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# taz.de -- Repression in Ägypten: Per Handy-Check ins Gefängnis
> Mit Alaa Abdel Fattah haben die Behörden einen prominenten Aktivisten
> festgenommen. Tausende Ägypter sind von Repressionen betroffen.
Bild: Panzer auf dem Kopf, al-Sisi in der Hand: Anhänger des Präsidenten durf…
Kairo taz | Die Verhaftungswelle in Ägypten reißt nicht ab. Mit Alaa Abdel
Fattah haben die Behörden eine der einstigen Ikonen des Tahrir-Platzes
festgenommen. Der heute 37-Jährige war beim Arabischen Frühling 2011 einer
der prominesten Blogger und Aktivisten. Am Wochenende wurde er in Haft
genommen und dem Haftrichter vorgeführt. Er soll Falschinformationen
verbreitet und Menschen zum Protest aufgerufen haben.
Gerade erst hatte Abdel Fattah eine fünfjährige Haftstrafe für „illegales
Demonstrieren“ abgesessen. Vor sechs Monaten war er freigekommen, musste
sich aber jeden Abend um 18 Uhr bei einer Polizeiwache melden und dort
zwölf Stunden die Nacht verbringen – eine Auflage des Gerichts, die fünf
Jahre lang in Kraft sein sollte. Es ist inzwischen üblich, dass ägyptische
Gerichte derartige Auflagen verhängen, um sicherzustellen, dass
Freigelassene nicht wieder in der Öffentlichkeit politisch aktiv werden.
Als seine Familie Abdel Fattah am Sonntagmorgen von der Polizeistation
abholen wollte, war er bereits zur Staatsanwaltschaft gebracht worden, die
die neue Anklage vorbereitete. Am Montag wurde dann auch noch Muhammad
El-Baqir, einer der Anwälte, die Abdel Fattah repräsentieren, unter der
gleichen Anklage wie sein Mandant verhaftet.
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wurden in Ägypten allein in der
letzten Woche [1][über 2.000 Menschen festgenommen]. Hintergrund sind
kleinere Proteste, die seit zwei Wochen in mehreren Teilen des Landes
stattgefunden haben und in denen zum Sturz des ägyptischen Präsidenten
Abdel Fatah al-Sisi aufgerufen worden war. Oppositionelle Demonstrationen
sind in Ägypten untersagt, Proteste auf der Straße sind mit einem hohen
persönlichen Risiko verbunden.
## Nilbrücke und Tahrir-Platz gesperrt
Auslöser dieser Proteste war eine Serie von Videos des einstigen
Militär-Subunternehmers Muhammad Ali, der über vermeintliche Korruption im
Militär und über Verschwendung von Geldern beim Bau von Präsidentenpalästen
spricht. Diese Enthüllungsvideos verbreiten sich seit drei Wochen wie ein
Lauffeuer auf den ägyptischen sozialen Medien.
Begonnen hatten die [2][Proteste völlig überraschend] am Freitag
vorvergangener Woche. Ein Aufruf Muhammad Alis, Derartiges noch einmal am
vergangenen Freitag zu wiederholen, verlief dann allerdings aufgrund eines
enormen Polizeiaufgebots ins Leere. Der gesamte Tahrir-Platz in Kairos
Innenstadt sowie eine benachbarte Nilbrücke waren kurzerhand gesperrt
worden.
Die mehrheitlich jungen Menschen, die es zuvor gewagt hatten zu
demonstrieren, gehören keiner politischen Gruppierung an und waren dem
Sicherheitsapparat weitgehend unbekannt. Um eine Wiederholung der Proteste
zu verhindern, bediente sich die Polizei in der ganzen letzten Woche einer
besonders perfiden Methode. Sie begann, an Straßensperren vor allem junge
Männer aufzufordern, ihre Handys vor den Polizisten zu entsperren, um diese
dann nach politisch kompromittierendem Material zu untersuchen.
Etwa die Hälfte der 2.000 Verhafteten seien nach solchen Handychecks
mitgenommen worden, erzählt der ägyptische Menschenrechtler Gamal Eid vom
Arabic Network for Human Rights Information, der selbst auch die
Verteidigung von einigen der Verhafteten organisiert. „Das Durchsuchen der
Handys ist eine Prozedur, die die Polizei in Ägypten schon seit knapp drei
Jahren anwendet. Aber das hat nach den letzten Demonstrationen enorm
zugenommen“, erläutert er im Gespräch mit der taz.
## Handy-Checks sind illegal
Dabei gehen die Polizisten immer gleich vor. Sie fordern dazu auf, das
Handy zu entsperren, nehmen es dann weg und klicken sich dann durch. „Sie
schauen auf die Bildergalerie, ob sie Bilder oder Videos von
Demonstrationen finden oder suchen politische Satire. Und dann schauen sie
sich Facebook, Twitter, WhatsApp und Instagram an“, beschreibt Eid die
Methode. Finden sie etwas Regimekritisches, wird der Besitzer des Handys
mitgenommen.
Das Ganze sei vollkommen illegal, führt Eid aus. Laut ägyptischem Gesetz
dürfe die Polizei Handys nur auf der Polizeiwache durchsuchen und das nur
mit einer expliziten Order der Staatsanwaltschaft, wenn ein Verdacht auf
ein Verbrechen vorliege.
In den Fällen der letzten Woche habe die Polizei nicht nach einem Indiz für
ein Verbrechen gesucht, sondern nach oppositionellen Neigungen. Eine
Rechtslage, die den Menschen, deren Handys auf der Straße willkürlich
ausgeforscht werden, wenig nützt. Denn wer sich weigert, sein Handy vor den
Polizisten auf der Straße zu entsperren, der läuft Gefahr, gleich
mitgenommen zu werden.
30 Sep 2019
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## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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