| # taz.de -- Treffen russischer Oppositionspolitiker: Rund 200 Festnahmen | |
| > Bei einem oppositionellen Treffen in Moskau wurden viele Teilnehmer | |
| > festgenommen. Der US-Außenminister fordert ein Ende der „Verfolgung | |
| > unabhängiger Stimmen“. | |
| Bild: Ein Demonstrant in Moskau wird festgenommen | |
| Moskau dpa/afp | Bei einer Razzia gegen [1][ein Treffen russischer | |
| Oppositioneller] haben Sicherheitskräfte in Moskau fast alle Teilnehmer | |
| festgenommen. Das Innenministerium sprach nach der Veranstaltung am Samstag | |
| von rund 200 Festnahmen. Abgeführt und in Gefangenentransporter gesteckt | |
| wurden unter anderen die bekannten Politiker Wladimir Kara-Mursa, Ilja | |
| Jaschin, Andrej Piwowarow und Jewgeni Roisman. | |
| Erst nach Stunden kamen sie wieder frei. Nach der Festnahme forderte | |
| US-Außenminister Antony Blinken [2][ein Ende der „Verfolgung unabhängiger | |
| Stimmen“]. Die Teilnehmer des Lokalpolitiker-Treffens seien „aus | |
| zweifelhaften Gründen“ festgenommen worden, schrieb Blinken am Samstag | |
| (Ortszeit) bei Twitter. | |
| Es hatte eigentlich das erste große Oppositionstreffen im Jahr der | |
| Parlamentswahl werden sollen – und die erste größere regierungskritische | |
| Veranstaltung seit den Massenprotesten für die Freilassung des inhaftierten | |
| Kremlgegners Alexej Nawalny zu Jahresbeginn. Zwei Tage lang wollten die | |
| Politiker in einem Hotel im Nordosten Moskaus – nicht nur, aber auch mit | |
| Blick auf die Abstimmung im September – Wahlkampf-Strategien erarbeiten. | |
| Nach nicht einmal 30 Minuten wurden sie gestoppt. | |
| Die ersten Redner hatten auf dem Podium gerade erklärt, dass man als | |
| Oppositioneller in Russland keine Angst haben dürfe, wenn man politischen | |
| Wandel wünsche, da betraten zahlreiche Polizisten den Saal und führten die | |
| Menschen nach und nach ab. „Schande, Schande“, riefen Umstehende immer | |
| wieder. Auch mehrere Journalisten wurden in dem Veranstaltungsraum | |
| zeitweise festgehalten. | |
| ## „Eine repressive Maschine“ | |
| Die Polizisten begründeten ihr Vorgehen mit der Tätigkeit einer „in | |
| Russland unerwünschten Organisation“. Gemeint war offenbar die Organisation | |
| „Offenes Russland“ des im Westen lebenden früheren russischen Ölmanagers | |
| Michail Chodorkowski, für die sich sowohl Kara-Mursa als auch Piwowarow | |
| engagieren und die in Russland vor einigen Jahren als „unerwünscht“ erklä… | |
| wurde. | |
| Unabhängige russische Medien wiesen allerdings darauf hin, dass hinter dem | |
| Treffen das nicht verbotene Projekt „Vereinigte Demokraten“ stehe. Später | |
| hieß es dann von der Polizei, die Veranstaltungsteilnehmer hätten gegen | |
| Corona-Schutzauflagen verstoßen.Kara-Mursa selbst veröffentlichte kurz nach | |
| seiner Festnahme ein Foto, das ihn in einem Polizeitransporter zeigt. | |
| Stunden später zeigte er sich nach seiner Freilassung wenig überrascht von | |
| den Geschehnissen: In Russland wirke „eine repressive Maschine“, die | |
| mittlerweile ein Eigenleben entwickelt habe, erklärte er. | |
| Auch andere Veranstaltungsteilnehmer meldeten sich per Videobotschaft von | |
| Polizeiwachen, auf denen sie vorübergehend festgehalten wurden, und | |
| berichteten, dass gegen sie nun Verfahren wegen der Zusammenarbeit mit | |
| einer „unerwünschten Organisation“ liefen. Die russische Opposition beklagt | |
| immer wieder schwere Verstöße der Sicherheitsbehörden gegen das Recht auf | |
| Versammlungsfreiheit. In der Vergangenheit scheiterten immer wieder | |
| Versuche Andersdenkender, sich zu versammeln und zu organisieren. | |
| Zu dem nun aufgelösten Treffen in Moskau waren Kommunalpolitiker | |
| verschiedener Parteien aus ganz Russland angereist. Unter dem Motto | |
| „Kommunales Russland“ wollten sie sich vernetzen, um so langfristig das | |
| Machtmonopol der Kremlpartei „Geeintes Russland“ zu brechen. Einige Medien | |
| hatten das zuvor als Schulterschluss der Bewegung Chodorkowskis mit | |
| Unterstützern Nawalnys interpretiert. Letztere werben immer wieder für das | |
| Prinzip der „klugen Abstimmung“ bei Wahlen: Wähler sollen demnach für | |
| beliebige Kandidaten stimmen – nur nicht für die der Kremlpartei. | |
| Nawalnys Team äußerte sich umgehend zu den Festnahmen in Moskau. Es sei | |
| völlig klar, warum die Veranstaltung beendet worden sei, hieß es im | |
| Nachrichtenkanal Telegram: „Die Mächtigen haben Angst vor jeglicher | |
| Konkurrenz bei den Wahlen, deshalb schüchtern sie ihre Opponenten ein.“ | |
| ## Unterstützer Nawalnys fürchten, dass er im Straflager ist | |
| Die Anwälte des 44 Jahre alten inhaftierten Oppositionsführers beklagten | |
| außerdem, dass sie erneut nicht wüssten, wo ihr Mandant festgehalten werde. | |
| Am Freitag hatten sie erklärt, dass er aus einem Untersuchungsgefängnis im | |
| Gebiet Wladimir rund 100 Kilometer östlich von Moskau fortgebracht worden | |
| sei. Seitdem fehle jedes Lebenszeichen von ihm. | |
| Die Unterstützer des Oppositionellen vermuteten, dass Nawalny nun in eines | |
| der gefürchteten russischen Straflager gebracht worden sein könnte. | |
| [3][Anfang Februar hatte ihn ein Moskauer Gericht in einem international | |
| heftig kritisierten Urteil zu mehreren Jahren Haft verurteilt.] Die | |
| russische Justiz wirft ihm vor, gegen Bewährungsauflagen in einem früheren | |
| Strafverfahren verstoßen zu haben, während er sich in Deutschland von einem | |
| Giftanschlag erholte. | |
| Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut | |
| Lewada eine Umfrage, laut derer derzeit nur 27 Prozent der Russen bei der | |
| Dumawahl für einen Kandidaten von „Geeintes Russland“ stimmen würden. | |
| Experten wiesen allerdings darauf hin, dass der Wahlkampf noch nicht | |
| begonnen habe und der Wert dann wieder deutlich steigen dürfte. Außerdem | |
| befürchten Kritiker, dass es zu Manipulationen und Wahlfälschungen kommen | |
| könnte. | |
| 14 Mar 2021 | |
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| [1] /Russische-Opposition/!t5037746 | |
| [2] https://twitter.com/SecBlinken/status/1370888353256726529 | |
| [3] /Festnahme-von-Alexej-Nawalny/!5741776 | |
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