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# taz.de -- Streit über Neonazi-Berichterstattung: Polizisten wollen Journalis…
> Der Offene Kanal Lübeck will bei seiner Liveberichterstattung über den
> Neonaziaufmarsch Ende März in Lübeck zwei Polizisten berichten lassen.
> Kritische Radiomacher befürchten "Verlautbarungsrundfunk".
Bild: Wollen diesmal nicht nur die Demo begleiten, sonder auch die Berichtersta…
LÜBECK taz | Wer am 31. März die Live-Berichterstattung des Offenen Kanals
Lübeck zum für diesen Tag angemeldeten Naziaufmarsch verfolgt, sollte ganz
genau hinhören: Wie Peter Willers, der Leiter des Offenen Kanals
Schleswig-Holstein AÖR bestätigte, sollen neben Mitarbeitern des Lübecker
Bürgerfunks auch zwei Polizisten über das Geschehen rund um die
Nazi-Demonstration berichten. „Bei uns dürfen alle Sendungen machen, die in
Schleswig-Holstein wohnen, solange sie sich an geltende Gesetze halten“,
sagte Willers der taz. „Ein Polizist ist ein Bürger wie jeder andere auch.“
Ein Mitarbeiter des Offenen Kanals Lübeck schildert die Ereignisse der
letzten Tage: Redakteure des Senders, die schon im vergangenen Jahr über
die Nazidemo berichtet hatten, hatten ihre Sendung demnach bereits
angemeldet, als Peter Willers Anfang März zu einem Gespräch in den Offenen
Kanal Lübeck einlud. Es sei von „Interessenkonflikten“ am 31. März die Re…
gewesen. Am Gespräch hätten neben Willers auch die beiden sendewilligen
Polizisten teilgenommen, einer von ihnen Manfred Börner, stellvertretender
Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Schleswig-Holstein (GdP). Börner
habe sein Sendekonzept dahingehend erläutert, dass er „Kolleginnen und
Kollegen im Einsatz“ zu Wort kommen lassen und eventuell Angehörige der
eingesetzten Beamten befragen wolle. Im Ergebnis des Gesprächs soll, wie
Willers bestätigt, die Sendezeit geteilt werden: Abwechselnd sollen die
Polizeibeamten und dann die Radiomacher vom vergangenen Jahr je eine Stunde
lang senden.
Peter Willers betont, die beiden Polizisten würden als Privatpersonen
senden. Die Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein, ein Zusammenschluss
kritischer Radiomacher, ist von der Planung trotzdem entsetzt: „Anstatt die
demokratische Aufgabe eines Offenen Kanals ernst zu nehmen, nach
journalistischen Kriterien über politische Ereignisse zu berichten, soll
die Berichterstattung direkt in Polizeihand genommen werden“, heißt es in
einer Presseerklärung der Initiative. „Der unverfrorene Versuch, einen
staatlichen Verlautbarungsrundfunk durchzudrücken, verstößt klar gegen das
Grundgesetz.“ Die Initiative kündigt ein „politisches und juristisches
Nachspiel“ an, sollte die Sendung wie geplant stattfinden.
Zweifelhaft ist nicht nur, ob ein GdP-Funktionär als neutrale Privatperson
über eine Nazidemo und einen heiklen Polizeieinsatz berichten kann.
Polizisten über den Bürgerfunk senden zu lassen, war sogar eine Idee der
GdP, wie Karl-Hermann Rehr, Geschäftsführer der GdP Schleswig-Holstein,
offen zugibt. „Wir wollen den vielen Polizeikräften bei diesem schwierigen
Einsatz zur Seite stehen“, so Rehr. „Mit Kaffee und Getränken, aber auch
mit Unterhaltung und Informationen.“ Die Idee zur Berichterstattung über
den Offenen Kanal Lübeck sei in der GdP-Regionalgruppe Lübeck entstanden.
Man habe dann rhetorisch kompetente Kollegen gesucht und so Manfred Börner
gefunden. „Es ist doch ausgewogen, wenn man zwei Blickwinkel auf einen
Sachverhalt zulässt“, findet Rehr.
Die Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein weist darauf hin, dass die
derzeitigen Ereignisse nicht den ersten Versuch aus dem
schleswig-holsteinischen Polizeiapparat darstellen, die Berichterstattung
des Offenen Kanals zu beeinflussen. Die Landesregierung musste auf eine
Anfrage der Grünen vom Mai 2011 einräumen, dass der Pressesprecher der
Polizeidirektion Lübeck während des letzten Lübecker Naziaufmarsches am 26.
März 2011 im Offenen Kanal angerufen und die Redaktion aufgefordert hatte,
„keine weiteren Falschmeldungen herauszugeben, weil sie eine eskalierende
Wirkung auf das Demonstrationsgeschehen entfalten würden“. Im Januar 2005,
so die Radioinitiative, habe Peter Willers sogar auf Weisung der Polizei
die Schlösser der Senderäume in Kiel auswechseln lassen, um die
Berichterstattung zu einem geplanten Naziaufmarsch zu verhindern.
Entsprechend rät die Initiative den Verantwortlichen bei der GdP, „noch
einmal in ihrer Behördenbibliothek das Stichwort ’Staatsferne des
Rundfunks‘ nachzuschlagen“.
8 Mar 2012
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