# taz.de -- Proteste gegen rechtsextreme Aufmärsche: NPD-Wagen rammt Polizeiau… | |
> In mehreren Städten gab es Proteste gegen rechtsextreme Aufmärsche. In | |
> Lübeck durfte Ministerpräsident Carstensen bei der Gegendemo nicht reden. | |
> Zwei Polizisten wurden verletzt. | |
Bild: Stummer Protest: Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Peter Harry C… | |
LÜBECK dpa | Die Neonazis waren eine verschwindende Minderheit: Nur gut 100 | |
Teilnehmer zählte ihr Aufmarsch, mit dem sie an die Bombardierung Lübecks | |
im Zweiten Weltkrieg erinnern wollten. Ihnen standen 20 mal so viele | |
Gegendemonstranten gegenüber. Lautstark, aber friedlich haben am Sonnabend | |
rund 2500 Bürger in Lübeck gegen eine Kundgebung von Neonazis demonstriert. | |
Unter den Demonstranten, die dem Aufruf des Lübecker Bündnisses „Wir können | |
sie stoppen“ gefolgt waren, mischten sich Kommunalpolitiker, Vertreter von | |
Kirchen, muslimischen und türkischen Gemeinden und Gewerkschaften mit | |
Familien und nichtorganisierten Bürgern. | |
Die Polizei meldete keine größeren Zwischenfälle. Es seien insgesamt 1800 | |
Beamte, auch aus Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie von der | |
Bundespolizei, im Einsatz gewesen. | |
Redner verschiedener politischen Parteien forderten ein entschiedenes | |
Eintreten gegen Neonazis, die zum 70. Jahrestag der Bombardierung Lübecks | |
im Zweiten Weltkrieg in der Hansestadt aufmarschierten. Der | |
Fraktionsvorsitzende der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag, Robert | |
Habeck, nannte Lübeck ein Symbol für den Widerstand gegen den Faschismus. | |
Der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner und die Bundesvorsitzende der | |
Linken, Gesine Lötzsch, forderten ein Verbot der NPD. Bischöfin Kirsten | |
Fehrs sagte, Christen träten denen entgegen, die blind für die Lehren der | |
Geschichte seien und die Verantwortung der Deutschen für die Gräueltaten | |
des Nazi-Regimes leugneten. | |
## Junge Union kritisiert Veranstalter der Gegendemo | |
Kein Rederecht hatte dagegen Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter | |
Harry Carstensen erhalten, der gemeinsam mit Innenminister Klaus Schlie | |
(beide CDU) und anderen Mitgliedern der Landesregierung an der | |
Demonstration teilnahm. Er wolle dieses Verbot nicht überbewerten, sagte | |
Carstensen der dpa am Rande der Kundgebung. Er fügte hinzu: „Es ist Zeit, | |
ein Zeichen zu setzen, dass es so mit den Nazis nicht weitergehen kann. | |
Auch meine Landesregierung muss ein solches Zeichen setzen“, betonte er. | |
Scharfe Kritik an der Entscheidung der Veranstalter kam dagegen von der | |
Jungen Union. „Einerseits Vertretern politischer Parteien, wie der | |
bekennenden Kommunistin Gesine Lötzsch, ein Forum zu bieten; dagegen jedoch | |
dem höchsten, demokratisch gewählten Repräsentanten unseres Landes nicht, | |
passt nicht zusammen“, erklärte der Landesvorsitzende, Frederik Heinz. Die | |
Veranstalter hätten damit ein fragwürdiges Demokratieverständnis unter | |
Beweis gestellt. | |
Rund 120 NPD-Anhänger versammelten sich nach Polizeiangaben am Lübecker | |
Hauptbahnhof. Anlass für ihren Aufmarsch war der britische Luftangriff vom | |
Palmsonntag (29. März) 1942. Dabei waren 320 Menschen umgekommen, mehr als | |
15.000 wurden obdachlos. Die Lübecker Altstadt versank in Trümmern. Das | |
schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht hatte ein von der Hansestadt | |
Lübeck ausgesprochenes Verbot des Aufmarsches am Donnerstag als nicht | |
verfassungskonform gekippt. | |
Rund 20 Rechtsextremisten fuhren später nach Plön weiter, wo sie eine | |
weitere, erst am Freitag angemeldete Kundgebung abhielten. Dort standen | |
ihnen 300 Gegendemonstranten gegenüber. Die Polizei habe mit starken | |
Kräften für einen störungsfreien Ablauf der Kundgebung gesorgt, hieß es. | |
## Zwei Polizisten verletzt | |
Am Rande des Neonazi-Aufmarsches in Lübeck wurden zwei Polizisten leicht | |
verletzt. Ein Lautsprecherwagen der NPD habe zurückgesetzt und sei dabei | |
gegen einen zivilen Streifenwagen gestoßen, teilte die Polizei mit. | |
Die beiden Beamten im Alter von 36 und 40 Jahren seien vorsorglich in ein | |
Krankenhaus gebracht worden, das sie aber wenig später wieder verlassen | |
konnten. Es sei eine Anzeige geschrieben worden. Genauere Angaben zum | |
Unfallhergang wollte eine Polizeisprecherin nicht machen. | |
Auch in Brandenburg/Havel protestierten am Sonnabend rund 600 Menschen mit | |
einem „Tag der Demokratie“ gegen einen Aufmarsch der rechtsextremistischen | |
NPD. In Dortmund versammelten sich 500 Demonstranten zu einem Protestmarsch | |
gegen Neonazis. In Nürnberg und Hof demonstrierten mehrere hundert Menschen | |
gegen Rassismus und rechte Gewalt. | |
1 Apr 2012 | |
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Schwerpunkt Rechter Terror | |
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