# taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: Westen verpennt Revolution | |
> Die Staatschefs warnen auf ihrem Münchner Treffen vor einem überstürzten | |
> Machtwechsel in Ägypten. Denn sie haben Angst vor einem Machtvakuum. | |
Bild: Zwei feige Frauen: Angela Merkel und Hillary Clinton wollen alles, nur ke… | |
Die Agenda für die Münchner Sicherheitskonferenz wurde bereits vor einigen | |
Wochen vorausschauend in einem modernen Videoeinspieler verarbeitet: | |
Russland, die Finanzkrise und "Bedrohungen aus dem Cyberspace" hatten die | |
Macher des Streifens als Topthemen der Tagesordnung in diesem Jahr | |
identifiziert. Nicht geahnt hatten sie, dass eine ganz andere Frage die | |
Welt in diesen Wochen viel mehr bewegen würde: die Revolution in Ägypten. | |
Zwar beherrschten Ägypten und die politischen Umstürze in der gesamten | |
Maghreb-Region vor allem am Samstag dann doch die Konferenz. Dennoch: Das | |
Zögern der anwesenden Regierungschefs auf "dem internationalen Forum der | |
Außen- und Sicherheitspolitik", eine Haltung zur politischen Zukunft von | |
Staatschef Husni Mubarak zu finden, blieb der prägende Eindruck der | |
Veranstaltung. | |
Die Formulierung, auf die sich am Ende die meisten Staatschefs verständigt | |
hatten, war von den USA ausgegangen. Man wolle zwar einen schnellen Wandel, | |
aber keinen schnellen Rücktritt Mubaraks, gab US-Außenministerin Hillary | |
Clinton als Devise aus. | |
Der US-Sondergesandte für die Region, Frank Wisner, wurde noch deutlicher. | |
"Der Präsident muss im Amt bleiben, um den Wandel zu gestalten", sagte | |
Wisner. Mit dieser Aussage hatten die meisten Teilnehmer der Konferenz | |
nicht gerechnet. Schließlich wollte man den Eindruck, sich allzu direkt in | |
die inneren Angelegenheiten Ägyptens einmischen zu wollen, eigentlich um | |
jeden Preis vermeiden. | |
Etwas subtiler, aber inhaltlich kaum abweichend, erklärte Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel (CDU), wie sie die Lage in Ägypten sieht: Sie forderte eine | |
friedliche und geordnete Entwicklung. Dabei wurde sie biografisch: "Die | |
schnelle Wahl als Anfang eines Demokratisierungsprozesses halte ich für | |
falsch", sagte sie und verwies auf den "Demokratischen Aufbruch", bei dem | |
sie in der Wendezeit ihre eigenen ersten politischen Erfahrungen gesammelt | |
hatte. Ihre Partei habe am Ende 0,9 Prozent der Wählerstimmen gehabt, | |
erinnerte sich die Kanzlerin. Insgesamt, so Merkel, müssten die Ägypter | |
"selber entscheiden", wie schnell der Demokratisierungsprozess ablaufe. | |
Hinter dem Zögern der westlichen Staatschefs steht die Angst, ein schneller | |
Rücktritt des besonders in den USA lange als Stabilitätsfaktor in der | |
Region empfundenen Mubarak könne den religiös orientierten Muslimbrüdern in | |
die Hände spielen. Diese gelten als wesentlich besser organisiert als etwa | |
der neue Hoffnungsträger des Westens, der ehemalige Leiter der | |
Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed al-Baradei. | |
"Es ist auffällig, wie zögerlich man ist und die Dinge unter Kontrolle | |
bringen will", kritisiert der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Paul | |
Schäfer. Er bemängelt auch, dass Europa unfähig ist, eine Führungsrolle in | |
dem Prozess zu übernehmen - die Agenda sei auf der Sicherheitskonferenz | |
eindeutig von den USA vorgegeben worden. "Die EU schwimmt mit", sagte | |
Schäfer der taz, "es ist ein Trauerspiel". Ebenso sieht es Schäfers Kollege | |
im Verteidigungsausschuss des Bundestages, der Grüne Omid Nouripour. "Es | |
ist grottenfalsch, Mubarak gegen den Protest des ägyptischen Volkes im Amt | |
stützen zu wollen", sagte Nouripour der taz. Das zeige die Unfähigkeit, | |
sich von einem veralteten Stabilitätsbegriff zu lösen. "Es gibt bereits | |
genügend Möglichkeiten, den Wechsel jetzt zu gestalten." Ohnehin steht zu | |
befürchten, dass die Zögerlichkeit der Staatschefs bei der Münchener | |
Konferenz von der Realität auf den Straßen Kairos eingeholt wird. Dann | |
werden auch die Beschlüsse vom Wochenende nichts mehr wert sein. | |
Der Vergleich Merkels mit der eigenen DDR-Vergangenheit blieb auch nach | |
Abschluss der Konferenz Gesprächsthema. Süffisant konstruierte einer der | |
Besucher eine Analogie zwischen Ägypten und der innerdeutschen Wendezeit. | |
"Wenn der ägyptische Präsident Mubarak jetzt in der Verantwortung bleibt", | |
sagte er, "wäre das ungefähr so, als hätten die Westmächte beim | |
Zusammenbruch der DDR festgelegt, dass Erich Mielke den Übergang in die | |
Demokratie gestalten soll." | |
6 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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