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# taz.de -- Revolution in Ägypten: Mubarak will beschwichtigen
> Die ägyptische Regierung hat die Bildung eines Komitees angeordnet, das
> die Verfassungsreform voranbringen soll. Die Proteste in Kairo gingen
> indes weiter.
Bild: "Ihr alle seid Helden", sagte Wael Ghonim, Google-Manager, nach seiner Fr…
KAIRO/JERUSALEM/BERLIN dpa/afp/dapd/rtr/taz | In Ägypten setzen Regierung
und Oppposition ihr Ringen um einen Ausweg aus der Krise fort. Der unter
Druck geratene Staatspräsident Husni Mubarak machte am Dienstag weitere
Zugeständnisse, mit denen ein friedlicher Machtwechsel bei den nächsten
Wahlen im September ermöglicht werden soll. Der Staatschef ordnete am
Dienstag die Überarbeitung der Verfassung und eine Untersuchung der Gewalt
an und sprach sich für die Fortsetzung des Dialogs aus. Dessen ungeachtet
setzten Zehntausende von Demonstranten ihren Protest in Kairo und anderen
Städten des Landes fort.
Vizepräsident Omar Suleiman erklärte am Dienstag im Staatsfernsehen,
Präsident Mubarak habe die Bildung eines Komitees angeordnet, das eine
Verfassungsänderung vorbereiten soll. Dies war am Sonntag bei Gesprächen
mit Oppositionsvertretern vereinbart worden. Vergangene Woche hatte Mubarak
erklärt, im September nicht mehr zur Wahl antreten zu wollen, und eine
Änderung der umstrittenen Verfassungsartikel 76 und 77 zur Debatte
gestellt. Diese setzen hohe Hürden für die Präsidentschaftskandidatur und
erlauben dem Präsidenten eine uneingeschränkte Zahl an Amtszeiten.
Suleiman sagte weiter, derzeit werde ein Fahrplan für einen friedlichen
Machtwechsel mit einem festen Zeitplan erarbeitet. Mubarak habe außerdem
versprochen, dass es keine Strafverfolgung der Demonstranten geben werde.
Als weiteres Signal des Entgegenkommens ordnete der Präsident die
Einsetzung einer Kommission zur Untersuchung der Gewalt gegen die
Demonstranten an. Die Kommission solle die "schreckliche und inakzeptable"
Gewalt am vergangenen Mittwoch auf dem Tahrir-Platz untersuchen, die zu
"unschuldigen Opfern unter den Demonstranten" geführt habe. Zahlreiche
Menschen waren vergangene Woche getötet worden, als Anhänger Mubaraks gegen
die Regierungsgegner vorgingen. Dabei waren Vorwürfe laut geworden, bei den
Mubarak-Anhängern handele es sich um bezahlte [1][Schlägertrupps].
Mubarak sprach sich außerdem für eine Fortsetzung des am Sonntag begonnenen
Dialogs mit der Opposition aus. Dieser solle ermöglichen, "einen genauen
Zeitplan für eine friedliche und organisierte Übergabe der Macht unter
Achtung der Verfassung" zu erarbeiten, wie Suleiman erklärte. Am Montag
hatte Ministerpräsident Ahmed Schafik nach der ersten Sitzung des neuen
Kabinetts, das infolge der Proteste umgebildet worden war, erklärt, dass
die Löhne von Staatsbediensteten sowie alle Renten zum 1. April um 15
Prozent erhöht würden.
Google-Manager wieder frei
Die Hunderttausende, die auch am Dienstag in Kairo wieder auf die Straße
gingen, zeigten sich aber unbeeindruckt von diesen Ankündigungen. Über der
Zeltstadt auf dem Tahrir-Platz stand auf einem Transparent: "Das Volk
fordert den Rücktritt des Regimes". Allerdings kehrte der Rest Kairos
allmählich zum Alltag zurück. Die meisten Geschäfte waren wieder geöffnet.
