# taz.de -- Physiker und Raumfahrtpionier Musk: Die Menschheit retten | |
> Die Biografie von Elon Musk liest sich wie ein altbekanntes US-Klischee. | |
> Nun will der 44-Jährige eine Kolonie auf dem Mars aufbauen. | |
Bild: Unermüdlich: Elon Musk, hier mit einer Raumkapsel zum Transport von Men… | |
Wann immer dieser Mann spricht, irgendwann kommt er auf den Mars. | |
Tausende Menschen will Elon Musk auf den Planeten fliegen. Vielleicht sogar | |
eine Million. Dafür werden sich schon genügend Leute finden, sagt er. Wenn | |
die Kosten dafür auf den Preis eines durchschnittlichen Einfamilienhauses | |
in Kalifornien sinken: eine halbe Million. Dann könne man dort eine Kolonie | |
aufbauen. Pioniere einer intergalaktischen Zivilisation. | |
So ziemlich jeden anderen würde man mit solchen Fantastereien einfach in | |
der Fußgängerzone stehen lassen. Aber nicht Elon Musk. 44 Jahre alt, | |
Physiker, 13 Milliarden US-Dollar schwer, vor allem aber so etwas wie der | |
Steve Jobs des Ingenieurwesens, der derzeit parallel die | |
Elektroautobranche, die Solarwirtschaft und die private Raumfahrt | |
umkrempelt. | |
Ashlee Vance, Techjournalist für Bloomberg, wollte eine Biografie über Musk | |
schreiben. Der wollte nicht. Und wollte nicht. Und willigte dann irgendwann | |
doch ein, mit Vance zu sprechen. Leute, die ein Nein nicht akzeptieren – | |
auf so was steht Musk. Auftaktszene für Musks Biografie über einen der | |
rastlosesten, ungewöhnlichsten Unternehmer der USA. | |
Obwohl Musk als Unternehmer dem Silicon Valley entsprang, will er längst | |
mehr. Er setzt auf spritfreie Autos, erneuerbare Energien: Als alle | |
Konzepte für Elektroautos in den Schubladen großer Autokonzerne | |
vergammelten, gründete Musk Tesla und fing an, welche zu bauen. Und zwar | |
richtig schicke. Er machte SolarCity binnen Kurzem zum größten | |
US-Solarkonzern auf dem US-Markt. Spritfreie Autos, erneuerbare Energien: | |
grüne Zukunftstechnologien, die Musk mit missionarischem Eifer vorantreibt. | |
## Private Raumfahrt | |
Musks eigentliche Herzensangelegenheit ist jedoch sein Raumfahrtkonzern | |
SpaceX. Eine Firma, an die einst kaum jemand glaubte, die aber heute | |
milliardenschwere Verträge mit der Nasa hat und – einem jüngsten Fehlstart | |
zum Trotz – schon in wenigen Jahren Menschen auf die ISS transportieren | |
soll. Aktuell tüftelt SpaceX an wiederverwendbaren Raketen, die am gleichen | |
Ort starten und landen können. Und man entwickelt eine Rakete, in der | |
hundert Menschen Platz finden sollen. Für den Start zum Mars. | |
SpaceX, das ist Musks Vehikel für die Langzeitoption, die Menschheit zu | |
einer intergalaktischen Spezies zu machen. Klingt nach Science-Fiction. | |
Aber viele, gerade Tech-Utopisten, von denen es im Silicon Valley | |
tonnenweise gibt, halten diese Visionen für plausibel. Zu schnell | |
inzwischen die Fortschritte, die SpaceX herzeigen kann. Zu gering die | |
Kosten, auf die der private Konzern Raumfahrtoperationen drückt. | |
Zum Mythos Musk, den auch Biograf Vance fleißig pflegt, gehört auch das | |
US-Klischee des Selfmademan. Millionen, die Musk in SpaceX und Tesla | |
pumpte, verdiente Musk als Gründer eines digitalen Bezahlsystems, das heute | |
Paypal heißt. Und für das er noch selbst programmierte. Wie auch in seinem | |
