# taz.de -- Proteste gegen Transadriatische Pipeline: Griechische Bauern gegen … | |
> Ganz Europa will diese Pipeline. Wirklich ganz Europa? Wie 70 griechische | |
> Bauern gegen die Energiepolitik der EU rebellieren. | |
Bild: Liefert nicht nur Gas, sondern auch Probleme: die Transadriatische Pipeli… | |
Kavala/Korca taz | Es ist Donnerstag, der 6. Oktober 2016, als Spyros | |
Prousaef sich seiner Ohnmacht bewusst wird. Kurz vor Mittag, die Sonne | |
steht steil über dem Tenagi-Tal im nordgriechischen Kavala, klingelt das | |
Handy des griechischen Bauern. Ein Freund berichtet, dass Arbeiter auf | |
Prousaefs Feld stehen. | |
Keine zehn Minuten später springt Prousaef aus seinem grünen Trecker. Mit | |
rotem Kopf steht er vor etwa 15 Arbeitern in gelben Westen. Sie haben | |
Spaten in der Hand, gerade haben sie damit den Boden umgegraben und das | |
Feld mit gelben Pfählen markiert. Jetzt behaupten sie, sich verlaufen zu | |
haben. | |
Was sie eigentlich wollen: gigantische Stahlrohre unter dem Feld verlegen, | |
die in zwei Jahren Gas von Aserbaidschan über Griechenland nach Westeuropa | |
bringen sollen. Wieder greift Prousaef zu seinem Handy, kurz darauf stehen | |
fast 70 Bauern und Bewohner neben ihm auf dem Feld. | |
„Wir haben sie gestoppt“, erzählt Spyros Prousaef zwei Jahre später. Aber | |
das ist nur die halbe Wahrheit. Es war der Beginn eines Widerstandskampfes, | |
der auf Prousaefs Feld seinen Anfang nahm. | |
Ab 2020 soll die Pipeline Gas liefern | |
Wie eine unterirdische Schlange windet sich die Transadriatische Pipeline, | |
kurz TAP, auf 870 Kilometern durch albanische Bergdörfer, dichte Wälder, | |
vorbei an archäologischen Ausgrabungen. Die TAP ist mit voraussichtlich 4,5 | |
Milliarden Euro das zurzeit teuerste Infrastrukturprojekt der EU. Mehr als | |
zwei Drittel der Röhren sind bereits im Boden, die Bauarbeiten der Pipeline | |
sind fast fertig. | |
Für Europa bedeutet die Pipeline vor allem eines: etwas mehr Unabhängigkeit | |
vom russischen Gas, das derzeit mehr als ein Drittel der europäischen | |
Nachfrage befriedigt. [1][Doch russisches Gas ist umstritten], deshalb sind | |
Alternativen so wichtig. | |
Auf ihrer Strecke von Ost nach West passiert die TAP insgesamt 19.060 | |
Grundstücke und begegnet 45.000 Landbesitzern. Kurz vor Philippi, einer | |
antiken römischen Stadt, [2][die 2016 von der Unesco zum Weltkulturerbe | |
erklärt wurde], endet die Pipeline am Fuße des Lekani-Gebirges. Elf | |
Kilometer groß ist die Lücke in der Pipeline hier, elf Kilometer, um die | |
Prousaef und die anderen Bauern seit zwei Jahren kämpfen. | |
Vom Bau der Gasleitung hatte Prousaef damals nur im Internet gelesen. Dass | |
sie durch sein Grundstück verlaufen soll, wusste er nicht. „Von der Firma | |
selbst habe ich noch nie etwas gehört“, sagt Prousaef. TAP, so auch der | |
Name des Konsortiums, das für den Bau der Pipeline verantwortlich ist, habe | |
ihm nie einen Kauf- oder Mietvertrag vorgelegt, sagt Prousaef. Die TAP | |
sagt, sie habe mehrere öffentliche und private Treffen mit betroffenen | |
Bauern durchgeführt. Prousaef findet, die TAP habe kein Recht, sein Feld | |
ohne seine Erlaubnis zu betreten, deshalb hat er sie angezeigt. Für | |
Prousaef ist TAP ein Einbrecher. | |
## Gefahr für Umwelt und Bewohner | |
Über eine halbe Stunde Autofahrt von der Hafenstadt Kavala entfernt | |
verdienen die Menschen ihr Geld mit Landwirtschaft. Kleine | |
Durchfahrtsdörfer reihen sich aneinander. Wie auf einem Schachbrett grenzt | |
ein Feld an das andere: Soja, Mais und Sonnenblumen. Etwa 70 Prozent der | |
Landbesitzer im Tal weigern sich, einen Miet- oder Kaufvertrag zu | |
