# taz.de -- Polizei-Vizepräsidentin kritisiert Rot-Schwarz: "Eine Rolle rückw… | |
> SPD und CDU planen längere Vorbeugehaft, die Kennzeichnungspflicht für | |
> Polizisten steht auf der Kippe. Berlins amtierende Polizeipräsidentin | |
> Margarete Koppers hält davon nichts. | |
Bild: Berlins amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers | |
taz: Frau Koppers, Sie haben die 22.000 Mitarbeiter zählende Polizeibehörde | |
ein halbes Jahr kommissarisch geleitet. Jetzt bekommt die Polizei mit Udo | |
Hansen einen neuen Chef. Wo sehen Sie Ihre neue Rolle? | |
Margarete Koppers: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. | |
(lacht) Theoretisch ist eine neue Aufgabenverteilung zwischen Präsident und | |
Vizepräsidentin denkbar. Aber ich möchte dem neuen Präsidenten nicht | |
vorgreifen. Ich bin gespannt, welche Vorstellungen und Reformziele er | |
mitbringt. | |
Bei den Koalitionsverhandlungen würde die Union am liebsten die von Rot-Rot | |
eingeführte Kennzeichnungspflicht für Polizisten wieder streichen. Wie | |
verfolgen Sie diese Gespräche? | |
Ich wäre glücklich, wenn man zu dem Ergebnis käme, die | |
Kennzeichnungspflicht überhaupt nicht anzutasten. Die Geschäftsanweisung | |
zurückzunehmen, wäre eine Rolle rückwärts zu allem, was der frühere | |
Polizeipräsident Herr Glietsch und ich bisher für richtig befunden haben. | |
Den Polizisten ist es bewusst freigestellt, ob sie ihren Namen oder eine | |
Nummer tragen. Es handelt sich um einen Kompromiss, der, denke ich, von | |
allen Parteien mitgetragen werden könnte. | |
Bei den Verhandlungen wird ein neuer Kompromiss diskutiert: rotierende | |
Nummern. | |
Ich kann nicht erkennen, was das an Vorteil bringen sollte. Das würde nur | |
einen wahnsinnigen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen. | |
Datenschutzrechtlich haben wir jetzt schon alles getan, damit kein | |
Unberechtigter Zugriff auf die Daten hat. | |
Beamte der geschlossenen Einheiten sind bis heute nicht individuell | |
gekennzeichnet. Warum nicht? | |
Für die Ausgabe der Kennzeichen ist alles vorbereitet. Wir haben aber | |
Anfang November zwei Termine beim Verwaltungsgericht, bei denen | |
Personalvertretungen gegen die Kennzeichnungspflicht vorgehen. Diese | |
Termine wollen wir abwarten, bevor wir die Nummern ausgeben. | |
Was, wenn Sie unterliegen? | |
Wenn Teile der Praxis oder des Verfahrens für rechtswidrig erklärt werden, | |
dann müssen wir nachbessern. Dass die komplette Kennzeichnung in Frage | |
gestellt wird, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. | |
Würde die Behörde in diesem Fall Rechtsmittel einlegen? | |
Das würde ich jedenfalls dem Polizeipräsidenten empfehlen. | |
Rot-Schwarz hat sich auf eine verlängerte Vorbeugehaft geeinigt. Was für | |
Nachteile hat Berlin dadurch, dass der Unterbindungsgewahrsam bisher bei 47 | |
statt 96 Stunden lag? | |
Das sollten Sie diejenigen fragen, die meinten, jetzt eine Änderung | |
herbeiführen zu wollen. Ich kann keine Defizite erkennen. Ich sehe auch | |
keine Notwendigkeit für eine Ausweitung. | |
Am Sonntag hat die Polizei einen Fahndungs-Coup vermeldet: Ein 27-Jähriger | |
hat 67 Autobrandstiftungen gestanden. Könnte er für weitere Taten | |
verantwortlich sein? | |
Als wir uns im August auf den jetzt Festgenommenen konzentriert haben, sind | |
wir von mehr Taten ausgegangen, die seine Handschrift tragen. Um die 80 | |
Taten vermuten wir. | |
Der Tatverdächtige gehört laut Polizei nicht zur linken Szene. Muss man die | |
Brandstiftungen in diesem Jahr unter einem neuen Blickwinkel sehen? | |
Wir haben eine klare Linie gefahren: Wenn wir konkrete Anhaltspunkte | |
hatten, dass die Taten politisch motiviert sein könnten, haben wir diese | |
auch als solche bewertet. Das heißt, wenn es Selbstbezichtigungsschreiben | |
gab, die Fahrzeuge hochwertig waren oder an bestimmten Stellen geparkt. Das | |
war eine bewusst vorsichtige Einschätzung, um uns nicht dem Vorwurf | |
auszusetzen, ein Phänomen herunterzuspielen. Tatsächlich, und das habe ich | |