ersten Unternehmen, einer Art Gelbe Seiten mit Kartenfunktion, das er Mitte | |
der Neunziger gründete – und dafür eine Doktorandenstelle an der | |
Stanford-Universität sausen ließ. | |
Für dieses erste kleine Start-up programmierte er, geboren in Südafrika, | |
Spross einer kaputten Familie, ein hyperintelligentes Klugscheißerkind, das | |
in der Schule regelmäßig Prügel bezog, Tag und Nacht. Unter unbequemsten | |
Bedingungen: wohnen unterm Schreibtisch, duschen im YMCA. | |
## Ein Workaholic | |
Bis heute kultiviert Musk eine Arbeitsethik, die mehr Selbstkasteiung als | |
die sonst im Silicon Valley vorherrschende Happy-Sunshine-Feelgood-Stimung | |
bedient. Sieben Tage, bis zu hundert Stunden die Woche schuftet Musk, hetzt | |
rastlos im Privatjet zwischen seinen Firmenstandorten bei San Francisco und | |
L. A. hin und her. Was laut Vance längst Spuren auch am Körper des | |
44-Jährigen hinterlässt – von wassergrabenartigen Augenringen bis zu | |
deutlichen Gewichtsschwankungen. Zeit für seine fünf Kinder ist sorgfältig | |
abgemessen, und Musk pflegt sein Nerd-Image auch mit Berechnungen darüber, | |
wie viel Zeit eine neue Freundin wohl pro Woche in Beschlag nehmen würde. | |
„Ein Unternehmen gründen, das ist wie Glas essen und in den Höllenschlund | |
starren“, sagt Musk gern bei öffentlichen Auftritten. Und lacht danach ein | |
wenig irre, wenn er erzählt, dass nur wenige Firmen es aus einem Tal von | |
Problemen wieder herausfinden. Erinnerungen, geprägt im Jahr 2008, als | |
Musks Konzerne SpaceX und Tesla fast pleitegingen: Gebeutelt von Fehlstarts | |
und Verzögerungen waren beide nur Tage von der Zahlungsunfähigkeit | |
entfernt. Da kratzte Musk sein letztes privates Vermögen zusammen, zockte – | |
und akquirierte gerade noch rechtzeitig die fehlenden Millionen. Eine | |
All-in-Mentalität, die Musk weiter kultiviert: Kaum haben seine Ingenieure | |
ein Ziel erreicht, schon treibt Musk sie in neue Deadlines, neue | |
Disruptionen. „Es ist, als würden sie mit einer Pistole an der Schläfe | |
arbeiten. Die ganze Zeit“, sagt Vance der taz. | |
Entsprechend kuschelig ist die Atmosphäre in Musks Firmen. Der Chef | |
peitscht seine Mitarbeiter zu Hochleistungen an, verlangt ähnlichen Einsatz | |
wie den eigenen. Selbst langjährige Mitarbeiter feuert Musk, ohne zu | |
zögern, beobachtet Vance. Und doch stehen junge, hungrige Ingenieure | |
Schlange, um für ihn zu arbeiten. | |
## Utopie und Zukunftsangst | |
Fragt sich natürlich, was diesen Mann, Elon Musk, eigentlich treibt, so | |
rastlos weiter auf technologischen Fortschritt zu drängen. Anfangs, sagt | |
Vance, der Musk stundenlang interviewte und drei Jahre lang in seinem | |
Umfeld recherchierte, habe er ihn auch für einen Schwätzer gehalten. „Er | |
kam mir wie so ein wohlmeinender Träumer vor – eines von diesen | |
Kreditkarten tragenden Mitgliedern des Techno-Utopisten-Clubs aus dem | |
Silicon Valley.“ | |
Tatsächlich glaube Musk, dass seine Technologien die richtigen seinen, um | |
Verbesserungen für die Menschheit zu erreichen. Inzwischen stelle er aber | |
auch mehr und mehr unter Beweis, dass er nicht nur vollmundig ankündigt, | |
sondern seine Firmen tatsächlich auch Bahnbrechendes liefern. | |
„Natürlich gefällt es ihm, reich und mächtig zu sein. Aber seine | |
Hauptmotivation dreht sich um die Menschheit“, sagt Vance. Spreche Musk | |
