| # taz.de -- Regimekritiker in Ägypten: Tot im Tora-Gefängnis | |
| > Gerade erst 24 Jahre war er alt, nun ist er tot. Der ägyptische | |
| > Filmemacher Shady Habash hatte bei einem Sisi-kritischen Musikvideo Regie | |
| > geführt. | |
| Bild: Ein Wandgemälde in Kairo erinnert an die Märtyrer der Revolution. Nun g… | |
| Berlin taz | Es ist eine späte und traurige Erinnerung an die revolutionäre | |
| Bewegung in Ägypten, von der in den letzten Jahren nur noch wenig zu hören | |
| war: Der äußerst kreative Filmemacher Shady Habash, gerade erst 24 Jahre | |
| alt, ist in einem Gefängnis in Kairo gestorben. Bevor er weggesperrt wurde, | |
| hatte Habash regimekritische Musikvideos produziert – die der | |
| autokratischen Staatsführung von Präsident Abdelfattah al-Sisi gar nicht | |
| passten. | |
| Habash war im März 2018 festgenommen worden. Ihm wurde vorgeworfen, | |
| Falschinformationen verbreitet zu haben und einer „illegalen Organisation“ | |
| anzugehören. Der eigentliche Grund war aber wohl ein anderer: seine | |
| Zusammenarbeit mit kritischen Künstlern wie dem oppositionellen [1][Sänger | |
| Ramy Essam]. | |
| Für das Musikvideo zu dessen Song „Balaha“ hatte Habash Regie geführt. In | |
| dem Clip geht es mehr oder weniger unverhohlen um Präsident Sisi, der 2013 | |
| als Militärchef die damals regierenden Muslimbrüder entmachtete und sich an | |
| die Macht putschte. Seither geht Sisis Militärregime brutal gegen jegliche | |
| Opposition vor – egal ob aus säkulär-demokratischer oder islamistischer | |
| Ecke. | |
| Der Titel des Songs – „Balaha“ („Dattel“) – ist ein Spitzname für … | |
| seine KritikerInnen in Anlehnung an eine Figur in einem ägyptischen | |
| 80er-Jahre-Film für den Präsidenten verwenden. Der Film handelt von einem | |
| notorischen Lügner. | |
| Wie Habash um Leben kam, ist unklar. Er sei im Tora-Gefängnis in Kairo | |
| gestorben, teilte sein Anwalt Ahmed al-Chawaga am Samstag nur mit. Ramy | |
| Essam, der Sänger, bestätigte den Tod. Auf [2][Facebook] schrieb er: „Shady | |
| war der netteste und tapferste Mensch. Er hat niemanden verletzt. Möge Gott | |
| ihm gnädig sein.“ | |
| ## Berühmt durch Revolutionshymnen | |
| Essam lebt mittlerweile in Schweden. Auf dem Höhepunkt des sogenannten | |
| Arabischen Frühlings 2011 war er durch Lieder wie „Irhal“ („Geh“/“Tr… | |
| zurück“) und „Aish, hurriya, 'adala idschtima'iya“ („Brot, Freiheit, | |
| soziale Gerechtigkeit“) berühmt geworden, die zu Hymnen der Revolution | |
| wurden. | |
| Im Zusammenhang mit „Balaha“ waren 2018 mehrere Personen festgenommen | |
| worden. Bis zuletzt hatte sich Essam für die Freiheit von Habash | |
| eingesetzt. Im Rahmen einer Solidaritäts-Kampagne forderte er auch Freiheit | |
| für den Schriftsteller [3][Galal al-Behairy], der den Liedtext zu dem Song | |
| geschrieben hatte und ebenfalls 2018 verhaftet worden war. | |
| Auf seiner Website veröffentlichte Essam einen Brief ([4][hier auf | |
| Englisch]), den Habash im vergangenen Oktober aus dem Gefängnis heraus | |
| geschrieben haben soll. Darin heißt es: „Das Gefängnis tötet nicht, es ist | |
| die Einsamkeit, die tötet.“ Und weiter: „Ich brauche Eure Unterstützung, … | |
| nicht zu sterben.“ | |
| ## „Schlimmste Menschenrechtskrise seit Jahrzehten“ | |
| Nach Angaben von Anwalt Chawaga hatte sich Habashs Gesundheitszustand | |
| zuletzt verschlechtert. „Er wurde ins Krankenhaus und dann gestern Abend | |
| zurück ins Gefängnis gebracht, wo er starb“, zitiert ihn die | |
| Nachrichtenagentur AFP. Das Arabische Netzwerk für | |
| Menschenrechtsinformationen erklärte via Twitter, Habash sei durch | |
| „Fahrlässigkeit und mangelnde Gerechtigkeit“ zu Tode gekommen. | |
| Sisi hat dem nordafrikanischen Land nach turbulenten Zeiten zwischen 2011 | |
| und 2013 eine Art Totenruhe gebracht. Die Menschenrechtslage ist | |
| katastrophal, Proteste sind kaum noch möglich, öffentliche Kritik an der | |
| Regierung wird unterdrückt. | |
| Die meisten Medien haben kritische Berichterstattung eingestellt, viele | |
| Zeitungen und Fernsehsender in Privatbesitz wurden von Unternehmen mit | |
| Verbindungen zum Sisi-Regime aufgekauft. Berichten zufolge sitzen | |
| Zehntausende politische Gefangene – darunter Journalisten, Anwälte, | |
| Aktivisten und Islamisten – in den Gefängnissen des Landes. | |
| „Unter der Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi erlebt Ägypten die | |
| schlimmste Menschenrechtskrise seit vielen Jahrzehnten“, schreibt Human | |
| Rights Watch. „Die Behörden haben Zehntausende friedlicher Kritiker | |
| inhaftiert, darunter über 4.000 Personen, die nach friedlichen | |
| [5][Protesten im September 2019] festgenommen wurden.“ | |
| Amnesty International warnt in einem am Sonntag veröffentlichten Bericht, | |
| dass die Regierung in der Corona-Krise ihre Gangart gegen Kritiker, | |
| insbesondere gegen kritische JournalistInnen, sogar noch verschärft hat. | |
| Die Menschenrechtler dokumentierten die Fälle von 37 Journalisten, die | |
| zuletzt im Zuge der Unterdrückung der Pressefreiheit festgenommen wurden. | |
| 3 May 2020 | |
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| [1] https://www.ramyessam.com/ | |
| [2] https://www.facebook.com/RamyEssamOfficial/posts/2974062472637718 | |
| [3] https://pen.org/advocacy-case/galal-el-behairy/ | |
| [4] https://www.ramyessam.com/post/photographer-director-shady-habash-dies-at-t… | |
| [5] /Repression-in-Aegypten/!5630804 | |
| ## AUTOREN | |
| Jannis Hagmann | |
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