# taz.de -- Ostermärsche der Friedensbewegung: Trotz Corona auf der Straße | |
> 2020 sind die Friedensdemos wegen der Pandemie ausgefallen. Dieses Jahr | |
> sind rund 100 Aktionen geplant. Die ersten starteten am Freitag. | |
Bild: Auftakt zu den Ostermärschen 2021: Diese Anti-Atom-Aktivistin demonstrie… | |
GRONAU taz | Mit Fahrradklingeln, weißen Friedenstauben auf blauem Grund | |
und Pace-Regenbogenfahnen, aber mit Abstand und Masken haben an Karfreitag | |
die ersten Ostermärsche für Abrüstung 2021 begonnen. Aktionen gab es im | |
münsterländischen Gronau und im rheinischen Jülich, aber auch in Chemnitz, | |
Neumünster und am Luftwaffen-Flugplatz Jagel bei Schleswig. In Erfurt | |
hatten Aktivist:innen schon am Donnerstag mit einer Mahnwache für | |
weniger Geld fürs Militär demonstriert. | |
Nachdem es 2020 Corona-bedingt nur Online-Proteste gegeben hatte, ruft die | |
Friedensbewegung an diesem Wochenende bundesweit [1][zu rund 100 | |
Präsenz-Aktionen auf]. Kundgebungen und Demonstrationen soll es etwa in | |
Berlin, Hamburg, Bremen und Hannover, aber auch in Frankfurt, München und | |
Stuttgart geben. Allein in Nordrhein-Westfalen werden mehrere tausend | |
Teilnehmer:innen erwartet. | |
Größte Aktion in NRW dürfte [2][der dreitägige Ostermarsch Rhein Ruhr | |
werden], der am Samstag in Duisburg beginnt und in der Landeshauptstadt | |
Düsseldorf fortgesetzt wird. Die zweite Tagesetappe führt als Fahrradcorso | |
nach Bochum. Am Ostermontag endet der Ostermarsch dann in Dortmund. Im | |
Stadtteil Dorstfeld, [3][der seit Jahren gegen die Präsenz von Neonazis | |
kämpft], wird gegen rechte Gewalt demonstriert. | |
„Bei der Sicherheit der Bürger:innen setzt die Bundesregierung seit | |
Jahren falsche Prioritäten“, kritisiert Joachim Schramm von der Deutschen | |
Friedensgesellschaft (DFG-VK), einer der Organisator:innen des | |
Ostermarschs Rhein Ruhr. Selbst in Pandemiezeiten sei der Militärhaushalt | |
auf jetzt 47 Milliarden Euro erhöht worden – mit 9,41 Prozent ist der Etat | |
des Verteidigungsministeriums der drittgrößte Posten im knapp 499 | |
Milliarden Euro umfassenden Bundeshaushalt 2021. | |
## 8,4 Prozent mehr Militärausgaben | |
Erst Mitte März präsentierte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg einen | |
Bericht, nachdem die Bundesrepublik ihre Militärausgaben allein im Jahr | |
2020 um 8,4 Prozent gesteigert hat. Nach Nato-Standards lagen sie sogar bei | |
51,6 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch Kosten für militärische | |
Forschung oder Unterstützungszahlungen für den Betrieb von Basen wie etwa | |
den Flugplatz Ramstein, den die USA bei Kaiserslautern nutzt und der als | |
unverzichtbar für Drohneneinsätze im Mittleren Osten gilt. Im Etat des | |
Verteidigungsministeriums tauchen diese Kosten aber nicht auf. | |
Die schon heute hohen deutschen Militärausgaben führten „zu der paradoxen | |
Situation, dass Bundeswehrsoldaten in Gesundheitsämtern und Impfstationen | |
aushelfen müssten, weil dort zu wenig Geld für Personal“ vorhanden sei, | |
sagt Friedensaktivist Schramm. Allein für den Ostermarsch Rhein Ruhr hofft | |
er deshalb auf mehr als 1.000 Demonstrant:innen. | |
„Wir merken, dass die Leute auf die Straßen wollen – und gerade unter | |
Corona-Bedingungen ist das ein Super-Erfolg“, sagt Kristian Golla vom | |
Netzwerk Friedenskooperative. Vergleichbar mit den Vorjahren seien die | |
