| # taz.de -- Pläne für „Bürgergeld“ statt Hartz IV: Beratungsorganisation… | |
| > Das „Bürgergeld“ wird wohl nicht der große Wurf, kritisieren Aktive aus | |
| > der Arbeitslosenberatung. Für sie ist es nicht die erhoffte große Reform. | |
| Bild: #Ich bin Armutsbetroffen – die Kampagne begann mit dem Tweet einer Hart… | |
| Berlin taz | Andrea Nahles, [1][neue Leiterin der Bundesagentur für | |
| Arbeit], sieht im Bürgergeld die Chance, mit dem Kapitel Hartz IV | |
| abzuschließen. Das sagte die ehemalige SPD-Chefin und | |
| Ex-Bundesarbeitsministerin nach ihrem Amtsantritt Anfang August. | |
| Beratungsorganisationen für Menschen, die Arbeitslosengeld (ALG) II – also | |
| Hartz IV – beziehen, widersprechen. Erstens glauben sie erst an das | |
| Bürgergeld, wenn es wirklich da ist. „Das ist ein sehr sportliches | |
| Vorhaben, das Bürgergeld zum 1. Januar 2023 einzuführen“, sagt Helena | |
| Steinhaus, Mitgründerin des Vereins „Sanktionsfrei“, der taz. Frank Steger | |
| vom Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise berichtet, | |
| dass das neue Gesetz in der Beratung noch keine Rolle spiele. Zweitens | |
| empfinden die Vertreter:innen einige der im Juli vorgestellten | |
| Eckpunkte des Gesetzes zwar als Veränderungen zum Positiven, doch in ihren | |
| Augen ist es nicht die erhoffte große Reform. „Die Änderungen sind eher | |
| Korrekturen, aber [2][keine grundsätzliche Verbesserung der Lage]“, erklärt | |
| Steinhaus. | |
| Die Eckpunkte zum Bürgergeld sehen unter anderem eine Sanktionssperre in | |
| den ersten sechs Monaten des Leistungsbezugs vor. Danach aber soll das | |
| Jobcenter „Mitwirkungspflichten“ verbindlich festlegen können. Nach sechs | |
| Monaten wären wieder Sanktionen bis zu einer Höhe von 30 Prozent des | |
| Regelsatzes möglich. | |
| Steinhaus, deren Verein mit einem Solidaritätstopf versucht, | |
| Hartz-IV-Sanktionen finanziell auszugleichen, bleibt skeptisch: „Es ist | |
| gut, dass dann weniger Menschen sanktioniert werden. Aber ich bin | |
| enttäuscht, dass das Bürgergeld die größte Sozialreform seit Hartz IV hätte | |
| sein können und diese Chance nicht genutzt wird.“ Sie fürchte sich vor | |
| einem „faulen Kompromiss“ mit der FDP. Die Partei habe „extreme Angst vor | |
| Sozialschmarotzertum“. Es sei aber klar: Die Menschen, die sich bereits | |
| jetzt über illegale Arbeit zusätzlich finanzieren, würden das auch | |
| weiterhin tun. Das Bürgergeld werde sie nicht davon abhalten. „Es geht | |
| darum, dass Menschen, die krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen nicht | |
| arbeiten, von dem Regelsatz leben können“, erklärt Steinhaus. | |
| Doch genau dieser zentrale Punkt des Gesetzes ist noch nicht konkretisiert: | |
| die Höhe des Regelsatzes. Er soll wohl steigen. Heil hatte unter anderem | |
| angekündigt, den Bemessungsrahmen zu erweitern: Seine Idee ist, den | |
| Regelsatz künftig nach den Ausgaben der ärmsten 30 Prozent der Haushalte zu | |
| berechnen. Bislang werden nur die untersten 20 Prozent einbezogen. Nun | |
| berät die Ampelkoalition. Im September will die Regierung anhand von Zahlen | |
| des Statistischen Bundesamts einen Vorschlag erarbeiten. | |
| Momentan sieht es nach einer Erhöhung um 40 bis 50 Euro aus. Der derzeitige | |
| Regelsatz würde also von 449 Euro auf rund 500 Euro steigen. Mehr Geld | |
| helfe zwar immer, sagt Steinhaus, aber 50 Euro seien zu wenig. Auch Frank | |
| Steger vom Berliner Arbeitslosenzentrum betont, dass es mindestens 200 Euro | |
| mehr geben müsste: „Der Regelsatz ist bewusst klein gerechnet. Er bildet | |
| den tatsächlichen Bedarf der Menschen nicht ab, sondern orientiert sich | |
| stattdessen an haushaltspolitischen Maßstäben. Auch die galoppierende | |
| Inflation wurde bislang nicht berücksichtigt und so der Regelsatz faktisch | |
| abgesenkt.“ | |
| 16 Aug 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anne-Frieda Müller | |
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