| # taz.de -- Radverkehr und Ampeln: Exklusives Grün für Radfahrende | |
| > Die Ampelanlage an der „Todeskreuzung“ in Reinickendorf ist endlich | |
| > umprogrammiert. Die Corona-Krise macht den Rad-Verbänden zu schaffen. | |
| Bild: Ein Geisterrad an der Holzhauser Straße: Verkehrsunfall mit Todesfolge | |
| Berlin taz | Trotz Corona-Krise: Der Verkehr fließt, steht oder rast weiter | |
| in Berlin – und er bleibt leider ebenfalls tödlich. Ein kleines bisschen | |
| sicherer ist er auf der Holzhauser Straße in Reinickendorf geworden, wo | |
| Anfang Februar ein rechts abbiegender Lastwagen eine 79-jährige Radfahrerin | |
| überrollte und tötete. Wie die taz am vergangenen Wochenende berichtete, | |
| war seitdem die Fahrradfurt rot markiert und vorgelagert worden – eine | |
| Maßnahme, die AktivistInnen als unzureichend kritisierten. Nun hat die | |
| Verkehrslenkung Berlin die Ampelschaltung korrigieren lassen: Radfahrende | |
| und Fußgänger haben seitdem eine 7 Sekunden lange exklusive Grünphase. | |
| Das klingt überschaubar, zumal der Kfz-Verkehr anschließend ganze 42 | |
| Sekunden Grün bekommt. Eine „unverschämte Benachteiligung aktiver | |
| Mobilität“, wie man auch beim Landesverband des Radverkehrs-Clubs ADFC | |
| findet. Allerdings erteilte die Ampel den Radfahrenden bislang nur für 5 | |
| Sekunden freie Fahrt, und zwar gleichzeitig mit dem motorisierten Verkehr. | |
| Eine kreuzgefährliche Kombination, die bereits im Jahr 2013 zu einem Unfall | |
| führte, bei dem eine Radlerin schwere Verletzung erlitt. | |
| Auch damals hatten die Verbände eine sofortige Umprogrammierung gefordert, | |
| passiert war nichts – ob das nun an mangelndem Problembewusstsein lag oder | |
| aber an der schwerfälligen Abstimmung zwischen der Berliner Verkehrslenkung | |
| und der für die Ampeln zuständigen, privaten Alliander Stadtlicht GmbH. So | |
| wird verständlich, was ADFC-Sprecher Nikolas Linck sagt: „Dass die | |
| Ampelschaltung spätestens sechs Wochen nach dem Unfall geändert wurde, ist | |
| Rekordzeit und verdient ein großes Lob.“ | |
| ## Alle Demos abgesagt | |
| Für die Mobilitätsverbände wie den ADFC oder den Verein Changing Cities ist | |
| die Corona-Krise ein herber Dämpfer ihrer Aktivitäten und ihrer | |
| öffentlichen Wahrnehmung. Changing Cities hat erst einmal alle künftigen | |
| Demonstrationen abgesagt, der Verein ruft auch nicht mehr zu der seit | |
| Februar [1][an jedem Montagmorgen stattfindenden Kundgebung für eine | |
| sichere Kantstraße] auf. Anstoß dafür war ein Unfall auf dem Savignyplatz | |
| gewesen, bei dem ein Auto-Raser einen Radfahrer schwer verletzte, der kurz | |
| darauf starb. | |
| Abgeblasen ist auch die bundesweite „Kidical Mass“ von Changing Cities, | |
| eine Fahrraddemo für Kinder, Eltern und UnterstützerInnen, deren Namen an | |
| die Aktionsform „Critical Mass“ angelehnt ist. In Berlin hatten die | |
| ehrenamtlichen „Fahrradfreundlichen Netzwerke“ von Changing Cities zehn | |
| Radkorsos vorbereitet. „Sicher ist die Enttäuschung bei vielen groß, aber | |
| die Gesundheit aller geht vor“, sagt Sprecherin Ragnhild Sørensen. „Vor | |
| allem jetzt, wo sogar Gesundheitsminister Spahn zum Radfahren aufgefordert | |
| hat, wäre der Hinweis sehr wichtig gewesen, dass Radfahren zwar gesund, | |
| aber vielerorts weder sicher noch komfortabel ist.“ | |
| Die für den 7. Juni angemeldete jährliche Fahrrad-Sternfahrt des ADFC, an | |
| der 2019 fast 100.000 Menschen teilnahmen, ist noch nicht abgesagt, man | |
| kann aber getrost davon ausgehen, dass sie nicht stattfinden wird. | |
| Immerhin: Die Stadt ist gerade voll von Radfahrenden, denn angesichts der | |
| geltenden Abstandsregeln ist die Fortbewegungsart ausgesprochen sicher – | |
| und gesund noch dazu. | |
| Damit wird der Radverkehrsanteil in diesem Jahr vielleicht noch einmal | |
| steigen – gegenüber dem erst in der vergangenen Woche von der [2][Dresdner | |
| Studie „Mobilität in Städten 2019“] ermittelten Anteil von 18,4 Prozent im | |
| sogenannten „Modal Split“, der Verteilung aller zurückgelegten Wege auf die | |
| Verkehrsmittel. Das war bereits ein Plus von 5,4 Prozentpunkten gegenüber | |
| dem Jahr 2013. Der ÖPNV verbesserte sich im selben Zeitraum nur leicht von | |
| 26,5 auf 26,9 Prozent, der motorisierte Individualverkehr dagegen sank | |
| deutlich um 4 Prozent auf 28,3 auf 24,3 Prozent. | |
| Corona dürfte hier allerdings noch mehr durcheinanderbringen. Während | |
| Autofahrende derzeit virensicher unterwegs sind, gilt der Öffentliche | |
| Nahverkehr als Ansteckungsherd, obwohl die deutlich leereren Wagen | |
| mittlerweile ausreichend Abstand bieten. Der ÖPNV-Anteil im Modal Split | |
| wird zumindest mittelfristig wohl eine schwere Delle erleiden. | |
| 19 Mar 2020 | |
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| Claudius Prößer | |
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