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# taz.de -- Revolution in Ägypten: Regierung will entschärfen
> Die ägyptische Regierung spricht mit der Opposition und versucht zu
> besänftigen. Aber sie hält daran fest, Präsident Husni Mubarak bis zum
> Ende seiner Amtszeit im Amt zu halten.
Bild: Demonstranten beten und blockieren das ägyptische Militär am Montag auf…
KAIRO/WASHINGTON/BERLIN/DAMASKUS dapd/afp/rtr/dpa/taz | Fast zwei Wochen
nach dem Beginn der Volksbewegung gegen Präsident Husni Mubarak versucht
die umgebildete ägyptische Führung, die Krise mit Ermittlungen wegen
Korruption und Wahlbetrug zu entschärfen. Die Demonstranten auf dem
zentralen Tahrir-Platz in Kairo - am Montagvormittag eine im Vergleich zu
den Vortagen relativ kleine Menge - forderten aber weiterhin den sofortigen
Rücktritt Mubaraks.
Doch die weiterhin Mubarak unterstellte umgebildete Regierung und Führung
der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP) schien das Ziel zu
verfolgen, Mubarak bis zum offiziellen Ende seiner Amtszeit im September
mit Zugeständnissen und Reformversprechen im Amt zu halten. So kündigten
staatliche Medien juristische Verfahren gegen drei frühere Minister und
einen ehemals hohen Parteifunktionär wegen Korruption an. Das Bankkonto des
früheren Innenministers Habib al-Adli - wegen seiner Zuständigkeit für die
Polizei bei den Demonstranten besonders verhasst - sei gesperrt worden,
berichtete die Nachrichtenagentur Mena.
Die Agentur meldete weiter, dass Mubarak eine Überprüfung von bislang
abgewiesenen Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei der letzten
Parlamentswahl vom November angeordnet habe. Sollten Parlament und das
höchste Berufungsgericht diese nun anerkennen, könnte es sogar zur
Auflösung des Parlaments und einer vorgezogenen Neuwahl kommen. Die NDP
hatte damals 83 Prozent der 518 Sitze gewonnen.
Die Regierung will nun Beschwerden über schlechte Behandlung von
politischen Gefangenen prüfen und die Sonderregeln, die bisher Festnahmen
allein "aufgrund der Sicherheitslage" zulassen, aufheben.
Menschenrechtsaktivisten trauen diesen Versprechen allerdings nicht: "Wenn
man sieht, wie Sicherheitskräfte in den vergangenen zehn Tagen
Demonstranten geschlagen haben, wird man sich bewusst, dass sie ihr
Verhalten nicht geändert haben", sagte Hassiba Hadsch Sahraui von Amnesty
International.
An dem Gespräch am Sonntag mit Vizepräsident Omar Suleiman nahm erstmals
auch die Muslimbruderschaft teil. Die Islamistenorganisation hatte die
Aufnahme eines Dialogs bis jetzt vom Rücktritt Mubaraks abhängig gemacht.
Diskussion um Muslimbruderschaft
Unterdessen erklärte US-Präsident Barack Obama, er messe der
Muslimbruderschaft keine große Rolle bei. In einem Interview am Sonntag mit
dem US-Fernsehsender Fox sagte er, die islamistische Gruppe habe nicht die
Unterstützung der Mehrheit. Er räumte aber ein, dass sie gut organisiert
sei. Ihre Ideologie weise anti-amerikanische Strömungen auf.
US-Außenministerin Hillary Clinton hat davor gewarnt, die oppositionelle
Muslimbruderschaft vom ägyptischen Übergangsprozess auszuschließen. Die USA
wollten nicht vorschnell über die politische Zukunft der Muslimbrüder
urteilen, sagte Clinton am Sonntag während ihres Rückflugs von der Münchner
Sicherheitskonferenz. Vor allem Israel befürchtet ein Erstarken
fundamentalistischer Kräfte in seinem Nachbarland.
Clinton verteidigte den Standpunkt der USA sowie europäischer Staaten,
wonach der umstrittene Präsident Husni Mubarak nicht sofort zu einem
Rücktritt gedrängt werden sollte. "Wir wollen einen Prozess eingeleitet
sehen, der zu einem geordneten Übergang führt mit Zwischenzielen und
konkreten Schritten, an deren Ende freie und faire Wahlen stehen", betonte
Clinton.
Mubarak in Deutschland willkommen
Immer mehr deutsche Politiker halten die Ausreise des ägyptischen
Präsidenten Husni Mubarak nach Deutschland für eine gute Idee, sollte sich
der 82-Jährige einer medizinischen Untersuchung unterziehen müssen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte allerdings am Montag in Berlin:
"Es gibt weder offizielle noch inoffizielle Anfragen."
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, der CDU-Politiker
Ruprecht Polenz, erklärte: "Schon aus humanitären Gründen wäre es eine
Selbstverständlichkeit, Mubarak - falls nötig - eine Behandlung in einem
deutschen Krankenhaus zu ermöglichen."
Der ägyptische Präsident könne an die Untersuchungen auch gerne eine
Reha-Maßnahme anschließen, wenn er dies wünsche, deuteten Unions-Kreise ein
gegebenenfalls offenes Ende einer solchen Reise an. Zuvor hatten sich
bereits Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) und
FDP-Sicherheitsexpertin Elke Hoff für eine solche Variante offen gezeigt,
bei der es sich aber formal nicht um politisches Asyl handeln solle.
Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Rolf
Mützenich, unterstützt Überlegungen solche Überlegungen. "Sollte eine
Aufnahme Mubaraks den friedlichen und freien Übergang in Ägypten
erleichtern, kann man dies unterstützen", sagte er. "Das darf aber nicht
bedeuten, dass Mubarak vor einer rechtlichen Verfolgung geschützt ist."
Nervosität in Syrien
Einem im Internet verbreiteten Aufruf zu Massendemonstrationen in Syrien
waren am vergangenen Wochenende weniger als 100 Menschen gefolgt. Dennoch
sieht es so aus, als sorgen die Aufstände in Tunesien und Ägypten für
Nervosität im Reich von Präsident Baschar al-Assad.
Die regierungsamtliche syrische Tageszeitung Al-Thawra meldete am Montag,
das Büro von Ministerpräsident Mohammed Nadschi al-Otari habe alle Behörden
angewiesen, binnen 15 Tagen Vorschläge zu machen, wie man künftig die
unrechtmäßige Enteignungen von Grundstücken verhindern könne. Zuvor hatte
die Regierung bereits Hilfen für die Bauern in den von Dürre betroffenen
Regionen und die Auszahlung von Sozialhilfe an mittellose Familien
beschlossen.
Öffentlich stellt zwar niemand einen Zusammenhang zwischen diesen Maßnahmen
und den Aufständen in Tunesien und Ägypten her. Und die Regierung betont,
sie habe diese Entscheidungen schon vor längerer Zeit getroffen. Im
privaten Rahmen wird jedoch mittlerweile überall von den "Segnungen der
Volksaufstände in Tunesien und Ägypten" gesprochen, was in einem vom
Geheimdienst kontrollierten Staat wie Syrien als ungewöhnlich gilt.
Die Assyrische Demokratische Organisation, die als Vertreterin der
Interessen der Christen aus Syrien und dem Irak auch im Ausland aktiv ist,
veröffentlichte am Sonntagabend eine Erklärung zum Thema Reformstau in
Syrien. Darin hieß es, die Revolutionen in Tunesien und Ägypten und die
Proteste der Jugend gegen Korruption und Arbeitslosigkeit hätten auch
"andere Staaten der Region zum Kochen gebracht".
7 Feb 2011
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