bei Ausreisen zu helfen. Und gehen auf | |
> die Straße. | |
Bild: Sie wollen Teil der Revolution sein: 500 Exil-Ägypter demonstrieren am S… | |
BERLIN taz | Drei Tage galt sein Freund als vermisst. Am vierten Tag | |
änderten Schüler, Kollegen und Freunde ihr Profilbild auf Facebook. Einer | |
nach dem anderen postete das Foto von dem 31-jährigen Künstler und Lehrer | |
aus Kairo. Da wusste Ahmed Kamel, dass sein Freund tot war. Die letzte | |
gesicherte Information ist, dass sein Freund verhaftet wurde, letzten | |
Freitag, inmitten der Massendemonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo. | |
Mehr hat Ahmed Kamel nicht erfahren. | |
Ahmed Kamel ist selbst Künstler, seit drei Jahren wohnt er in Berlin. "Kein | |
schönes Gefühl, hier zu sein", sagt er. Trotz der Entfernung versucht er, | |
auch hier teilzunehmen an dem Umsturz, der Freunden und der Familie in | |
Ägypten den Boden unter den Füßen wegreißt. 24 Stunden ist er online, sagt | |
Ahmed, hysterisch sei er geworden, als das Internet einige Tage gekappt | |
war. Fast täglich ist er auf Demos, spricht mit den Medien, vernetzt sich | |
mit anderen Ägyptern, die in Deutschland leben. | |
Die ersten Aktionen in Berlin verliefen in einzelnen Grüppchen, sagt Tarek | |
Habashi. "Den Ägyptern fehlt einfach die Erfahrung mit Demonstrationen, | |
nicht nur in Ägypten." Mit Freunden organisiert er Aktionen über Facebook | |
und per Mail. 500 Menschen kommen, als es am Samstag von der ägyptischen | |
Botschaft zum Brandenburger Tor geht. | |
Gefühl der Hilflosigkeit | |
Während Tarek Habashi in Berlin die Stellung hält, hilft seine Mutter | |
derzeit in der deutschen Botschaft in Kairo Deutschen bei der Ausreise. | |
Sein Vater, Mamdouh Habashi, ist Linksaktivist und Vizepräsident des | |
Weltsozialforums in Senegal. Auch wenn diese Demos und Aktionen ein kleiner | |
Trost seien, fühle man sich letzten Endes trotzdem hilflos, sagt Tarek | |
Habashi. | |
Hoda Salah weiß nicht, ob sie mehr Angst um ihre Eltern hat oder umgekehrt. | |
Die Eltern wollen nicht, dass ihre Tochter weiterhin in Deutschland auf die | |
Straße geht. Sie haben Angst, dass sie ihre Tochter nie wiedersehen. Die | |
politischen Aktionen könnten auch für die Exilanten ein Nachspiel haben, | |
befürchtet Hoda Salah: "Stehen wir erst auf der schwarzen Liste, weil wir | |
hier demonstrieren, wird das nicht mehr so leicht mit dem Heimreisen." | |
Dreimal am Tag telefonieren | |
Mindestens dreimal am Tag telefoniert sie mit ihrer Familie, die in Nasser | |
City wohnt. Dort gibt es zwar kaum Demos, die konzentrieren sich in Kairo | |
auf dem Tahrir-Platz; aber nachts, erzählt Hoda Salah, würden ihre Eltern | |
immer wieder geweckt von Schüssen - eine Strategie der Militärs, die die | |
Bevölkerung einschüchtern soll. | |
"Das bringt doch alles nichts", sagt Mohamed, "wir stehen doch hier auf | |
fremdem Boden." Sein richtiger Namen soll nicht in der Zeitung erscheinen. | |
In seiner Heimat galt er als Anhänger der Opposition, wurde verhaftet und | |
gefoltert, da war er 21 Jahre alt. Mittlerweile ist er 42 und lebt mit | |
seinen Kindern in Bielefeld. | |
Nichts könne man ausrichten mit diesen Demos, sagt Mohamed. Trotzdem ist er | |
die 400 Kilometer nach Berlin gefahren, wo er nun mit anderen darüber | |
diskutiert, ob man die Parolen auf Deutsch oder Arabisch rufen soll. "In | |
Ägypten werden Leute getötet", sagt er, "ich konnte doch nicht vor dem | |
Computer sitzen und einfach nur zuschauen." | |
7 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Franziska Langhammer | |
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