# taz.de -- Parlamentswahlen in Dänemark: Lars oder Mette | |
> Bei den Wahlen am Mittwoch scheint eine rot-grüne Mehrheit möglich. Dazu | |
> müssten die Sozialdemokraten jedoch ihre Ausländerpolitik liberalisieren. | |
Bild: Könnte die jüngste Ministerpräsidentin Dänemarks werden: Sozialdemokr… | |
STOCKHOLM taz | Clara erwischte Mette Frederiksen auf dem falschen Fuss. Da | |
hatte die Vorsitzende der dänischen Sozialdemokraten gerade stolz das | |
Klimaprogramm ihrer Partei präsentiert, in dem versprochen wird den | |
CO2-Ausstoss Dänemarks bis zum Jahr 2030 um 60 Prozent zu senken. | |
Und dann kommt aus dem Publikum als erstes die Frage einer 18-jährigen | |
Schülerin: „Warum verteilt ihr Schnittrosen? Wo sind die produziert? Wisst | |
ihr nicht, wie klimabelastend das ist, die aus Afrika einzufliegen? Habt | |
ihr mal eine Klimabilanz aufgestellt?“ Nein, das habe man nicht gemacht, | |
gestand Frederiksen etwas verdattert. Aber eigentlich würde sie gerne auch | |
künftig Rosen verteilen. | |
Dieses war eine Szene, die deutlich die Kluft zeigte zwischen | |
PolitikerInnen, die glauben mit weit in der Zukunft liegenden Zielen und | |
Versprechungen Antworten auf das Klimathema geben zu können, und einer | |
junge Generation, die sich damit jedoch offensichtlich nicht mehr abspeisen | |
lässt. Sie will von den PolitikerInnen nicht nur Auskunft über deren ganz | |
persönlichen Umgang mit der drohenden Klimakatastrophe haben, sondern auch | |
Konsequenzen im Hier und Jetzt. | |
Nur zehn Tage nach den Wahlen zum Europaparlament wird am Mittwoch in | |
Dänemark wieder gewählt: Die 179 Parlamentsabgeordneten des Folketing sind | |
an der Reihe. | |
## Anschluss in letzter Minute | |
Und es geht in Dänemark zur Abwechslung tatsächlich einmal nicht um einen | |
Wettbewerb, welche Partei ihre Konkurrenten mit weiteren Verschärfungen in | |
der Flüchtlings- und Ausländerpolitik überbietet. Laut Umfragen ist diesmal | |
das Klima für die dänischen WählerInnen das wichtigste Thema. | |
Alle Parteien versuchten sich deshalb auch mehr oder weniger intensiv auf | |
diesem Feld zu profilieren. Selbst die rechtspopulistische Dänische | |
Volkspartei, die bislang vor „Klimahysterie“ warnte, beeilte sich in | |
allerletzter Minute noch den Anschluss zu finden. | |
Sie war bei der Europawahl von 26 auf 10,7 Prozent abgestürzt, was laut | |
erster Analysen auch mit der bei ihr bislang gänzlich fehlenden | |
Klimapolitik zu tun hatte. Die Parteiführung erhielt dafür heftige Kritik | |
von der eigenen Basis: Das sei ein „wake-up call“ gewesen und es sei | |
überfällig, dass sich auch die Dänische Volkspartei ein Klimaprogramm geben | |
müsse. | |
„Wir haben das verschlafen“, gestand die umweltpolitische Sprecherin Pia | |
Adelsteen. Selbst bei den Rechtspopulisten scheint die Zeit, in der die | |
Klimawandelleugner bestimmten, langsam zu Ende zu gehen. | |
## Grundsätzlicher Wandel | |
Die Rechtsliberalen des bisherigen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen | |
hatten die Kurve schon früher gekriegt. War Klimapolitik in ihrer | |
Regierungszeit keine Priorität, zogen sie nun mit der Forderung eines | |
Verbots des Verkaufs von Benzinern und Dieselfahrzeugen ab 2030 in den | |
Wahlkampf. | |
Løkke Rasmussens sozialdemokratische Herausforderin Mette Frederiksen | |
verspricht gleich einen „grundsätzlichen Wandel“: „Wir brauchen eine neue | |
Führung, die das Tempo der grünen Umstellung hochschraubt. Dänemark muss | |
wieder eine grüne Großmacht werden. Und wir sind bereit diese Aufgabe zu | |
übernehmen.“ | |
Die Sozialdemokratin hatte es sich natürlich auch nicht nehmen lassen, in | |
Kopenhagen demonstrativ an einer großen Klimamanifestation mit über 30.000 | |
DemonstrantInnen teilzunehmen, bei der auch die schwedische Klimaaktivistin | |
Greta Thunberg aufgetreten war. | |
