# taz.de -- Parlamentarismus in Dänemark: No go area für Babys | |
> Die Parlamentspräsidentin Pia Kjaersgaard rügt eine Abgeordnete. Deren | |
> kleines Kind habe in der Plenarsitzung nichts zu suchen. | |
Bild: Kein Platz für Babys findet Parlamentspräsidentin Abildgaard: Parlament… | |
Stockholm taz | „Das ist ja mehr als vorgestrig“, twitterte Pernille | |
Skipper, Vorsitzende der linken Einheitsliste: „Ich dachte wir wären schon | |
weitergekommen in Dänemark“. Das dachten offenbar auch viele internationale | |
Medien, die einen Vorfall aufgegriffen haben, der sich am Dienstag im | |
dänischen Parlament abgespielt hatte. | |
Da war der Abgeordneten Mette Abildgaard der Zutritt zum Plenarsaal | |
verweigert worden, weil sie ihre fünf Monate alte Tochter Esther Marie | |
dabei hatte. „Gilt dieses skandinavische Land nicht als vorbildhaft für die | |
Gleichstellung der Geschlechter, die Rechte der Frau und als | |
familienorientierte Nation?“, wunderte sich der britische Guardian. | |
Offenbar sah das zumindest die amtierende Parlamentspräsidentin anders. | |
Eine Videosequenz fing die fragliche Szene ein: Die 72-jährige Pia | |
Kjaersgaard sitzt auf dem Präsidentenpodium und beobachtet wie die | |
Abgeordneten zu einer Abstimmung in den Plenarsaal kommen. | |
Als sie Abildgaard, Abgeordnete der Konservativen Volkspartei, mit ihrer | |
Tochter im Arm an der Tür auftauchen sieht, gibt sie einem Assistenten | |
sofort eine Anweisung. Der eilt zu der 30-jährigen und überbringt die | |
Botschaft Kjaersgaards: „Mit dem Kind bist du im Plenarsaal nicht | |
willkommen.“ | |
## Reichlich unflexibel | |
„Pia schmeißt Baby aus dem Plenarsaal“ titelte die Onlineausgabe der | |
Boulevardzeitung Ekstrabladet. „Wie kann man nur so unflexibel sein“, | |
fragte Abildgaard selbst wenig später auf ihrem Facebook-Account: „Es ging | |
um einen Druck auf den Abstimmungsknopf.“ | |
Noch nie habe sie ihre Tochter in den Plenarsaal mitgenommen und es sei | |
auch gar nicht geplant gewesen. Aber in letzter Minute sei ihrem Mann Jens | |
Jacob etwas dazwischen gekommen, so dass er sich nicht um Esther Marie | |
kümmern konnte. Mit ihrem Sekretär habe sie auch extra abgesprochen, dass | |
dieser ihre Tochter übernehmen und mit ihr den Saal verlassen sollte – für | |
den Fall, dass sie unruhig werden sollte. | |
Für ihre Einstellung „der Plenarsaal sei nur für Abgeordnete da, nicht für | |
Kinder und Babys“, erhielt Kjaersgaard Zustimmung vor allem aus ihrer | |
eigenen Partei, der rechtspopulistischen „Dänischen Volkspartei“. | |
Christian Juhl, linkes Mitglied des Parlamentspräsidiums versicherte | |
Abildgaard schon mal: „Wenn ich den Vorsitz führe, ist dein Kind immer | |
willkommen.“ Tatsächlich hatten in der Vergangenheit auch dänische | |
Abgeordnete Kinder im Plenarsaal dabei, ohne zurechtgewiesen worden zu | |
sein. | |
## Merkwürdige Entscheidungen | |
Mette Abildgaard hatte wohl das Pech, dass ausgerechnet Pia Kjaersgaard, | |
1995 Gründerin der Dänischen Volkspartei, bis 2012 deren Vorsitzende und | |
seit 2015 Parlamentspräsidentin, bei der fraglichen Abstimmung den Vorsitz | |
führte. | |
Schon mehrfach hatte sie in diesem Amt merkwürdige Entscheidungen gefällt. | |
Als im Februar ein Abgeordneter einen – wegen Verstosses gegen den | |
Rassismusparagrafen vorbestraften – Parteifreund Kjaersgaards wegen | |
rassistischer Äußerungen kritisierte, fiel ihm die Präsidentin aggressiv | |
ins Wort und verbat eine solche Wortwahl: „Solche Beschuldigungen gibt es | |
hier nicht.“ | |
Zum diesjährigen Frauentag twitterte sie, das sei ja der Tag, an dem sich | |
„gutbetuchte Frauen in ihrer Selbstgerechtigkeit widerspiegeln können“. Als | |
sie sich kürzlich öffentlich über einen Rechtschreibfehler im Schreiben | |
einer Unternehmerin lustig machte, kommentierte der Vorsitzende der | |
dänischen Dyslexie-Vereinigung: „Das ist so erniedrigend und einer | |
Parlamentspräsidentin unwürdig.“ | |
Ein Glück ist wohl, dass Kjaersgaard nicht dem isländischen Parlament | |
vorsitzt. Dort hatte sich niemand daran gestört, als die | |
Althing-Abgeordnete Unnur Brá Konráðsdóttir im Oktober 2016 ihre sechs | |
Wochen alte Tochter am Rednerpult stillte. | |
Demgegenüber hat man dort mit einer Politikerin wie Kjaersgaard durchaus | |
Probleme. Als sie als Repräsentantin Dänemarks im vergangenen Jahr zur 100 | |
Jahr-Feiner Islands im Althing eine Rede hielt, verließen mehrere | |
Abgeordnete unter Protest den Saal: Als eine „führende Repräsentantin des | |
Ausländerhasses in Europa“ und „Gründerin einer der menschenfeindlichsten | |
europäischen Parteien“ habe sie dort nichts verloren. | |
20 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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