unterschreiben und ihre Felder für den Bau freizugeben. Was ab 2020 die EU | |
unabhängiger von russischem Gas machen soll, wird für die Bauern zum zähen | |
Kampf. Ihr ungleicher Gegner: die TAP-AG, an der europäische | |
Energiekonzerne und die staatliche Energiegesellschaft Aserbaidschans | |
Anteile halten. Die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank | |
für Wiederaufbau und Entwicklung haben das Projekt mit hohen Krediten | |
unterstützt. | |
August 2018, Prousaefs Sonnenblumen lassen bereits ihre Köpfe hängen. In 25 | |
Tagen wird das Feld abgeerntet, samt Stängel werden sie dann zu Biodiesel | |
verarbeitet. Bis zu zweimal am Tag kommt Prousaef, um auf sein Feld | |
aufzupassen. Er will verhindern, dass so etwas wie vor zwei Jahren noch | |
einmal passiert. Liegt das Feld erst einmal brach, so seine Angst, werde es | |
für die TAP ein Leichtes sein, zu graben. Prousaef und die anderen Bauern | |
sind zu ihren eigenen Sicherheitsmännern geworden. | |
Dabei haben die Bauern von Kavala nichts gegen die Pipeline an sich. Nur | |
etwas gegen deren Route. Denn die verläuft direkt durch die Felder, die | |
bekannt sind für ihre fruchtbare, moorige Erde. Deshalb fordern die Bauern, | |
die Route über die Berge zu führen. Aber TAP weigert sich, die Route zu | |
ändern. Eine Sprecherin der TAP-AG weist daraufhin, dass man beide Verläufe | |
untersucht und sich für jene mit den geringsten Auswirkungen auf Umwelt und | |
Gesellschaft entschieden habe. | |
Die geotechnische Kammer Ostmakedoniens hat den griechischen Staat zu den | |
potenziellen Auswirkungen der TAP auf Umwelt und Landwirtschaft beraten und | |
die Studien, die TAP in Auftrag gegeben hat, bewertet. Laut Zafiris | |
Mistakidis, Präsident der Kammer, gehe von der aktuellen Route eine Gefahr | |
für Umwelt und Bewohner aus. Die Untersuchungsmethoden der TAP könne er | |
nicht nachvollziehen. | |
„Aufgrund des hohen Gehalts an Nährstoffen ist der Boden im Tenagi-Tal sehr | |
fruchtbar. Außerdem ist der Wassergehalt im Boden an sich sehr hoch, sodass | |
man ihn nicht künstlich bewässern muss“, erklärt Mistakidis per E-Mail. | |
Durch den Bau der Pipeline werde das natürliche Bewässerungssystem gestört. | |
Die Ängste der Bauern seien nachvollziehbar. Außerdem bestehe langfristig | |
die Gefahr einer Bodenverdichtung, durch die das Niveau des Bodens bis zu | |
sieben Meter absinken und die Pipeline, die nur wenige Meter unter dem | |
Boden liegt, an der Oberfläche auftauchen würde. | |
„Ich weiß nicht, wie es weitergeht“ | |
Mistakidis weist darauf hin, dass die Produktivität von Feldern, die durch | |
ähnliche Pipelineprojekte betroffen sind, zum Beispiel im benachbarten | |
Serres, nicht vollständig wiederhergestellt worden sei. Er glaubt nicht, | |
dass Ausgleichszahlungen die Schäden der Bauern in Zukunft wiedergutmachen | |
könnten. Zuletzt: Auch für archäologische Ausgrabungen bestehe Gefahr. | |
TAP, das ist ein riesiges Energieprojekt, das für sich reklamiert, im Sinne | |
aller europäischen Bürger zu sein, und dabei die Not einer Gruppe von | |
Bauern in Kauf nimmt. Es ist die Geschichte eines ungleichen Kampfes. | |
Hat eine Gruppe von 70 griechischen Bauern und Dorfbewohnern eine Chance, | |
die Energiepolitik der Europäischen Union zu verändern? | |
„Wir stehen hinter den Bauern und Einwohnern unserer Region. Wenn sie eine | |
andere Route wollen, unterstützen wir das. Wir sind vor Gericht gegangen, | |
um unsere Forderungen und Rechte einzuklagen“, sagt Ilias Kalantarides, | |
Vizebürgermeister von Kavala. Er sitzt in einem bescheidenen Büro im | |
