# taz.de -- Palästinenser im Hungerstreik: Haft ohne Anklage und Beweise | |
> Der in Israel inhaftierte Maher al-Akras ist seit 77 Tagen im | |
> Hungerstreik. Ihm wird vorgeworfen, Mitglied des Islamischen Dschihad zu | |
> sein. | |
Bild: Will hungerstreiken bis zu Freilassung: von al-Akras' Familie verbreitete… | |
JERUSALEM taz | „Seine Situation verschlechtert sich immer mehr“, sagt | |
Ahlam Khadad, die Anwältin von Maher al-Akras gegenüber der taz: „Seit 77 | |
Tagen ist er nun im Hungerstreik und nimmt nur Wasser zu sich.“ | |
Al-Akras, 49, wurde am 27. Juli in der Nähe der Stadt Nablus im | |
Westjordanland auf der Grundlage von Geheimdienstinformationen verhaftet. | |
Kurz danach ist er im Gefängnis in einen Hungerstreik getreten. Anfang | |
September wurde er in ein Krankenhaus in Rehovot verbracht. | |
Der israelische Staat beschuldigt Akras, ein prominentes Mitglied der | |
Terrororganisation Islamischer Dschihad zu sein. Der Palästinenser jedoch | |
dementiert diese Anschuldigungen. | |
Eine offizielle Anklage von israelischer Seite wurde bisher nicht erhoben. | |
Die sogenannte Verwaltungshaft macht dies in Israel möglich. Verdächtige | |
können so ohne Anklageerhebung und ohne Beweispflicht festgehalten werden, | |
die Haft kann beliebig verlängert werden. In der Praxis sind dies oft | |
mehrere Monate bis hin zu Jahren. | |
Anat Matar, Philosophieprofessorin an der Tel Aviv Universität und | |
Herausgeberin des Buches „Bedrohung – palästinensische politische Gefangene | |
in Israel“ hält Verwaltungshaft für ein undemokratisches und beliebig | |
eingesetztes Werkzeug, systematisch angewandt gegen Palästinenser*innen: | |
„Die Inhaftierten sind alle nicht offiziell angeklagt und wissen nicht, | |
wann sie das Gefängnis verlassen können.“ | |
## Verteidigungsministerium stellt Freilassung in Aussicht | |
Laut Matar befinden sich derzeit 350 Personen in Verwaltungshaft. Auch die | |
Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Verwaltungshaft in | |
der Vergangenheit immer wieder kritisiert und zieht in Zweifel, dass diese | |
mit internationalem Recht in Einklang zu bringen ist. | |
In einer Verhandlung vor dem obersten Gerichtshof in der vergangenen Woche | |
legten die Staatsanwälte, die den Innengeheimdienst vertreten, dann doch | |
vermeintliche Beweise vor: Es läge eine Aufnahme vor, in der Akras in | |
seinem Krankenhausbett gesagt haben soll, er sei stolz darauf, dem | |
Islamischen Dschihad anzugehören. | |
Laut der israelischen Tageszeitung Haaretz sei allerdings von einem solchen | |
Satz nichts zu hören gewesen. Akras soll gelobt haben, seinen Hungerstreik | |
fortzusetzen, bis er freigelassen wird oder als Märtyrer stirbt. Er rief | |
auch dazu auf, die Al-Aksa-Moschee zu schützen und äußerte den Wunsch, dort | |
Gottesdienst zu halten. | |
Das israelische Verteidigungsministerium hat bereits in Aussicht gestellt, | |
Akras Ende November zu entlassen, die Verwaltungshaft werde nicht | |
verlängert. Doch das reicht der Anwältin von Akras nicht. Sie fordert die | |
sofortige Freilassung. „Sein Zustand ist kritisch, und dazu kommt die | |
Gefahr der Ansteckung mit Corona.“ | |
Am Montag findet vor dem Obersten Gericht eine weitere Anhörung statt, in | |
der über Akras’ Freilassung diskutiert wird. | |
11 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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