# taz.de -- Opposition in Russland: Nawalny in Moskau verhaftet | |
> Vor der Wahl zum Moskauer Stadtparlament spitzt sich die Lage zu. Der | |
> prominente Oppositionspolitiker Alexei Nawalny ist in Polizeigewahrsam. | |
Bild: Demo gegen Wahlmanipulation in Moskau am Samstag | |
MOSKAU taz | Alexei Nawalny wollte am Mittwochmorgen nur eine Runde joggen. | |
Vor dem Haus empfingen den russischen Oppositionellen Moskaus | |
Sicherheitskräfte, die ihn auf eine Polizeiwache brachten. Nawalny teilte | |
dies über Instagram mit. Über den Radiosender Echo Moskau entschuldigte er | |
sich bei seiner Ehefrau: Zu ihrem Geburtstag werde sie wohl nun keine | |
Blumen mehr von ihm bekommen. | |
Grund und Dauer der Festnahme wurden nicht genannt. Vermutlich sind die | |
umstrittenen Wahlen zum Moskauer Stadtparlament am 8. September der Anlass. | |
Dutzende oppositionelle Bewerber wurden im Vorfeld von der Wahlkommission | |
aus fadenscheinigen Gründen nicht zur Wahl zugelassen. Letzte Woche fanden | |
jeden Abend Protestveranstaltung der ausgesperrten Bewerber auf dem | |
Moskauer Trubnaja Ploschtschad mit einigen hundert Demonstranten statt. | |
Am Samstag ließ die Stadt sogar eine Großveranstaltung zu, an der auch | |
Nawalny teilnahm: Mehr als 20.000 Demonstranten versammelten sich auf dem | |
Prospekt Sacharow, wo 2011 und 2012 Massenproteste gegen den Wahlbetrug der | |
Putin-treuen Partei Einiges Russland (ER) stattfanden. Nawalny forderte: | |
„Entweder werden bis zum nächsten Samstag alle Kandidaten registriert, oder | |
wir treffen uns am Samstag auf einer Demo vor dem Rathaus!“ Die | |
tausendköpfige Menge stimmte mit trillernden Pfeifen zu. Moskaus Führung | |
nannte dies einen unzulässigen Versuch, auf Entscheidungsträger | |
einzuwirken. | |
Die [1][Manipulationsversuche bei der Zulassung von oppositionellen | |
Bewerbern] sind inzwischen schon Legende. Mal konnte die Identität eines | |
Bewerbers wegen eines fehlenden Buchstabens oder einer Ziffer nicht | |
bestätigt werden. Bei vielen wurden auch Unterschriften nicht anerkannt, | |
etwa die der Schwester der Kandidatin Ljubow Sobols, die als Zeichnung | |
abgetan wurde. Eigens angestellte Grafologen sollten die Bewerber | |
überführen. Unabhängige Kandidaten müssen mindestens drei Prozent der | |
Wähler ihres Bezirks für eine Unterschrift gewinnen. Entsprechen mehr als | |
zehn Prozent der Signaturen nicht den Anforderungen, sind alle | |
Unterschriften ungültig. | |
## 160.000 Unterschriften für ungültig erklärt | |
Moskaus Bürgermeister war davon ausgegangen, dass die Systemfremden schon | |
an diesem Filter scheitern würden. Das ist nicht eingetroffen, da viele | |
Moskauer aus Wut auf die Machthaber inzwischen gerne unterzeichnen. Am | |
Samstag standen Kandidaten auf der Bühne, deren Unterschriften für ungültig | |
erklärt wurden: 160.000 Bürgern wurde damit das Wahlrecht entzogen. | |
Dadurch spitzt sich die Stimmung vor der Kommunalwahl weiter zu. Für die 45 | |
Sitze der Stadtverordnetenversammlung wurden 233 Bewerber zugelassen und 57 | |
abgelehnt. Unter den Abgewiesenen sind vor allem Oppositionelle, die über | |
Moskau hinaus bekannt sind. Etwa Ilja Jaschin, Wegbegleiter des 2015 | |
ermordeten Boris Nemzow, oder die Anwältin Ljubow Sobol aus Nawalnys Fond | |
Kampf gegen Korruption. Sie trat vor elf Tagen in den Hungerstreik, als sie | |
von der Ablehnung erfuhr. | |
Die heterogene Opposition zieht diesmal an einem Strang, für Russland eine | |
neue Erfahrung. Auch der Umstand, dass die herrschende Partei ER ihre | |
Bewerber als unabhängige Kandidaten in die Wahl schickt, da Kremlvertreter | |
nur geringe Wahlchancen haben. Eigentlich müssten sie als Parteilose auch | |
auf Unterschriftenjagd gehen. Für sie wird das jedoch in Schreibbüros | |
organisiert, ohne Kontrolle versteht sich. | |
Die Dreistigkeit beim Stimmenbetrug kennt keine Grenzen, Beobachter | |
sprechen auch von Torschlusspanik. | |
24 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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