über das mögliche Aussterben der Menschheit, bekomme er Tränen in die | |
Augen, sagt Vance. „Er scheint tiefe Gefühle für die Menschen zu hegen, in | |
einer Art, die mir noch bei niemandem zuvor untergekommen ist: eine | |
Empathie für die gesamte Gattung Mensch, aber nicht für das Individuum.“ | |
Was sich irgendwie auch ein wenig nach dem Abziehbildchen des | |
Science-Fiction-Schurken mit Weltherrschaftsambitionen anhört, wie wir es | |
aus der Popkultur kennen – vom James-Bond-Bösewicht bis hin zum | |
durchgeknallten Wissenschaftler der „Watchmen“-Comics. | |
## Mit 1.200 km/h nach L. A. | |
Dagegen spricht allerdings Musks Variante der Zukunftsangst. Bei allem | |
Technikglauben fürchtet auch er sich vor einer aktuellen Entwicklung: der | |
künstlichen Intelligenz, die den Menschen überflügeln könnte. Doch Musk | |
wäre nicht Musk, wenn er das nicht mit einem Haufen Geld zu bekämpfen | |
suchte: Mit Millionen fördert er Institute, die an der Einhegung von | |
autonomen Maschinen im menschlichen Interesse forschen. | |
In zahllosen anderen Bereichen drängt ihn ein schier unersättlicher Drang | |
nach Fortschritt. Mit dem sogenannten Hyperloop will Musk eine Art | |
Rohrpostsystem bauen, das Menschen und Autos mit 1.200 Stundenkilometern | |
von San Francisco nach Los Angeles schießen soll. „Schwindelei für Leute | |
ohne Kindergarten-Physikkenntnisse“, motzt ein Kritiker. Vor wenigen Wochen | |
wurde der Bau einer Teststrecke angekündigt. | |
Parallel dazu arbeitet SpaceX am nächsten Gigaprojekt: einem | |
Satellitennetzwerk, das die gesamte Erde vom All aus mit dem Internet | |
verbinden soll. Ach – und natürlich an der Riesenrakete für den Mars. Tesla | |
plant nicht nur eine Riesenfabrik, um seine Elektroautos auch für die | |
Massen erschwinglich zu machen, sondern wirft auch noch seine | |
Speichertechnologie für Strom auf den Markt – quasi ein Abfallprodukt | |
seiner Forschung, das künftig auch vom deutschen Ökostromanbieter | |
Lichtblick verbaut wird. Und expandiert fleißig nach Europa – Ausbau der | |
Infrastruktur für das Aufladen von Elektroautos inklusive. | |
## In zehn, zwanzig Jahren zum Mars | |
Und dann ist da halt noch die Sache mit der Reise zum Mars. In zehn, | |
zwanzig Jahren soll es losgehen, sagt Musk – er gilt aber längst als König | |
der viel zu optimistischen Deadlines. | |
Mit Genuss zitiert die Presse, Musk wäre selbst gern bei den Pionieren. Der | |
Chef selbst dementiert: „Ich würde bei dem ersten Trip zum Mars nur dabei | |
sein, wenn ich mir sicher sein könnte, dass SpaceX klarkommt, falls ich | |
sterbe.“ Nur: Ohne seine extreme Persönlichkeit – wird das jemals | |
eintreten? Für Elon Musk nicht die Frage: „Es geht darum, die mögliche | |
Lebensspanne der Menschheit zu maximieren.“ | |
26 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
## TAGS | |
Elon Musk | |
SpaceX | |
Tesla | |
Paypal | |
Verkehr | |
Weltraum | |
SpaceX | |
Mars | |
SpaceX | |
Raumfahrt | |
Raumfahrt | |
James Bond | |
Berlin Kultur | |
ISS | |
Elon Musk | |
ISS | |
Tesla | |
Tesla | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Niedersächsische Studis helfen Elon „Tesla“ Musk: Ab durch die Röhre | |
Tesla-Chef Elon Musk arbeitet an einer Röhre, in der Menschen mit | |
