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# taz.de -- Protokoll eines Cybermobbing-Opfers: „Er verfolgt mich auf Schrit…
> Gehackte Mail- und Facebook-Konten, Verleumdungen bei Bekannten. Eine
> Frau erzählt, wie ihr Exfreund sie tyrannisiert – online und offline.
Bild: Mit Spy-Software werden Daten der Opfer gestohlen
Berlin taz | Nach einem halben Jahr hatte ich kein Festnetz mehr, dreimal
meine Handynummer und meine private E-Mail-Adresse gewechselt, meinen
Facebook-Account habe ich gelöscht. Ich habe nicht mehr im Internet
eingekauft und keine Bahntickets mehr online gebucht. Alles, was mit dem
Netz zu tun hatte, habe ich gemieden. Am Ende hatte ich das Gefühl, von
allem und allen abgeschnitten zu sein.
Daran ist mein Exfreund schuld, er hat mich systematisch fertiggemacht.
Erst im realen Leben, dann in meiner digitalen Existenz.
Vor ungefähr drei Jahren fing es an. Damals waren wir schon ein paar Monate
zusammen, wir wollten zusammenziehen. Ich war 29, total verliebt in M., ich
habe nicht gemerkt, dass er besitzergreifend und eifersüchtig ist. Fragen
wie „Wo warst du so lange?“ habe ich als Interesse an meinem Leben
gewertet. Und fand Sätze wie „Mir geht es besser, wenn du in meiner Nähe
bist“ total süß. Ich dachte: Der liebt mich wirklich.
Einmal war ich bei mir zu Hause und habe lange mit einer Freundin
telefoniert. M. hat pausenlos versucht, mich zu erreichen, aber bei mir war
ja immer besetzt. Dann hat er einen gemeinsamen Freund angerufen. Bei dem
war auch besetzt. Mein Freund schlussfolgerte: Der quatscht lange, sie
quatscht lange, also reden die miteinander. Als bei mir frei war, hat er
mich angebrüllt: Was hast du mit dem? Ihr fickt doch!
## Expertise fürs Hacken
Ich war sehr erschrocken darüber, tat das aber als Ausrutscher ab. Das war
es aber nicht, sondern der Beginn seiner dauerhaften Attacken gegen mich.
Er hat mein Handy kontrolliert und darauf Einstellungen geändert, meinen
Facebook-Account geknackt und alle meine E-Mail-Konten.
Für M. ist das leicht, er arbeitet als IT-Systemadministrator. Ich habe das
zunächst gar nicht gemerkt. Ich kam erst drauf, als Mails als gelesen
gekennzeichnet waren, obwohl ich sie noch gar nicht gelesen hatte.
Ich fragte ihn, ob er mir hinterherschnüffelt, aber er stritt das ab. Ich
kriegte Angst vor ihm. Einmal saß ich mit einer Freundin im Café und sah
ihn draußen auf der Straße, er beobachtete mich durch die Scheibe. Ich
hatte ihm nicht erzählt, dass ich verabredet war. Ein IT-Spezialist in
meiner Firma fand eine Spy-Software auf meinem Handy.
Ich schmiss das Handy weg und trennte mich von M. Dann ging sein Terror
erst richtig los. Jeden Abend stand er vor meinem Haus wie ein Wegelagerer.
Sobald er bei mir Licht sah, rief er mich an. Manchmal klingelte das
Telefon stundenlang. Ich fragte mich jeden Tag: Tut er mir etwas an, wenn
wir uns begegnen?
## Freunde verloren
Irgendwann loggte er sich in meinen Facebook-Account ein und postete
hässliche Fotos von mir und schrieb in meiner Person wilde Dinge über mich:
„Ich mache gern für jeden die Beine breit.“ – „Hey, wusstet ihr, dass …
dreimal Tripper hatte?“
Später schrieb er sogar meine Freunde an und erzählte schreckliche Dinge
über mich. Die meisten wussten, dass M. spinnt. Aber einige sagten: Der
spinnt, klar, aber ein Fünkchen Wahrheit wird da wohl dran sein. Ein paar
Freunde habe ich verloren in dieser Zeit.
Als er meinem Chef eine Mail schrieb, ich hätte ein Verhältnis mit einem
anderen Vorgesetzten meiner Firma, habe ich M. angezeigt. Ich hatte
gehofft, dass mir die Polizei hilft. Aber der Polizist, mit dem ich sprach,
sagte nur: Da sind wir hilflos. Und: „Wenn der Sie noch mal belästigt, dann
stellen Sie sich den einfach nackt vor.“ Wollte der mich verarschen?
Ein anderer Kriminalbeamter riet mir, ich solle umziehen. Aber wie soll das
gehen in einer Großstadt mit Wohnungsknappheit? Ich wohne immer noch in
meiner Wohnung, allerdings ohne Telefon und Internet. Bevor ich von der
Arbeit nach Hause gehe, rufe ich meine Nachbarin an und sage ihr, wann ich
ungefähr ankomme. Sie soll aufpassen, ob mir M. auflauert.
Neulich habe ich mir ein neues Handy gekauft. Ich habe es noch nicht
ausgepackt.
Protokoll: Simone Schmollack
25 Nov 2016
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