| # taz.de -- Kanadischer Saxofonist Jowee Omicil: Luna sei Dank | |
| > Der kanadisch-haitianische Jazzsaxofonist Jowee Omicil ist Kosmopolit – | |
| > und in Deutschland noch ein Unbekannter. Das muss sich ändern. | |
| Bild: Spielt Saxofon und Trompete: Jowee Omicil | |
| Was wäre die Musikhistorie ohne die Nacht? Arm an Geschichten von | |
| Insomnie-geplagten Geistern, die nach dem Gig übermüdet ins Studio stolpern | |
| und Musik für die Ewigkeit hinterlassen. Nach den Sternen greift Jowee | |
| Omicil nicht, der Vollmond reichte ihm. Im Oktober 2015 stand der | |
| Erdtrabant bei Avignon vier Nächte am Himmel. Drunten versammelte der | |
| Kanadier mit haitianischen Wurzeln elf Musiker. Luna sei Dank, entstand | |
| viel Material, aus dem Omicil bislang zwei Alben extrahiert hat. Das erste, | |
| „Let’s Bash!“ erschien 2017, das zweite, „Love Matters“, hat er vor K… | |
| veröffentlicht. Beide Werke rufen wach, wovon immer seltener zu hören ist: | |
| von Musikern, die Gemeinschaft zelebrieren. | |
| Und so zählt Omicil in dem soulful groovenden Song [1][„Let’s Just Bash!�… | |
| nach seinen Exkursionen auf dem Sopransaxofon alle Musiker der Reihe nach | |
| auf: Kollegen aus Guadeloupe, Martinique, Guinea, Liberia, | |
| Französisch-Guyana, Kamerun und Serbien. Beim Gespräch am Telefon weilt | |
| Omicil gerade in Paris, genauso gut könnte er in Montreal oder Miami sein. | |
| „Gefühlt bleibe ich nie länger als einen Monat an einem Ort, ich bin | |
| Nomade“, sagt der 41-Jährige. | |
| Selbstverständlich sind an beiden Alben Reggae-Rhythmen präsent, ebenso | |
| liebevolle Anleihen bei Thelonious Monk, Mozart und Fela Kuti. Der | |
| Liberianer aus Brooklyn, Kona Khasu, reichert die meisten Songs auf beiden | |
| Alben mit E-Bass und Kontrabass an. Omicil selbst spielt Saxofon, | |
| Piccoloflöte, Klarinette, Kornett und singt. | |
| Geboren ist Omicil 1977 in Montreal, wo etwa 100.000 Haitianer leben. Sein | |
| Vater, ein Pastor, spricht französisch und spielt zu Hause Musik von | |
| Charles Aznavour – bloß keinen Kompa, die haitianische Popmusik, bloß kein | |
| Rara, einen Stil, der im Voodoo wurzelt und zum Karneval gespielt wird. | |
| „Für meinen Vater war das Teufelszeug. Ich habe das beim Sportunterricht | |
| gehört, die Erwachsenen brachten Tapes mit, um uns zu motivieren. Zum | |
| Karneval ging ich heimlich.“ | |
| ## Kräftige Mischung | |
| Omicil lernt das haitianische Kreolisch, das sein Vater nur spricht, wenn | |
| er schimpft. Kreolisch wird auch auf den Französischen Antillen | |
| gesprochen, aber Leute aus Haiti und Martinique können sich nicht unbedingt | |
| verständigen. Die französische Kolonialisierung prägte die Geschichte der | |
| Inseln, nur Haiti wurde 1804 ein unabhängiger Staat. Omicil betrachtet das | |
| nüchtern: „Wir sind alle kolonisiert worden, sei es durch Briten, Franzosen | |
| oder Portugiesen. Ich identifiziere mich mit der Mischung, die als | |
| kreolisch angesehen wird. Für mich ist sie eine Kraft, eine ganze Welt.“ | |
| Den Karneval auf Haiti liebt er: „Das ist der heißeste. Wegen der | |
| Unabhängigkeit haben die Menschen dort noch immer diesen kämpferischen | |
| Instinkt. Ich verwende [2][Rara-Codes] in meiner Musik. Diese Klänge sind | |
| sehr spirituell. ‚Rara‘ bedeutet ‚Straße‘; wir haben die Geister der S… | |
| angerufen während der Aufnahmen. Das setzt sehr viel Energie frei.“ | |
| Studiert hat Omicil am angesehenen Berklee College of Music in Boston. Er | |
| gab Musikunterricht an Schulen und arbeitete in Krankenhäusern, um sich | |
| das Stipendium zu verdienen. 2001 zieht er nach New York, 2006 erscheint | |
| sein Debütalbum. | |
| Bald darauf macht er Station in Miami. Dort lernt er den haitianischen | |
| Singer-Songwriter Manno Charlemagne kennen. Charlemagne war von 1995 bis | |
| 1999 Bürgermeister von Port-au-Prince und opponierte gegen den Diktator | |
| Jean-Claude Duvalier und gegen die Militärdiktatur unter Raoul Cédras. | |
| Der lädt Omicil auf die Bühne des „Tap Tap“ ein, Miamis berühmtestes | |
| haitianisches Restaurant. „Er war eine wandelnde Enzyklopädie,“ schwärmt | |
| Omicil. „Mit ihm zu spielen war lebendige Geschichte. Seine Liebe zu Haiti | |
| und den Menschen dort war deutlich zu spüren. Er hat mir Mut gemacht. Ich | |
| vermisse ihn schmerzlich.“ | |
| Im Dezember 2017 starb Charlemagne im Alter von 69 Jahren. Jowee Omicil | |
| macht in seinem Sinne weiter. In Deutschland war er bisher noch nicht mit | |
| eigener Band zu hören. Das muss sich ändern! | |
| 12 Oct 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=VWvbzRAnqms | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=r8-FUM1IrsI | |
| ## AUTOREN | |
| Franziska Buhre | |
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