Schallgeschwindigkeit reisen können. Die Unis Emden/Leer und Oldenburg | |
forschen mit. | |
Astronaut über Recycling-Rakete: „Die Vision reißt die Jungen mit“ | |
Astronaut Ulrich Walter über den ersten erfolgreichen Start einer | |
wiederverwendeten SpaceX-Rakete und die Pläne von Elon Musk. | |
Neues Ziel des Weltraumtourismus: SpaceX plant Mondumrundung | |
Mehr als 40 Jahre ist der bislang letzte bemannte Raumflug zum Mond her. | |
2018 soll der nächste anstehen – mit zwei zivilen Touristen. | |
Fragile Weltraum-Forschung: Nasa-Marsrover twittert trotz Rissen | |
Die Sonde der europäischen Weltraumorganisation Esa hatte eine Bruchlandung | |
auf dem Mars. Die der Nasa laufen auch nicht rund – machen aber weiter. | |
US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral: Rakete explodiert bei Test | |
Eine Rakete der Raumfahrtfirma SpaceX explodiert bei einem Test. Menschen | |
werden nicht verletzt – dafür ist jetzt ein Facebook-Satellit kaputt. | |
Die Suche nach außerirdischem Leben: Krümel der Schöpfung | |
Ein Flug zum Mars muss sein. Nicht um eine zweite Erde zu schaffen. Sondern | |
um die erste zu retten. Die Idee sollte zum Projekt der Weltgemeinschaft | |
werden. | |
Kommentar zur SpaceX-Landung: Toys for Boys im Weltraum | |
Die Zukunft hat begonnen und Milliardär Elon Musk freut sich: Erstmals | |
landet eine Rakete nach erfolgreicher Mission unversehrt wieder auf der | |
Erde. | |
Die Briten und ihr James Bond: 007 und das verlorene Empire | |
Mit ihrem geopolitischen Minderwertigkeitskomplex brauchen die Briten die | |
Figur James Bond. 007 steht für den alten Glanz. | |
Das war die Woche in Berlin II: Berlin als Ort des Versuchs | |
Das neue Festival Pop-Kultur, unterstützt vom Senat, bringt zeitgenössische | |
Kunst und Pop zusammen. Das ist mehr als popkulturelles Stadtmarketing. | |
ISS-Besatzung baut Gemüse an: Der Trend geht zum Space-Salat | |
Nach einem mehrstündigen Außeneinsatz hat sich die Besatzung der | |
Internationalen Raumstation mit selbstangebautem Salat belohnt. | |
Futuristisches Fuhrwerk: Personenverkehr mit Überschall | |
2013 kündigte Elon Musk ein Hochgeschwindigkeits-Transportsystem an. Mit | |
einem Wettbewerb startet die Realisierung des Hyperloop. | |
Boeing bringt US-Astronauten ins Weltall: Nasa setzt auf Privatfirmen | |
Der Flugzeugkonzern Boeing soll als erste Privatfirma US-Astronauten zur | |
Internationalen Raumfahrtstation bringen. Ein Testflug ist für 2017 | |
geplant. | |
Elektro-Autohersteller legt Patente offen: Alles muss raus bei Tesla | |
Firmenchef Musk möchte mit diesem Schritt die Verbreitung von Elektro-Autos | |
beschleunigen. Experten halten das nicht für abwegig. Kommt der Durchbruch? | |
Werk für Elektroauto-Batterien: Tesla plant Gigafabrik | |
Der E-Auto-Hersteller Tesla will fünf Milliarden Dollar in eine | |
Batterienfabrik investieren. Dort sollen ab 2017 eine halbe Million | |
Autobatterien pro Jahr produziert werden. | |
Kommerzielle Raumfahrt in den USA: Private Geschäfte im Marsschatten | |
Der Countdown für SpaceX läuft. Das kommerzielle Raumfahrtunternehmen | |
schickt am Wochenende erstmals eine unbemannte Kapsel zur ISS. | |
Erfolgreicher Start: Private Weltraum-Mission | |
Nach drei erfolglosen Versuchen hat es die US-Firma SpaceX jetzt geschafft, | |
die erste private Trägerrakete ins Weltall zu schicken. |