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# taz.de -- Prozess wegen Folter in Syrien: Massengräber nahe Damaskus
> In Koblenz wird weiter gegen einen mutmaßlichen Folterer aus Syrien
> verhandelt. Ein Zeuge berichtet von Kühllastern mit zehntausenden
> Leichen.
Bild: Das Konterfei von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad im Stadtbild von …
Koblenz taz | Im Al-Khatib-Verfahren vor dem Koblenzer Oberlandesgericht
hat erneut ein ehemaliger Mitarbeiter des syrischen Regimes ausgesagt. Er
berichtete von Massengräbern, die sich über tausende Quadratmeter erstreckt
haben sollen. In den Jahren 2011 und 2012 habe er dokumentiert, wie
Kühllaster mit insgesamt Zehntausenden Leichen aus den
Militärkrankenhäusern und dem Saydnaya-Gefängnis zu geheimen Friedhöfen bei
Damaskus gebracht hätten.
Der Zeuge mit dem Kürzel Z 30/07/19 durfte anonym aussagen und seine
Atemschutzmaske aufbehalten, da er um die Sicherheit seiner Angehörigen in
Syrien fürchtet. Seine Aussage lässt Rückschlüsse auf das Ausmaß der Morde
in den Gefängnissen und Geheimdienstabteilungen des Landes zu.
Im weltweit ersten Verfahren zu staatlicher Folter in Syrien sind in
Koblenz seit April zwei ehemalige Geheimdienstmitarbeiter angeklagt. Ihnen
werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit ihrer Arbeit
für die Abteilung 251 des Allgemeinen Geheimdienstes in Damaskus
vorgeworfen: 4.000 Fälle von Folter, 58 Tötungen, und je ein Fall von
Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung. Mithilfe des
Weltrechtsprinzips kann die Bundesanwaltschaft [1][Völkerrechtsverbrechen
hierzulande auch dann verfolgen, wenn diese keinen direkten Bezug zu
Deutschland haben].
Der Zeuge, der am Mittwoch und Donnerstag aussagte, hatte in Damaskus für
eine zivile Regierungsbehörde gearbeitet. Nähere Angaben zu seinem
Arbeitsplatz machte er nicht, um keine Rückschlüsse auf seine Identität
zuzulassen. Schon während des Ermittlungsverfahrens hatte er dem BKA von
Drohungen gegen seine Angehörigen in Syrien berichtet.
## Albtraumhafte Szenen
Im Herbst 2011 wurden er und seine Kollegen von Offizieren des
Geheimdienstes rekrutiert, um Massenbegräbnisse in den Orten Najha und
Al-Qutaifah in der Nähe von Damaskus zu begleiten, was der Zeuge wohl bis
2017 tat. Er selbst hatte die Aufgabe, die Anzahl der Leichen und die
Abteilungen, aus denen sie kamen, in einem Register festzuhalten. Viermal
pro Woche seien die Laster im Durchschnitt gekommen, bis zu 700 Leichen
hätten sie jeweils angeliefert.
Aufgrund des starken Verwesungsgeruchs habe er versucht, Abstand von den
Lastern zu halten, so der Zeuge. „Sobald die Türen geöffnet wurden,
breitete sich der Geruch meterweit aus“, beschrieb er die albtraumhafte
Szene schon bei seiner Aussage beim BKA. „Man sah Ströme von Blut und
Maden. Als ich das erste Mal dabei war, konnte ich danach tagelang nichts
essen.“
Seine Mitarbeiter hätten direkt Hand anlegen müssen: Sie hätten die Leichen
aus den Kühllastern in vorbereitete Gräben geschoben, die dann von Baggern
zugedeckt wurden. Hunderte Meter lang seien die Gräben gewesen. „Je mehr
Leute sie brachten, desto mehr gruben sie.“ Bei der Erinnerung an seine
Erlebnisse bleibt der Zeuge zunächst ruhig. Am Mittwochnachmittag aber muss
die Befragung wegen Kreislaufproblemen frühzeitig unterbrochen werden.
Z 30/07/19 war nicht der erste Zeuge, der von den Massengräbern in Najha
berichtete. Ende Juni hatte ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter bei
seiner Aussage in Koblenz ganz ähnliche Szenen beschrieben und auch von der
sorgfältigen Dokumentation der Toten berichtet. Dieser Zeuge hatte zudem
ausgesagt, dass der Angeklagte Eyad A. die Leichentransporte mehrmals
begleitet hatte. Ob auch Z 30/07/19 mit dem Angeklagten in Verbindung
stand, blieb offen. Er kannte zwar noch den Namen des Offiziers, in dessen
Auftrag er die Massenbegräbnisse dokumentieren sollte – wagte jedoch nicht,
ihn im Gerichtssaal zu nennen.
10 Sep 2020
## LINKS
[1] /Staatsfolter-in-Syrien-vor-Gericht/!5680652
## AUTOREN
Hannah El-Hitami
## TAGS
Folterlager
Schwerpunkt Syrien
Kriegsverbrechen
Syrischer Bürgerkrieg
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Gerichtsprozess
Schwerpunkt Syrien
Folter
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