Rathaus, eine halbe Stunde Autofahrt von den Feldern der Bauern entfernt. | |
Gemeinsam mit den Bauern hatte die Gemeinde beim Staatsrat in Athen einen | |
Antrag gegen die Route gestellt und geltend gemacht, dass die | |
Landwirtschaft dadurch erheblich beeinträchtigt wird. | |
Daraufhin wurde der Bau vorläufig eingestellt, um zusätzliche | |
Untersuchungen durchzuführen. Seit Oktober 2016 standen die Maschinen | |
still. Ende Juni dieses Jahres folgte dann das Urteil, das Gericht wies den | |
Antrag ab. Der Bau der TAP hat wieder begonnen und damit auch der | |
Widerstand der Bauern. Jetzt sagt Kalantarides: „Ich weiß nicht, wie es | |
weitergeht.“ | |
## Weniger Abhängigkeit von russischem Gas | |
Ilias Kalantarides, Mitte 40, blickt nachdenklich durch die dicken | |
schwarzen Ränder seiner Brille durch das Fenster auf die Altstadt von | |
Kavala. Persönlich stehe er noch immer hinter den Bauern, aber jetzt, wo | |
sich auch das Gericht auf die Seite von TAP gestellt hat, habe TAP das | |
Recht auf ihrer Seite. Mit dieser Entscheidung sei die Stadt Kavala | |
machtlos. „Die Regierung hatte vor über drei Jahren die Möglichkeit, sich | |
für oder gegen die Route zu entscheiden. Wir als Region hatten dieses Recht | |
nicht, obwohl die Route uns direkt betrifft. Die Regierung hat zugestimmt, | |
obwohl die Leute hier dagegen waren. Das ist undemokratisch“, findet | |
Kalantarides. Er macht aber nicht nur die Regierung verantwortlich, sondern | |
politische Mächte wie Russland oder die EU. Um ein Projekt wie TAP in | |
dieser Größenordnung zu verwirklichen, würden sie keine Rücksicht auf | |
hundert Personen nehmen. | |
Für Europa ist TAP geopolitisch bedeutsam. Mit dem kaspischen Raum | |
erschließt die Pipeline eine Region, in der große Gasreserven liegen. Nicht | |
zuletzt seit der Ukrainekrise, [3][in der Russland die EU vor Gasengpässen | |
gewarnt hatte], wird die Forderung nach mehr Unabhängigkeit von russischem | |
Gas in Europa immer lauter. | |
Doch bisher klaffen Pläne und Realität noch weit auseinander: Laut Zahlen | |
des russischen Gaskonzerns Gazprom hat die EU im vergangenen Jahr 193,9 | |
Milliarden Kubikmeter russisches Gas importiert, so viel wie noch nie. | |
Deutschland, das unabhängiger von Russland werden will, bleibt 2017 größter | |
Abnehmer russischen Gases. Zahlen, die mit der Pipeline Nord Stream 2 noch | |
steigen werden. Die TAP würde jährlich zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas | |
liefern. Das ist im Vergleich zu russischen Quellen wenig. | |
386 Kilometer westlich von Kavala, in Cangonj, einem albanischen Dorf in | |
der Region Korça, steht Urim Bajraktari in seinem kleinen Apfelhof, auf dem | |
schon Partisanen gegen Nazis und Albaner gegen Griechen gekämpft haben. Nun | |
wird dieser Ort erneut Schauplatz eines Kampfes. Zusammen mit anderen | |
Dorfbewohnern von Cangonj hat er eine Petition unterschrieben. Er sagt: | |
„Wir sind nicht gegen TAP, der Bau der Pipeline bedeutet Arbeitsplätze. Das | |
Problem ist, dass wir nicht genug Geld erhalten haben.“ | |
## 2.374 Grundstücke in Albanien wurden enteignet | |
Bajraktari schlendert durch seinen Obstgarten, unter seinen Füßen: die | |
Pipeline. In nicht mehr als zwei Jahren wird sie mit Gas gefüllt sein, das | |
mindestens 200 Grad heiß ist. Was bei den griechischen Bauern bisher nur | |
Ängste sind, ist für Bauern wie Urim Bajraktari bereits Realität. Sehen | |
kann man die etwa eineinhalb Meter breite Stahlröhre nicht, aber am Ende | |
ist es der Mais, der sie verrät: Zu seiner rechten Seite reicht der Mais | |
bis zu seinen Schultern, auf der linken gerade einmal bis zum Knie. „Dabei | |
