| # taz.de -- Opposition in Russland: Ein reiner Racheakt | |
| > Der linke Oppositionspolitiker Nikolaj Platoschkin muss laut | |
| > Gerichtsbeschluss weiter im Hausarrest bleiben. Er ist ernsthaft | |
| > erkrankt. | |
| Bild: Angst vor einer Opposition von links? Der Moskauer Kreml | |
| Berlin taz | Der Fall [1][Nikolaj Platoschkin] geht in die nächste Runde: | |
| Erneut hat ein Moskauer Gericht den Hausarrest für den russischen linken | |
| Oppositionspolitiker um weitere zwei Monate verlängert. | |
| Weggefährten und Angehörige Platoschkins fürchten um dessen Leben und | |
| Gesundheit. Der im Juni vergangenen Jahres in Moskau wegen angeblichen | |
| Aufrufen zu Massenunruhen und der Verbreitung von Fake-Meldungen zu | |
| Hausarrest verurteilte Chef der „Bewegung für einen neuen Sozialismus“ war | |
| im September wegen Präinfarktsymptomen in klinischer Behandlung. Im Januar | |
| wurde er stationär wegen einer Coronaviruserkrankung behandelt. | |
| Für einen Patienten mit dieser Vorgeschichte und Bluthochdruck, so seine | |
| Lebensgefährtin Angelika Glaskowa, die ebenfalls Vorstandsmitglied der | |
| „Bewegung für einen neuen Sozialismus“ ist, sei ein Verbot von Aufenthalten | |
| im Freien gesundheitsschädlich. Im Januar seien Platoschkins Lungenflügel | |
| zu 50 und 75 Prozent geschädigt gewesen, sagte Glaskowa der taz. | |
| „Manche Maßnahmen der Behörden scheinen mir ein reiner Racheakt an einem | |
| Mann zu sein, der es gewagt hat, eine Kandidatur gegen Wladimir Putin bei | |
| den Präsidentschaftswahlen öffentlich in Erwägung zu ziehen“, kommentierte | |
| Glaskowa das jüngste Urteil des Moskauer Basmanni-Bezirksgerichtes. | |
| ## Erinnerungen an Stalin | |
| Dabei habe es dieses Mal durchaus hoffnungsvolle Signale gegeben. So sei | |
| selbst die Richterin über das Verbot von Aufenthalten an der frischen Luft | |
| verwundert gewesen. Mit Rechtssprechung habe dieser Prozess wenig zu tun | |
| gehabt, so Glaskowa, die sich an Urteile während der Stalin-Zeit 1937 | |
| erinnert fühlt. | |
| Dass sich Russlands Machthaber vor dem Oppositionspolitiker, der gerne vor | |
| Hammer und Sichel auftritt und bei Nachwahlen im Fernöstlichen Chabarowsk | |
| zur Staatsduma im September 2019 mit knapp 25 Prozent die Kandidatin der | |
| Putin-Partei „Einiges Russland“ auf Platz drei verwiesen hatte, fürchten, | |
| ist verständlich. Platoschkin ist gerade bei denen, die immer noch von der | |
| Sowjetunion träumen, populär. Er hat knapp 590.000 Abonnenten bei Youtube. | |
| Manche seiner über tausend Youtube-Videos wurden mehr als eine Million mal | |
| geklickt. | |
| Auf 18 Seiten hatte das staatliche Ermittlungskomitee im November | |
| begründet, warum man dem Politiker Anstachelung zu Massenunruhen und | |
| Verbreitung von Fake-Nachrichten vorwirft. Tatsächlich jedoch macht sich | |
| das Ermittlungskomitee an keiner einzigen Stelle in diesem Dokument die | |
| Mühe, die Vorwürfe mit konkreten Zitaten oder zumindest Time-Codes der | |
| Youtube-Beiträge zu untermauern. | |
| „Ich sehe angesichts der Absurdität der Vorwürfe nicht, dass hier ein | |
| Urteil gegen Platoschkin umsetzbar ist“ sagte Sergej Davidis, Leiter des | |
| Programms zur Unterstützung politischer Gefangener beim | |
| Menschenrechtszentrum Memorial, der taz. Und schiebt nach: „Aber in der | |
| aktuellen Situation in unserem Land, wo wirklich absurde Vorwürfe zu einer | |
| Verurteilung führen, kann man leider gar nichts ausschließen.“ | |
| ## Mobilisierung linker Wähler*innen | |
| Die Machthaber hätten sich wohl vor ihm gefürchtet, könne er doch einen | |
| großen Teil der linken Wählerschaft für sich gewinnen. Offensichtlich habe | |
| man ihn zunächst zu einem Gegengewicht gegen die Kommunistische Partei | |
| aufbauen wollen. Doch dann habe man gemerkt, dass der sich als unabhängiger | |
| Politiker verstehende Platoschkin nicht so leicht zu manipulieren sei. Das | |
| Menschenrechtszentrum Memorial habe ihn als politischen Gefangenen | |
| anerkannt. „Dass unsere Positionen sehr weit von einander entfernt sind, | |
| spielt bei dieser Bewertung keine Rolle“, so Davidis. „Was Platoschkin | |
| gesagt habe, könne man nicht als Aufruf zu Massenunruhen verstehen. Eine | |
| tatsächliche Grundlage für die Vorwürfe gegen Platoschkin ist nicht | |
| erkennbar“ erklärte Peter Franck, Sprecher der Arbeitsgruppe Russland der | |
| deutschen Sektion von Amnesty International, gegenüber der taz. „Das ist | |
| eine Verfolgung aus politischen Gründen“ so Franck, der im Namen von | |
| Amnesty International Platoschkins Freilassung fordert. | |
| 2 Apr 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Clasen | |
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