| # taz.de -- Offener Brief deutscher Medien: Ortskräfte aus Afghanistan holen | |
| > Die taz unterstützt Medien-Petition: Deutschland muss auch den | |
| > journalistischen HelferInnen die Ausreise ermöglichen. | |
| Bild: Journalist bei der Arbeit nachdem die Taliban den Leiter des Informations… | |
| Berlin taz | Nicht nur die Bundeswehr und Entwicklungsorganisationen, auch | |
| die Medien waren in den vergangenen 20 Jahren in Afghanistan auf Ortskräfte | |
| angewiesen. Es waren ÜbersetzerInnen, JournalistInnen, MitarbeiterInnen, | |
| die eine Berichterstattung aus dem Kriegs- und Krisenland erst möglich | |
| gemacht haben. Die taz schließt sich deshalb dem Appell der Verlags- und | |
| Medienhäuser an die deutsche Bundesregierung an: Deutschland muss allen die | |
| wollen, unverzüglich und unbürokratisch die Möglichkeit zur Ausreise | |
| gewähren. | |
| Barbara Junge, Ulrike Winkelmann, Chefredakteurinnen der taz | |
| ********************************************** | |
| Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Außenminister, | |
| Dieser Brief ist ein Hilferuf. Er ist unterschrieben von den Verlagen, | |
| Redaktionen, Sendern und Medienhäusern in Deutschland, die in den | |
| vergangenen 20 Jahren maßgeblich die Berichterstattung aus Afghanistan | |
| getragen haben. Unsere Berichterstattung, die die deutsche Öffentlichkeit | |
| und Politik mit Analysen, Erkenntnissen und Eindrücken aus dem Land | |
| versorgt hat, war nicht denkbar ohne den Einsatz und den Mut der | |
| afghanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns vor Ort unterstützt | |
| haben: den lokalen JournalistInnen, Stringern und ÜbersetzerInnen. | |
| All die Jahre teilten auch sie unseren Glauben an die freie Presse als | |
| unverzichtbares Element einer stabilen, friedlichen, auf Ausgleich | |
| bedachten Demokratie – ein Wert, den die deutsche Regierung in den letzten | |
| 20 Jahren in Afghanistan stark unterstützte. Das Leben dieser freien | |
| MitarbeiterInnen ist nun akut gefährdet. Der Krieg überrollt die | |
| afghanische Regierung in vielen Provinzen. Selbst das Leben in Kabul ist | |
| für MitarbeiterInnen internationaler Medienorganisationen extrem riskant | |
| geworden. | |
| Nach dem Rückzug der internationalen Truppen, auch der deutschen, wachsen | |
| die Sorgen, dass es gegenüber unseren MitarbeiterInnen zu Racheakten der | |
| Taliban kommt. Allein in den vergangenen Wochen wurde der weltbekannte | |
| Fotograf Danish Sidiqqi in Kandahar erschossen, starb eine | |
| Fernsehjournalistin in Kabul bei einem Bombenanschlag. Amdadullah Hamdard, | |
| der häufig für die ZEIT gearbeitet hat, wurde vor seinem Haus in Jalalabad | |
| erschossen. | |
| Dutzende Journalisten wurden in den vergangenen Jahren ermordet, von den | |
| Taliban, vom „Islamischen Staat“, von Unbekannten. Und fast nie hat die | |
| Regierung die Täter ermittelt. Es steht zu befürchten, dass diese Morde | |
| jetzt dramatisch zunehmen werden – und viele unserer Mitarbeiter sind | |
| bedroht. Internationalen Menschenrechtsorganisationen zufolge gibt es | |
| weltweit kaum ein Land, in dem JournalistInnen mittlerweile so gefährdet | |
| sind wie in Afghanistan. | |
| Wir rufen Sie hiermit auf, ein Visa-Notprogramm für afghanische | |
| MitarbeiterInnen deutscher Medienhäuser einzurichten. Wir schließen uns | |
| damit Appellen britischer und US-amerikanischer Medien an ihre jeweiligen | |
| Regierungen an. Die deutsche Regierung hat in den vergangenen Jahren | |
| mehrfach die zentrale Rolle anerkannt, die afghanische Übersetzer für die | |
| Bundeswehr innehatten und die immense Gefahr, der sie wegen ihrer Tätigkeit | |
| ausgesetzt waren und sind. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung für sie | |
| ein außerordentliches Visa-Programm geschaffen. | |
| Ein solches Programm wird nun auch für die MitarbeiterInnen deutscher | |
| Medienhäuser dringend benötigt. Ohne diese mutigen Afghanen hätten die | |
| deutsche Öffentlichkeit und die Politik nicht über die Rahmenbedingungen | |
| des 20-jährigen Bundeswehr-Einsatzes informiert werden können. Für das | |
| Engagement der Bundesrepublik in Afghanistan war die Arbeit dieser Menschen | |
| ebenso unverzichtbar wie die der BundeswehrÜbersetzer. | |
| So groß die Bedeutung dieser MitarbeiterInnen ist, so überschaubar ist ihre | |
| Zahl, die nicht mehr als wenige Dutzend Menschen umfasst, einschließlich | |
| ihrer Familien. Vergangene Woche hat die Biden-Administration nach | |
| ähnlichen Appellen der US-Medien, die dramatisch gestiegene Gefahr, die | |
| Mitarbeiter ausländischer Medien ausgesetzt sind, anerkannt und sie in ihr | |
| Flüchtlings-Programm für Afghanistan mitaufgenommen. | |
| Die britische Regierung hat angedeutet, dass auch sie eine ähnliche | |
| Entscheidung vorbereitet. Wir sind der Überzeugung: Es gilt jetzt, keine | |
| Zeit mehr zu verlieren. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das | |
| Land verlassen wollen, drohen Verfolgung, Verhaftung, Folter und der Tod. | |
| Deshalb bitten wir Sie, rasch zu handeln. | |
| ************************************************** | |
| Eine gemeinsame Initiative von Bundesverband Digitalpublisher und | |
| Zeitungsverleger (BDZV), Der Spiegel, Deutsche Welle, Deutschlandradio, Die | |
| Zeit, dpa, Reporter ohne Grenzen, RTL, Stern, Süddeutsche Zeitung und taz. | |
| 15 Aug 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
| Barbara Junge | |
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