habe ich beide am selben Tag gepflanzt“, sagt Bajraktari. Vorsichtig | |
pflückt Bajraktari, Mitte 60, kariertes Hemd, ein verwelktes Blatt vom Ast | |
eines jungen Apfelbaums. Die Apfelbäume, die er im letzten Jahr neu | |
eingepflanzt hat, nachdem die Bauarbeiten beendet waren, wachsen nicht | |
richtig. „Das ist wegen der TAP, die Äpfel sind krank.“ | |
TAP habe vor dem Bau versprochen, ihn für einen Korridor von 38 Metern zu | |
entschädigen. Dieser sei später auf 24 Meter reduziert worden. Nun bekomme | |
er viel weniger, als ihm zustehe. Für die anderen „kranken“ Bäume muss er | |
selbst aufkommen. Es werde Jahre dauern, bis die Bäume wieder so produktiv | |
seien wie die Bäume, die vorher hier gestanden hätten, meint Bajraktari. | |
Entschädigt worden sei er auch dafür nicht. | |
In seinem Dorf ist Bajraktari nicht der Einzige, der sich betrogen fühlt. | |
Etwa 70 Menschen leben in Cangonj, sie alle leben von der Landwirtschaft; | |
die Felder sind gerade so groß, dass sie davon die eigene Familie ernähren | |
können. Elster, Gold, Grand Smith, seit 18 Jahren sind die Apfelbäume | |
Bajraktaris einziges Einkommen. „Ich habe viel verloren, weil ich nichts | |
anderes habe, von dem ich mich ernähren kann“, sagt Bajraktari, der vor ein | |
paar Jahren noch einmal Literatur studiert hat, als Lehrer aber keinen Job | |
finden konnte. Seit TAP die Pipeline gebaut habe, verdiene er nur noch halb | |
so viel. „Wir fahren jetzt nicht mehr weg aus dem Dorf. Das Geld reicht | |
nicht“, sagt er. | |
Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Bankwatch, die die | |
Auswirkungen des Pipelinebaus untersucht hat, sind in Albanien etwa 80 | |
Gemeinden, deren Existenz zu einem großen Teil von Landwirtschaft abhängig | |
sind, von TAP betroffen. TAP weist darauf hin, dass von insgesamt 10.585 | |
Grundstücken, die in Albanien auf der Route von TAP liegen, 22 Prozent, | |
also 2.374, für den Bau enteignet wurden. Dies sei laut TAP das letzte | |
Mittel und werde vor allem dann angewendet, wenn Landbesitzer und -nutzer | |
keine entsprechenden Dokumente nachweisen könnten. Die anderen 78 Prozent | |
haben ihr Grundstück an TAP vermietet oder verkauft. So wie auch Bajraktari | |
schließlich. | |
Ein ungleicher Kampf | |
Ende Juni zurück in Kavala, Nordgriechenland. Erschöpft sitzt Themis | |
Kapakidis auf seinem Feld und lehnt seinen Kopf an einen grauen | |
Geländewagen. Seit sieben Tagen hat er, Anfang 60, graues Haar und graue | |
Bartstoppel, nicht mehr gegessen – aus Protest. In den vergangenen Wochen | |
ist der Streit zwischen Bauern und der TAP neu entfacht. Jeden Tag | |
versammeln sich 30 bis 80 Bauern auf einem Parkplatz neben einem Maisfeld, | |
um die Grabungen zu stören. Mit Sitzblockaden versuchen sie die Bulldozer | |
zum Stehen zu bringen. | |
Themis Kapakidis wirkt benommen, als ihn drei Polizisten an seinen | |
Oberarmen packen und über den Boden in einen Polizeiwagen ziehen. Als er | |
und die sieben anderen verhafteten Bauern am kommenden Morgen dem Richter | |
vorgeführt werden, werden sie draußen vor dem Gerichtssaal von den Menschen | |
als Helden gefeiert. | |
Einen Monat später sitzt Themis Kalpakidis in seinem Büro, das Fenster gibt | |
den Blick frei auf die zwei runden Kuppeln seiner Biogasanlage. Kalpakidis | |
ascht seine Zigarette in einen leer getrunkenen Coffee-to-go-Becher, in der | |
anderen Hand hält er sein Smartphone. Wie eine Chronik des Widerstands | |
spielt er die selbst gedrehten Videos nacheinander ab. Der Kampf hat seine | |
Spuren hinterlassen. Seit dem Hungerstreik klagt er über Bauchschmerzen, | |