Die Demonstranten feierten den aus dem Gefängnis freigelassenen
Google-Manager Wael Ghonim. Viele Menschen kamen eigenen Angaben zufolge
zum ersten Mal auf den Tahrir-Platz, um den jungen Ägypter zu sehen, der
als einer der Anführer der Protestbewegung gilt. "Wir werden unsere
Forderung nach einer Absetzung des Regimes nicht aufgeben", sagte Ghonim.
Der 30-Jährige hatte am Montag nach seiner Freilassung ein emotionales
Fernsehinterview gegeben, in dem er beschrieb, wie er vor knapp zwei Wochen
von vier Männern auf offener Straße überwältigt und zur ägyptischen
Staatssicherheit gebracht wurde. Während seiner gesamten Inhaftierung seien
ihm die Augen verbunden gewesen, gefoltert worden sei er aber nicht.
Journalisten weiter behindert
Die Arbeit von Journalisten bei der Berichterstattung über die Revolte in
Ägypten wird nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ)
weiter behindert. Am Dienstag sei ausländischen Reportern ohne
Akkreditierung der Zugang zum Tahrir-Platz verweigert worden, berichtete
die in New York ansässige Organisation. Die Soldaten hätten Journalisten
festgenommen und ihre Ausrüstung beschlagnahmt. Seit dem 30. Januar gab es
dem CPJ zufolge mindestens 140 direkte Angriffe auf Journalisten, die über
die Unruhen berichten wollten.
Mubarak empfing am Dienstag den Außenminister der Vereinigten Arabischen
Emirate, Scheich Abdullah bin Said al-Nahjan, meldete der Nachrichtensender
al-Arabija. Die Herrscher der Golfstaaten sind mehrheitlich gegen einen
schnellen Rücktritt Mubaraks - wahrscheinlich weil sie befürchten, dies
könnte auch Oppositionelle in ihren Ländern zu Protesten ermutigen.
Mehrere deutsche Politiker sprachen sich dafür aus, Mubarak einen
Aufenthalt in Deutschland zur medizinischen Behandlung zu gewähren. "Die
Bundesregierung sollte Mubarak diskret signalisieren, dass er nach
Deutschland kommen kann, wenn er das will", sagte der Europa-Abgeordnete
Elmar Brok (CDU) der Frankfurter Rundschau. Der FDP-Außenpolitiker Rainer
Stinner warb in der Zeitung ebenfalls für ein solches Angebot, lehnte es
aber ab, Mubarak offiziell Exil zu gewähren.
USA nehmen deutlichere Stellung
Nach tagelangem Zögern bezog die US-Regierung erstmals deutlicher Position
und sprach sich gegen einen sofortigen Rückzug Mubaraks aus. Die Umsetzung
dieser zentralen Forderung der Demonstranten könne einen Rückschlag für den
demokratischen Prozess bedeuten.
Außenministeriumssprecher P. J. Crowley sagte am Montag in Washington,
Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen seien ein schwieriges Unterfangen. Bis
Ägypten freie und faire Wahlen abhalten könne, müsse noch viel getan
werden. Zugleich mahnte er, dass die Gespräche zwischen Regierung und
Opposition umfassender werden müssten. Es gebe immer noch Gruppen, die bei
den Verhandlungen nicht vertreten seien. Crowley erklärte, Neuwahlen
innerhalb der nächsten acht Monate seien machbar.
Israel will Suleiman
US-Dokumenten zufolge ist Vizepräsident Suleiman seit längerem Israels
erste Wahl für die Nachfolge des 82-jährigen Staatschefs Husni Mubarak.
Suleiman löse bei Israel ohne Frage das größte Wohlbehagen aus, heißt es in
US-Botschaftsdepeschen vom August 2008, die die Enthüllungsplattform
Wikileaks veröffentlicht hat. Dagegen habe sich eine israelische Delegation
nach einem Treffen mit Mubarak geschockt über dessen greisenhaftes Aussehen
und undeutliche Rede gezeigt.
Für Suleiman sei ein Berater des israelischen Verteidigungsministers Ehud
Barak dagegen "voll des Lobes" gewesen. Den Angaben zufolge standen der
ägyptische Geheimdienst und das israelische Verteidigungsministerium in
tagtäglichem Kontakt über eine speziell eingerichtete Hotline.
8 Feb 2011
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