Laut letzten Umfragen hat die 41-jährige Frederiksen die besten Chancen, | |
Dänemarks neue und gleichzeitig jüngste Ministerpräsidentin zu werden. Zwar | |
schrumpfte ihr Vorsprung in den vergangenen Tagen, aber die | |
Sozialdemokraten liegen immer noch über fünf Prozent vor der | |
zweitplatzierten rechtsliberalen Venstre von Løkke Rasmussen und dürften | |
damit klarer Wahlsieger werden. | |
## 25 Prozent reichen nicht | |
Doch ihre 25 Prozent reichen für eine parlamentarische Mehrheit nicht aus. | |
Als Partner wäre Frederiksen auf Parteien wie die sozialliberalen | |
Radikalen, die rot-grüne Sozialistische Volkspartei oder die ebenfalls | |
rot-grüne Einheitsliste angewiesen. | |
Doch die setzen die Sozialdemokraten nicht nur klimapolitisch unter Druck | |
und fordern konkretere Ziele. Sie wollen auch ausländerpolitische | |
Zugeständnisse erreichen. Teile der bisherigen, auf totale Abschottung | |
gerichteten, Politik wollen sie nicht länger akzeptieren. | |
Und da wird es schwierig. Die Sozialdemokraten haben in der zu Ende | |
gehenden Legislaturperiode nahezu alle 114 ausländer- und | |
flüchtlingspolitischen Verschärfungen der Regierung von Løkke Rasmussen und | |
deren Partner, der Dänischen Volkspartei mitgetragen. Und Frederiksen | |
verkündete während des Wahlkampfs, dass eine von ihr geführte Regierung an | |
der bisherigen Ausländerpolitik nicht rütteln werde. | |
Es wird Kompromisse geben müssen. Sonst, so befürchtet Mona Striib, | |
Vorsitzende von FOA, der Gewerkschaft der öffentlich Angestellten, „haben | |
wir die Chance auf eine rote Mehrheit“ und Frederiksen riskiere, dass ihr | |
die Macht aus den Händen gleite. | |
## Kein Freibrief | |
Einen Freibrief nach dem Motto „erst mal eine Koalition bilden, dann sehen | |
wir weiter, bekommt Frederiksen von uns jedenfalls nicht“, sagt Pernille | |
Skipper, Chefin der Einheitsliste. „Mit einigen kosmetischen Änderungen | |
werden wir uns nicht abspeisen lassen“, betont auch Morten Østergaard, | |
Vorsitzender der Radikalen. | |
Es sieht so aus, als sollte in Dänemark die Suche nach einer neuen | |
Regierung spannender werden, als die eigentliche Parlamentswahl. | |
5 Jun 2019 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Dänemark | |
Sozialdemokraten | |
Mette Frederiksen | |
Parlamentswahl | |
Mette Frederiksen | |
Mette Frederiksen | |
Dänemark | |
Thisted | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Dänemark | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlen in Dänemark: Aus mit Hygge | |
Trotz Wahlsieg dürften die gemütlichen Zeiten für Mette Frederiksen vorbei | |
sein. Die von ihr angestrebte breite Koalition verheißt nichts Gutes. | |
Dänische Wahlsiegerin Mette Frederiksen: Opportunistin, lautet ein Vorwurf | |
Frederiksen machte eine atemberaubende Karriere als Sozialdemokratin in | |
Dänemark. Ihren Wahlkampf machte sie jedoch mit einer rechten Kampagne. | |
Wahlergebnis in Dänemark: Die Sozis können auch gewinnen | |
Die Koalitionsbildung wird aber kompliziert. Denn: Die links-grünen | |
Parteien wollen einen Kurswechsel bei der restriktiven Migrationspolitik. | |
Parlamentswahl in Dänemark: Wahlcafé mit Klima | |
Auf der dänischen Halbinsel Thy buhlen die Parteien mit ihrer angeblichen | |
Kompetenz in Sachen Klima um Wählerstimmen. | |
Sozialdemokratie in Europa: Ist es die Zeit oder die Partei? | |
In Dänemark sind die Sozialdemokraten mit einem Rechtskurs erfolgreich. Ein | |
Modell für Europa? | |
Parlamentarismus in Dänemark: No go area für Babys | |
Die Parlamentspräsidentin Pia Kjaersgaard rügt eine Abgeordnete. Deren | |
kleines Kind habe in der Plenarsitzung nichts zu suchen. | |
Klima-Volksbegehren in Dänemark: 50.000 Stimmen für das Klimagesetz | |
Ein Volksbegehren will das dänische Parlament zur Verantwortung zwingen. | |
Gelingt das, wird ein Klimarat der Politik auf die Finger schauen. |