# taz.de -- Old Time Music von Layla McCalla: Im Boot zwischen Louisiana und Ha… | |
> Leyla McCalla fand in New Orleans zur Musik ihrer Vorfahren. Nun | |
> präsentiert die Cellistin und Sängerin kreolische Songs in Deutschland. | |
Bild: Leyla McCalla mit dem Cello, einem unterbewerteten aber wirkmächtigen In… | |
Auf dem Jazz and Heritage Festival in New Orleans so etwas wie eine innige | |
Konzertatmosphäre herzustellen, ist schier aussichtslos. Zum Glück tritt | |
Leyla McCalla auf der Bühne im Innenhof des Rennbahngebäudes auf, während | |
draußen mehrere zehntausend BesucherInnen auf das Festivalgelände strömen. | |
Im Handumdrehen nimmt die 30-jährige Cellistin, Gitarristin und Sängerin | |
ihr Publikum für sich ein und mit auf eine Reise durch afroamerikanischen | |
Folk aus Louisiana, haitianische Traditionals und auf ihr eigenes Boot, das | |
sinnbildlich für Geschichten von Flucht, Einwanderung und Ankommen steht. | |
McCallas Stimme weht zugleich zart und kraftvoll durch die Mittagsluft, ihr | |
schnörkelloser Gesang in lauschverwöhnenden Timbres erreicht die | |
Gefühlswelten aller Anwesenden. | |
Mühelos wechselt sie zwischen Tenorbanjo und Cello, die Bratschistin Free | |
Feral und Daniel Tremblay, der seinerseits mal Gitarre, Banjo oder Triangel | |
spielt, reagieren im Verbund kongenial aufeinander. Um Anekdoten aus ihrer | |
Musikerinnenlaufbahn ist Leyla McCalla nicht verlegen und erzählt zwischen | |
den Songs etwa, wie sie in New Orleans mit Straßenmusik begann. Vor einem | |
Restaurant spielte sie Werke von Bach auf dem Cello, einer der Mitarbeiter | |
sagte ihr, wenn sie richtig Geld verdienen wolle, sollte sie besser | |
Dixieland lernen. | |
Diese Form des Schrammel-Jazz ist in den Straßen von New Orleans | |
allgegenwärtig und wird vornehmlich von weißen Jünglingen dargeboten. Aber | |
McCalla war 2010 nicht in die Stadt am Mississippi River gezogen, um bloß | |
Musik an der Oberfläche bekannter Mythen zu machen, sie wollte sich lieber | |
ihrem reichen historischen Erbestellen und es für sich zurückzugewinnen. | |
Deshalb griff McCalla zum Banjo, dessen Geschichte in den Vereinigten | |
Staaten mit Stereotypen schwarzer MusikerInnen aufgeladen ist. | |
„Mit diesen klassischen Darstellungen aus der Blackface Minstrelsy wollen | |
sich Schwarze nicht identifizieren, das ist zu schmerzhaft,“ erzählt | |
McCalla beim Gespräch in ihrem Haus in Holy Cross, einem Bezirk des Lower | |
Ninth Ward im Osten der Stadt. „Dass Schwarze im Zuge der Migration in die | |
Städte im Norden urbane Lebensstile annahmen hat dazu geführt, dass die | |
Vorstellung eines Schwarzen ,auf dem Land’ etwas Furchterregendes bekam,“ | |
erklärt McCalla die schwierige Rückbesinnung auf schwarze Folk-Traditionen. | |
Prägend für ihre Hinwendung zu Liedern aus Louisiana und Haiti war die | |
Mitwirkung in der Band Carolina Chocolate Drops, der ersten schwarzen Band | |
mit Streichern, die sich unter Leitung der Sängerin und | |
Multiinstrumentalistin Rhiannon Giddens dezidiert der Old-Time-Musik | |
widmete. | |
## Twoubadou-Musik aus Haiti | |
Zwischen langen und kräftezehrenden Touren mit der Band vertieft sich | |
McCalla in New Orleans immer mehr in Cajun und Country, das Banjo findet | |
sie ebenfalls in der Twoubadou-Musik aus Haiti wieder. „Es ist ein | |
Instrument der Sklaverei,“ meint McCalla. „Ich wollte mehr über seinen | |
Klang in den verschiedenen Musiken herausfinden. Da es die gleichen Saiten | |
wie das Cello hat, habe ich seinen Entwurf unmittelbar verstanden.“ | |
McCalla begann im Alter von acht Jahren, Cello zu spielen. Geboren ist sie | |
in New York als Tochter haitianischer und politisch aktiver Eltern, die sie | |
und ihre Schwester in New Jersey großzogen. Zwar sprechen ihre Eltern | |
Haitian Creole und sie beherrscht die Sprache nach einem Sommer bei ihrer | |
Großmutter auf Haiti im Jahr 1995 ebenfalls fließend, doch erst die Songs | |
des haitianischen Singer-Songwriters Manno Charlemagne und die kreolische | |
Sprache Louisianas bringen sie wieder in Berührung mit diesem Erbe. | |
Während ihres klassischen Cello-Studiums am Smith College und an der New | |
York University entdeckt sie bei einem Konzert von Rufus Cappadocia, dass | |
sie mit dem Instrument auch in anderen musikalischen Stilen heimisch werden | |
kann. New Orleans ist schließlich der fruchtbarste Nährboden für die | |
Verbindung kreolischer Traditionslinien auf dem Cello und die | |
Auseinandersetzung mit historischen Cajun-Fiddlers wie Canray Fontenot und | |
Bebe Carriere. Ihr Video mit einem der außergewöhnlichsten aktuellen | |
Vertreter kreolischer Musik, dem Fiddler Cedric Watson, haben seit dem 21. | |
April bereits über eine halbe Million Menschen angeklickt. Songs von | |
Fontenot, Carriere und Charlemagne präsentiert Leyla McCalla nun auf der | |
Tour zu ihrem neuen Album „A Day For The Hunter, A Day For The Prey“, | |
erstmals in Deutschland. | |
Der Titel- und zugleich Eröffnungsong aus ihrer Feder beschreibt den Beginn | |
einer Reise auf einem Boot. Mit der Ansage des Songs beim Konzert in New | |
Orleans erinnert sie das Publikum an die Boatpeople aus Haiti, die in den | |
USA bis heute nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Das Album endet mit | |
„Minis Azaka“, einer traditionellen Anrufung aus dem haitianischen Voodoo. | |
Darin werden die Götter um Hilfe gebeten, nachdem das Boot am Ende der | |
Reise gekentert ist. „Das ist eine Metapher für das Leben an sich, dazu | |
kann sich jedeR in Beziehung setzen,“ ist McCalla überzeugt. In beiden | |
Booten bereist sie weitere Bühnen. | |
10 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Franziska Buhre | |
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