aktuellen Zahlen der Demonstrant:innen sowieso nicht: So haben die | |
Behörden im bayerischen Rosenheim die Zahl der Teilnehmer:innen auf 50 | |
begrenzt. In Büchel in der Eifel, wo die USA Atombomben lagern und deutsche | |
Piloten deren Abwurf trainieren, dürfen maximal 75 Menschen protestieren. | |
Für alle, die pandemiebedingt nicht öffentlich demonstrieren wollen, gibt | |
es deshalb verschiedenste Online-Diskussionen. Auf [4][ostermarsch.de] | |
können Friedensaktivist:innen außerdem Fotos ihrer ganz persönlichen | |
Osteraktion hochladen. | |
## Fahrraddemo zur Urananlage | |
Auf der Straße protestiert haben an Karfreitag bereits etwa 150 Menschen im | |
Münsterland. „Atomwaffen ächten“ war das Motto ihrer drei Fahrraddemos, m… | |
denen sie zur Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau zogen. Dort | |
protestierten sie gegen deren zum Bau von Atomwaffen nutzbare | |
Zentrifugen-Technologie – trotz Atomausstieg besitzt die Anlage eine | |
unbefristete Betriebsgenehmigung. | |
„Ein Skandal“ sei das, erklärte Brigitte Hornstein von den Internationalen | |
Ärzten für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW). „Die Urananreicherung ist | |
wesentlicher Teil der Atomkette. Am Anfang stehen massive | |
Gesundheitsschäden beim Uranabbau – und am Ende Atomwaffen.“ | |
UAA-Betreiber Urenco war deshalb schon in den Siebziger Jahren | |
Spionageziel: Dem [5][pakistanischen Maschinenbauingenieur Abdul Khadir | |
Khan gelang es], atomares Know-How aus niederländischen Urenco-Anlage zu | |
schmuggeln. Heute gilt er als Vater des pakistanischen Atomwaffenprogramms | |
– und dürfte die Technologie auch an Nordkorea und den Iran weitergegeben | |
haben. | |
## „Schlüssel zur Atombombe“ | |
„Die Bundesregierung und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident, der | |
CDU-Bundeschef Armin Laschet, wollen an der Urananreicherung in Deutschland | |
festhalten“, sagte am Freitag Matthias Eickhoff von der Initiative | |
Sofortiger Atomausstieg. „Technisch ist sie der Schlüssel zur Atombombe, | |
politisch sichert sie einen Platz am Tisch der Großmächte.“ | |
Zwar habe SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze zum zehnten Jahrestag | |
der Reaktorkatastrophe von Fukushima am 11. März für ein Ende der deutschen | |
Urananreicherung geworben, sagt Eickhoff. „Doch wie ihrer SPD-Vorgängerin | |
Barbara Hendricks fällt ihr das leider erst gegen Ende ihrer Amtszeit ein.“ | |
Da Urenco aktuell wieder Lieferungen von Atombrennstoff in die Region | |
Fukushima plane, sei eine Stilllegung der UAA Gronau und der benachbarten | |
Brennelementefabrik Lingen „noch vor der Bundestagswahl“ überfällig. | |
Demonstriert wurde am Freitag deshalb auch in Jülich. Im dortigen | |
Forschungszentrum entwickelt die Urenco-Tochter Enrichment Technology | |
Company (ETC) die Zentrifugentechnik weiter. „Wer aus der Atomenergie | |
aussteigen und sich nicht an militärisch nutzbaren Atomprojekten beteiligen | |
will“, forderte Marita Boslar vom Aktionsbündnis Westcastor, „muss auch die | |
ETC in Jülich schließen“. | |
2 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.friedenskooperative.de/termine | |
[2] http://www.ostermarsch-ruhr.de/ | |
[3] /Rechtsextremismus-im-Ruhrgebiet/!5595208 | |
[4] http://www.ostermarsch.de | |
[5] /Archiv-Suche/!506916&s=Abdul+Khadir+Khan&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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