| # taz.de -- Rechte Szene rund um Berlin: Brandenburg wird brauner | |
| > In Brandenburg macht die junge Neonaziszene mobil mit nächtlichen | |
| > Spontanaufmärschen und Kampfsport-Events. Unter ihnen sind junge | |
| > Akademiker, die sich als Elite verstehen. | |
| Bild: Auch so wird man brauner: Rechte Glatzen sonnen sich bei einem Aufmarsch … | |
| Ein Cottbusser Kickboxer, der zu den Klängen der Rechtsrockband Blitzkrieg | |
| in den Ring einläuft und unter dem Gejohle von Neonazis auf einen | |
| türkischstämmigen Boxer einschlägt; nächtliche Spontanaufmärsche von | |
| Jungrechten mit weißen Masken und Fackeln in der Lausitz und in Potsdam; | |
| „nationale Kampfsporttage“ des Südbrandenburger Neonazi-Netzwerks | |
| „Spreelichter“: Die junge, rechte Szene in Brandenburg ist vital wie selten | |
| zuvor. | |
| Innenminister Dietmar Woidke (SPD) sprach am Donnerstag bei der Vorstellung | |
| des Brandenburger Verfassungsschutzberichts von einer „besorgniserregenden | |
| Entwicklung“. 410 Mitglieder rechnet die Behörde den „Freien Kräften“ im | |
| Land zu, 30 mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie seit der Wende. | |
| Die Gruppen zeichnen sich durch eine lose Struktur, gemeinsame | |
| Aufmarschbesuche, vielfach Gewaltbereitschaft und einen „Schwarzen | |
| Block“-Habitus aus. Die Szene vernetzt sich über das Internet. Neun Gruppen | |
| zählte der Verfassungsschutz zuletzt, die meisten im Süden des Landes. | |
| „Viele mit eindeutiger Wesensverwandtschaft mit der NSDAP“, sagte | |
| Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber. | |
| Prägend ist das Lausitzer „Spreelichter“-Netzwerk. Dort wurde das Konzept | |
| der nächtlichen Spontanaufzüge samt der Kampagne „Die Unsterblichen“ | |
| ausgeheckt, das in der Szene inzwischen bundesweit kopiert wird. Seit Mai | |
| 2011 wurden 30 dieser Aufzüge durchgeführt, mit denen vor einem „Tod des | |
| deutschen Volks“ gewarnt wird. Anschließend landen Videos der Aktionen als | |
| Propaganda im Internet. „Handwerklich durchaus hochwertig“, sagte | |
| Schreiber. | |
| Laut der Behördenchefin stecken hinter der 25-köpfigen Kerngruppe nicht | |
| mehr nur „gescheiterte Existenzen“, sondern auch junge Akademiker. In | |
| Lesezirkeln werde „Originalliteratur“ der NS-Zeit studiert, die Mitglieder | |
| verstünden sich als Elite. Parallel hat die Szene den Kampfsport entdeckt. | |
| Klandestin werden interne Boxkämpfe organisiert oder wie im Fall des | |
| inzwischen suspendierten Cottbussers Markus Walzuck Vereine unterwandert. | |
| Die Lübbener „Northsidecrew“ verstehe sich gleich als „nationale | |
| Kampfsportver[1][http://onlinetaz.hal.taz.de/?id=]einigung“, die sich in | |
| ihrem Logo offen an der SA anlehne. Schreiber nannte es eine „große, neue | |
| Herausforderung“, wenn sich Neonazis „selbst zur Waffe formen und diese | |
| letztlich auch einsetzen“. | |
| Jugendliche werden auch mit rechter Musik geködert. Mit 24 märkischen | |
| Szenebands gibt es nur in Sachsen mehr Rechtsrock. Fanden 2010 nur vier | |
| Konzerte im Land statt, waren es im vergangenen Jahr 15. Die Zahl der | |
| Konzertbesucher verdoppelte sich zum Vorjahr auf 1.800. | |
| Der Zuwachs im „freien Spektrum“ geht zulasten der NPD. Viele | |
| Kameradschaftler lehnen die rechtsextreme Partei als Teil des | |
| demokratischen Betriebs ab. Die NPD schrumpfte zuletzt um 20 Mitglieder auf | |
| 350 Parteianhänger. Ihre Jugendorganisation, einst das Scharnier zu den | |
| Jungrechten, hat nur noch 25 Mitglieder, 15 weniger als im Vorjahr. | |
| „Erfolgreich ist die NPD nur im Prozess der Selbstnazifizierung“, hielt | |
| Schreiber fest. Insgesamt konstatiert sie für Brandenburg ein | |
| rechtsextremes Potenzial von 1.150 Personen, ein leichtes Minus von 20. Von | |
| ihnen gelten 420 als gewaltbereit. | |
| Innenminister Woidke will dem Aufwind der Szene eine „starke | |
| Zivilgesellschaft“ und Verfolgungsdruck entgegensetzen. Woidke verwies auf | |
| sein Verbot der wiederholt durch Straftaten aufgefallenen „Freien Kräfte | |
| Teltow-Fläming“ im April 2011. Schreiber betonte, dass auch V-Leute wichtig | |
| seien, um die immer geheimeren rechten Netzwerke zu durchleuchten. Beim | |
| NPD-Verbot warnte Woidke davor, zu „blauäugig“ vorzugehen. Werde ein | |
| Verbotsantrag gestellt, müsse dieser auch erfolgreich sein. „Alles andere | |
| wäre ein Konjunkturprogramm für die NPD.“ | |
| Die Partei versucht sich in Brandenburg momentan mit einer Aufmarschserie | |
| zusammen mit „Freien Kräften“ zurückzumelden. Woidke begrüßte hier | |
| Gegenprotest, betonte aber, dass Blockaden gegen Neonazis ein „Holzweg“ | |
| seien. Diese schreckten Bürger ab und bauten „falsche Fronten“ gegen die | |
| Polizei auf. In Frankfurt (Oder) wurde am vergangenen Samstag dennoch | |
| blockiert. Die Neonazis marschierten nur wenige hundert Meter. In | |
| Brandenburg (Havel) will man an diesem Wochenende daran anknüpfen. | |
| 29 Mar 2012 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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