seit August immer wieder betont, glauben wir, dass die politisch | |
motivierten Autobrandstiftungen deutlich zurückgegangen sind. Viele Taten | |
waren überhaupt nicht zuzuordnen und wurden eher von Trittbrettfahrern | |
begangen. | |
CDU und FDP haben mit den Autobränden mächtig Wahlkampf gegen | |
Linksextremismus gemacht. Hätte die Polizei nicht intervenieren müssen, | |
dass das mit der Realität nicht übereinstimmt? | |
Es ist nicht unsere Aufgabe, Wahlkämpfe zu beeinflussen. In Interviews habe | |
ich aber immer betont, dass die Autobrände nicht zum Wahlkampfthema gemacht | |
werden sollten, sondern dieses Vorgehen eher noch Nachahmungstaten | |
forciert. | |
Straft die Festnahme des 27-Jährigen diejenigen Lügen, die zuletzt immer | |
wieder vor linken Zündlern warnten? | |
Dass wir aus fachlicher Sicht die linksextreme Szene in Berlin nüchterner | |
einschätzen als manche Politiker, habe ich oft genug deutlich gemacht. Das | |
hat nichts mit Herunterspielen zu tun. | |
Hat sich Ihre Einschätzung geändert, nachdem mutmaßlich Linksradikale | |
Brandsätze an Berliner Bahngleise legten? | |
Dass wir eine radikale linke Szene haben, die zu Gewalttaten fähig ist, | |
haben wir nie bezweifelt. Aber die bewusste Gefährdung von Menschenleben | |
ist in der Szene weiter nicht vermittelbar und wird eher abgelehnt. Das | |
konnte man auch so in den einschlägigen Blogs nach den Anschlagsversuchen | |
auf die Bahnanlagen nachvollziehen. Ich warne davor, das jetzt höher zu | |
reden, als es ist, und von einem neuen linken Terrorismus zu sprechen. Das | |
bedeutet nur Aufschaukeln und Eskalation. | |
Die CDU fordert mehr Einsatz gegen linke Gewalt. Hat die Polizei dafür zu | |
wenig Personal? | |
Dass man sich um dieses Phänomen kümmern muss, liegt auf der Hand. Aber ich | |
glaube, wir sind qualitativ wie quantitativ sehr gut aufgestellt. Wie | |
effektiv unser Staatsschutz arbeitet, haben wir ja gerade erst bei der | |
Festnahme des Autobrandstifters bewiesen. | |
Sie haben im September eine NPD-Kundgebung geheim gehalten. Innensenator | |
Körting hatte angekündigt, rechte Veranstaltungen einen Tag vorher bekannt | |
zu machen. Was gilt? | |
Ich glaube, der Dissens ist kleiner, als in den Medien dargestellt. Denn | |
ich bin ja nicht generell gegen die Bekanntgabe rechtsextremer | |
Veranstaltungen. Wenn wir aber den Eindruck haben, dass eine frühzeitige | |
Veröffentlichung zu gewalttätigen Eskalationen gegenüber | |
Versammlungsteilnehmern oder Polizisten führt, dann haben wir das Recht, | |
die Veranstaltungen nicht frühzeitig bekannt zu machen. Das ist immer eine | |
Entscheidung im Einzelfall und das ist auch Konsens zwischen Herrn Dr. | |
Körting und mir. Man kann aber darüber streiten, ob wir bei der besagten | |
NPD-Veranstaltung zu restriktiv vorgegangen sind. | |
Noch eine andere Frage: Die Polizei verbot zuletzt den Occupy-Protestlern | |
wiederholt ein Zeltlager vorm Bundestag. Warum? | |
Wir haben in Berlin eine ziemlich breit gefächerte Demonstrationskultur: | |
von linksextrem über bürgerlich bis rechtsextrem. Ich bin der festen | |
Überzeugung, dass man da eine ganz klare Linie fahren muss und Zelte von | |
keiner Seite dulden darf. Das Verwaltungsgericht hat das bisher in jeder | |
Hinsicht bestätigt. Würden wir auf einer Seite liberaler entscheiden, würde | |
uns das auch gegenüber der anderen Seite rechtlich binden. | |
Das Bundesverfassungsgericht befand im März, dass Protest in "vielfältigen | |
Formen" den Schutz des Versammlungsrechts genießt. | |
Aber Zelten wurde dabei nicht erwähnt. Warum man für eine politische | |
Willensbekundung Zelte aufstellen muss, kann ich auch nicht erkennen. | |
Beschlagnahmt wurden auch Isomatten. Wo fängt Zelten an? | |
Wenns nur Sitzkissen sind, habe ich kein Problem. Aber alles, was zum | |
dauerhaften Verbleib dient, fällt unter das Verbot. | |
24 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
Konrad Litschko | |
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