hat abgenommen. „In diesem Kampf geht es uns nicht um persönliche Vorteile, | |
wir tun das für unsere Gemeinschaft, für unsere Kinder. Wir kämpfen gegen | |
die Pipeline, weil wir Angst haben, dass sie unsere Region zerstört.“ Seit | |
fünf Jahren kämpft er als Vorsitzender der Bauernvereinigung von Kavala nun | |
diesen ungleichen Kampf. Ginge es nach Kalpakidis, dann wären die Arbeiter | |
der TAP und nicht die Bauern verhaftet worden. „Sie haben gearbeitet, ohne | |
dafür die legale Erlaubnis der Bauern zu haben.“ | |
Das Vorgehen von TAP ist aber legal. TAP weist auf Anfrage darauf hin, dass | |
eine Einigung nicht möglich gewesen sei, weil die Besitzer entweder | |
abwesend waren oder es nicht möglich war, eine Landzugangsberechtigung von | |
ihnen zu erhalten. Deshalb hätten sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht, das | |
Grundstück auch ohne Zustimmung des Besitzers zu betreten. Rechtliche | |
Grundlage dafür ist ein griechisches Gesetz, der sogenannte Forces Process. | |
Anders als bei einer Enteignung würde der Bauer nicht sein Eigentumsrecht | |
verlieren, sondern erhalte dieses nach Abschluss der Bauarbeiten zurück. | |
Eine Enteignung auf Zeit sozusagen. Kalpakidis sagt, er habe von diesem | |
Gesetz noch nie etwas gehört. | |
Aber er weiß, dass ein Unternehmen, bevor es Verhandlungen aufnimmt, dazu | |
verpflichtet ist, Konsultationen mit den Landbesitzern durchzuführen. Dies | |
habe TAP nicht getan, behauptet auch Michael Chrysomallis, Professor für | |
Europarecht von der Universität Thrakien. Laut europäischer Verordnung | |
347/2013 sei TAP dazu verpflichtet, alle Beteiligten rechtzeitig über das | |
Bauprojekt zu informieren. Gemeinsam wollen Kalpakidis und Chrysomallis vor | |
den Europäischen Gerichtshof ziehen. Für die Bauern bedeutet das neue | |
Hoffnung. | |
## Der nächste Zug auf dem „Energieschachbrett Europa“ | |
In gut einem Jahr soll die TAP zum ersten Mal Gas nach Europa liefern. | |
Damit bleibt dem Unternehmen nicht mehr viel Zeit, die Bauarbeiten zu | |
beenden. Wird die Geschichte der griechischen Bauern so enden wie die der | |
albanischen? Oder wird es ihnen gelingen, die Route zu ändern und ihre | |
Felder zu retten? | |
In Anbetracht des mächtigen Gegners scheint ein Sieg der Bauern in weiter | |
Ferne. Warum ihre Kritik kein Gehör findet? Zafiris Mistakidis, Präsident | |
der Geotechnischen Kammer, hat seine Erklärung dafür gefunden. Er sieht die | |
Ursache im finanziellen Missverhältnis beider Parteien: „Auf der einen | |
Seite steht die lokale Gemeinschaft, auf der anderen ein Projekt von | |
wichtiger geostrategischer Bedeutung für eine ganze Region, das im | |
Energieschachbrett Europas eine wichtige Rolle spielen könnte.“ | |
Zwischen Strandbar und Menschen in Liegestühlen im albanischen Fier | |
verlässt die Transadriatische Pipeline Albanien in Richtung Italien. Noch | |
in diesem Jahr soll sie dort in die Adria geführt werden. Zehn Stunden | |
braucht die Fähre vom nahe gelegenen Hafen in Vlora bis zur Hafenstadt | |
Brindisi, Italien. Das Erdgas, das in zwei Jahren am Meeresboden entlang in | |
etwa die gleiche Strecke nehmen wird, wird nur halb so lang brauchen. | |
Ab 2020 wird hier heißes Gas transportiert. In zwei Jahren soll die | |
Pipeline mit einer großen Feier eingeweiht werden. Medien, Politiker, sie | |
alle werden die TAP an diesem Tag als wichtige Versorgungsroute der EU | |
feiern. Die Geschichten von Spyros Prousaef, Themis Kalpakidis und Urim | |
Bajraktari bleiben dann wohl unerzählt. | |
11 Dec 2018 | |
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