# taz.de -- Verwaltungshaft in Israel: Wenn Hungerstreiks zur Waffe werden | |
> Die Militärstaatsanwaltschaft versucht Hungerstreiks gegen die | |
> Verwaltungshaft zu beenden. Im Negev weigern sich weitere Häftlinge zu | |
> essen. | |
Bild: Nichten des hungerstreikenden Mohammed Allaan (Plakat) vor dem Eingang de… | |
Jerusalem taz | Der palästinensische Administrativhäftling Mohammed Allaan | |
soll umgehend auf freien Fuß gesetzt werden, wenn sich der Verdacht auf | |
einen irreversiblen Hirnschaden bestätigt. Noch hoffen Ärzte, die bei | |
Allaan am Mittwoch einen MRI vorgenommen haben, dass die vermutlich durch | |
Vitaminschaden entstandenen Schäden heilbar sind. Seit dem 18. Juni | |
befindet sich Allaan im Hungerstreik, um seine sofortige Freilassung oder | |
die Eröffnung eines Prozesses zu erzwingen. Israels anfängliches Angebot, | |
Allaan umgehend aus dem Gefängnis zu entlassen, sollte er sich | |
bereiterklären, für vier Jahre ins Exil zu gehen, lehnte er ab. | |
„Mein Mandant ist keine Bedrohung für die Sicherheit Israels“, kommentierte | |
Anwältin Saussan Saher am Mittwoch auf dem Weg zum Obersten Gerichtshof, wo | |
derzeit über den Fall verhandelt wird. „Er muss sofort auf freien Fuß | |
gesetzt werden.“ Die Militärstaatsanwaltschaft hatte gestern den 3. | |
November für eine Entlassung vorgeschlagen, der Termin, an dem die jeweils | |
auf sechs Monate angelegte Frist der Verwaltungshaft ausläuft. | |
Bereits vor zwei Wochen ließ die Gefängnisbehörde Allaan zur | |
Zwangsernährung in ein Krankenhaus einliefern. Vorläufig weigern sich die | |
Ärzte, die als „quälerisch“ und „lebensgefährlich“ geltende Maßnahme | |
anzuwenden. Im Barsilai-Krankenhaus in Ashkelon erhält der 31-Jährige | |
stabilisierende Mineralien und Vitamine. | |
Allaan hatte seinen Anwälten gegenüber angekündigt, sogar auf Wasser zu | |
verzichten, sollte es nicht innerhalb von 24 Stunden zu einer Lösung | |
kommen. Im Gefängnis Nafha in der Negev-Wüste sind nach palästinensischen | |
Angaben jetzt weitere 250 Verwaltungshäftlinge in den Hungerstreik | |
getreten. | |
## 401 Gefangene in Verwaltungshaft | |
In bislang drei Fällen willigten die Behörden ein, die Verwaltungshaft | |
infolge von langen Hungerstreiks nicht zu verlängern. Laut Gefängnisbehörde | |
hätten die Streikenden bei kollektiven Aktionen nie mehr erreicht, als | |
straffrei den Protest zu beenden. Die Haftanstalten reagieren mit einem | |
Besuch- und Fernsehverbot auf die kollektiven Aktionen. | |
In Ausnahmefällen werden Häftlinge in andere Anstalten verlegt. Israels | |
Minister für öffentliche Sicherheit Gilad Erdan lehnte die Beendigung der | |
Verwaltungshaft für Allaan strikt ab. Bei Terror gelte es „mit | |
Entschlossenheit vorzugehen, nicht mit Kompromissen“. Erdan war mit | |
federführend bei der Rechtsreform, die eine Zwangsernährung bei akuter | |
Lebensgefahr ermöglicht. | |
## Internationale Kritik wächst | |
Israel hält derzeit 5750 palästinensische Sicherheitshäftlinge fest, davon | |
sind 401 Palästinenser in Verwaltungshaft. Die umstrittene Maßnahme | |
ermöglicht es Israels Armee, sogenannte tickende Zeitbomben ohne | |
Rechtsverfahren und ohne jede Begründung auf unbestimmte Zeit festzuhalten. | |
Die Häftlinge werden zur jeweiligen Verlängerung der Haftzeit im | |
Sechs-Monats-Rhythmus einem Militärgericht vorgeführt. | |
Amnesty International (AI) verurteilte diese „willkürliche Internierung“. | |
Die Verwaltungshäftlinge seien „routinemäßig Folter und anderen | |
Mißhandlungen während der Festnahme und Verhören ausgesetzt“. In einem | |
aktuellen Bericht kritisiert AI die „schlechten Bedingungen“ in den Zellen | |
und das Verbot von Familienbesuchen für diese Häftlinge. | |
Ungeachtet der internationalen Kritik hält Israel an der umstrittenen | |
Maßnahme fest. Die Zahl der Verwaltungshäftlinge hat im Vergleich zum | |
Vorjahr sogar noch zugenommen. Im Frühjahr 2014 saßen 239 Palästinenser | |
ohne Verfahren hinter Gittern, im Herbst, als sich die Sicherheitslage | |
infolge der Entführung dreier junger Israelis im Westjordanland zuspitzte, | |
waren es 343. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon appellierte wiederholt an | |
Israel, die Häftlinge anzuklagen oder zu entlassen. | |
19 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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