# taz.de -- Protestbewegung in Serbien: Strampeln gegen Präsident Aleksandar V… | |
> Rund 80 Studierende radeln von Novi Sad nach Straßburg. Auf ihrem 1.300 | |
> Kilometer langen Weg machen sie auch in Wien halt. | |
Bild: Ein Protestradler aus Serbien nach seiner Ankunft in Wien am Montagabend | |
Wien taz | „Pumpaj! Pumpaj!“ schallte es am Montag hundertfach durch Wien. | |
Die Protestparole, mit der Hunderttausende in Serbien auf die Straße gehen, | |
bedeutet nichts anderes, als den Druck gegen die serbische Führung | |
aufrechtzuerhalten. Angeführt von Studierenden wird seit Monaten gegen | |
Korruption, Misswirtschaft und Autoritarismus des seit 12 Jahren | |
durchregierenden serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić protestiert. | |
Um auf die Proteste aufmerksam zu machen, radelt dieser Tage eine Gruppe | |
von rund 80 serbischen Kollegen 1.300 Kilometer von Novi Sad bis Straßburg, | |
wo das Europäische Parlament seinen Hauptsitz hat. Bei Temperaturen nur | |
wenige Grad über null machten sie auch in Wien halt, wo ihnen die serbische | |
Diaspora den roten Teppich ausgerollt hatte. Bis zu 2.000 Teilnehmer | |
harrten stundenlang auf dem Platz zwischen Ringstraße und Museumsquartier | |
aus, denn die Ankunft der Radler verzögerte sich. Der Stimmung tat das aber | |
keinen Abbruch. | |
Kurz nach 21 Uhr war es dann endlich so weit. Als der Radlerkonvoi, unter | |
Begleitung der österreichischen Polizei, auf den Platz einbog, kannte die | |
Menge kein Halten mehr. Trommeln, Trillerpfeifen, Megafone und zigfache | |
„Bravo“-Rufe hallten durch die Luft, bevor sich die Radler im Schatten des | |
Maria-Theresien-Denkmals versammelten, vom Rad stiegen und sich von den | |
Protestierenden feiern ließen. | |
„Es fühlt sich einfach unglaublich an. So etwas habe ich noch nie erlebt“, | |
sagte Ivan Pokornik, einer der Mitfahrenden, etwas später zur taz. Der | |
Empfang in Wien sei der bisher größte gewesen. Seit fünf Monaten steht der | |
Student in vorderster Reihe [1][der Proteste in Belgrad]. „Zwei Drittel der | |
Bevölkerung haben wir hinter uns. Die Regierung kann nicht gewinnen und | |
weiß das auch.“ Dass Vučić just an jenem Tag einen neuen Premier ernannt | |
hatte, hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfahren. Alle in Serbien | |
wissen jedoch, dass die wahre Macht woanders liegt – bei Vučić selbst. | |
## Keine Kritik | |
Anders als noch in Budapest, wo Oberbürgermeister Gergely Karácsony die | |
Radler persönlich begrüßt hatte, war in Wien niemand von der Stadtregierung | |
dabei. Eine taz-Anfrage dazu ließ das Büro des Bürgermeisters zunächst | |
unbeantwortet. Ein möglicher Grund ist die anstehende Wiener Landtagswahl | |
Ende April. Schon in der Vergangenheit hatte Bürgermeister Michael Ludwig | |
(SPÖ) Kritik am serbischen Präsidenten vermieden, wohl deshalb, weil dieser | |
durchaus viele Anhänger in der hiesigen serbischen Diaspora hat. Dabei ist | |
Belgrad, wo die Polizei mit Gewalt gegen die Protestierenden vorging, eine | |
der Partnerstädte von Wien. | |
Dass die 1.300 Kilometer lange Protestfahrt in Novi Sad ihren Ausgang nahm, | |
ist kein Zufall. Hier war im November das Dach eines frisch renovierten | |
Bahnhofsgebäudes eingestürzt, 16 Menschen kamen ums Leben. Rasch gab es | |
erdrückende Hinweise auf Korruption. Der Einsturz des Vordachs war der | |
Funke, der eine beispiellose Protestwelle entzündete. | |
„Wir nehmen nicht mehr hin, dass solche Dinge in Serbien passieren“, sagte | |
der 42-jährige Tibor Miklos, der nahe Belgrad lebt und während eines | |
Wien-Besuchs zufällig von der Ankunft der Radler erfahren hatte. Angst vor | |
Repressalien spürt er nicht: „Wenn ich mit meinen Freunden und ihren | |
Familien spreche – niemand fürchtet sich.“ | |
## Lange Gedenkminute | |
Zwar habe die Intensität der Proteste jüngst nachgelassen, „einerseits | |
wegen Sorgen der Eltern um den Schulabschluss ihrer Kinder, andererseits | |
weil der Lehrbetrieb an den Universitäten teilweise wieder aufgenommen | |
wurde“. Miklos ist aber überzeugt, dass die Protestierenden den längeren | |
Atem hätten. [2][Von der EU wünscht er sich jedoch mehr Kritik an der | |
serbischen Führung], die Vučić immer noch stütze. | |
Nach 16 langen Gedenkminuten für die 16 Opfer von Novi Sad leerte sich der | |
Platz allmählich. Für die Radler steht am Dienstag bereits die nächste | |
Etappe an. Der Zeitplan ist ambitioniert: Bereits für den 15. April ist die | |
Ankunft in Straßburg geplant. | |
8 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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