# taz.de -- Nothilfen für Studierende wegen Corona: Karliczek legt nach | |
> Die Bildungsministerin verlängert die Corona-Überbrückungshilfe für | |
> Studierende in Not. Betroffenen und Opposition geht das nicht weit genug. | |
Bild: Ein Herz für Studis: Bildungsministerin Karliczek | |
BERLIN taz | Studierende sollen wegen der Coronapandemie weiter finanziell | |
unterstützt werden. Das kündigte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek | |
(CDU) am Freitag in Berlin an. So sollen Studierende, die sich in einer | |
„coronabedingten Notsituation“ befinden, wie schon in den Monaten Juni bis | |
September [1][bis zu 500 Euro im Monat] als Zuschuss erhalten können. | |
Diese Überbrückungshilfe werde dieses Mal über das ganze Wintersemester | |
ausbezahlt, versprach Karliczek. Davon sollen vor allem die Studierenden | |
unterstützt werden, die während der Pandemie ihren Nebenjob verloren haben. | |
Zudem soll der KfW-Studienkredit bis Ende 2021 zinsfrei bleiben. „Mit dem, | |
was wir den Studierenden jetzt anbieten, haben wir passend und gut | |
gehandelt“, sagte Karliczek. | |
Damit verlängert das Bildungsministerium (BMBF) die beiden Hilfen, die | |
Studierende seit Mai beziehungsweise Juni beantragen können. Seither haben | |
39.000 Studierende zusätzlich einen KfW-Kredit beantragt. Die | |
Überbrückungshilfe über maximal 500 Euro wurde laut Karliczek rund | |
155.000-mal bewilligt. Rund ein Drittel der geförderten Studierenden kommen | |
aus dem Ausland. | |
Viele Betroffene kritisieren jedoch, dass [2][die Hilfen zu spät] gekommen | |
und auch vielen Bedürftigen vorenthalten worden seien. So wurde | |
beispielsweise fast die Hälfte der im Juni gestellten Anträge auf | |
Überbrückungshilfe abgelehnt. Über den gesamten Zeitraum betrachtet liegt | |
die Quote der Ablehnungen laut BMBF bei 37 Prozent. | |
Karliczek bessert nach | |
Oft hätten die Studierenden nicht nachweisen können, dass ihre Notlage auf | |
die Pandemie zurückzuführen sei, sagte Achim Meyer auf der Heyde, | |
Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Die Studenten- und | |
Studierendenwerke sind für die Bearbeitung der Anträge und Auszahlung der | |
Nothilfe zuständig. Insgesamt seien 68 Millionen Euro ausbezahlt worden. | |
Meyer auf der Heyde bezeichnete das als „Kraftakt“. | |
Bildungsministerin Karliczek kündigte an, die Antragstellung erleichtern zu | |
wollen. So müssen Studierende künftig nur mehr Kontoauszüge des aktuellen | |
und des Vormonats einschicken. Zudem reicht künftig als Nachweis der | |
„pandemiebedingten Notlage“ eine Selbsterklärung der Antragsteller:innen, | |
dass ihr Nebenjob gekündigt wurde oder sie sich erfolglos um einen Nebenjob | |
beworben haben. | |
Beim Dachverband von Studierendenvertretungen fzs kommen diese | |
Ankündigungen gut an: „Die Verbesserungen von Frau Karliczek sind akut | |
wichtig für viele Studierende“, sagte Vorstandsmitglied Iris Kimizoglu der | |
taz. Allerdings könnten Überbrückungshilfen oder Kredite keine Dauerlösung | |
sein. „Das Kern des Problems ist, dass das Bafög sein ursprüngliches Ziel | |
nicht erfüllt.“ Zwei Drittel der Studierenden müssten heute neben dem | |
Studium arbeiten. Seit Corona sind vielen die Einnahmen weggebrochen. | |
Zudem habe Karliczek wie im ersten Lockdown erneut viel zu spät reagiert, | |
so Kimizoglu: „Das Semester läuft seit zwei Monaten“. Ähnlich äußerte s… | |
auch Karliczeks Koalitionspartner, die SPD: „Nach wochenlangem Zögern hat | |
Bildungsministerin Anja Karliczek nun endlich die Überbrückungshilfe für | |
Studierende wieder eingesetzt – nachdem sie diese trotz absehbarer zweiter | |
Infektionswelle erst im Oktober ausgesetzt hatte“, heißt es in einem | |
Statement des bildungspolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion, Oliver | |
Kaczmarek. | |
Bafög-Reform dringend nötig | |
Auch die Opposition hält die Hilfen für nicht ausreichend: Der | |
hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Kai Gehring, | |
wirft Karliczek einen „kaltschnäuzigen Zickzackkurs“ vor. „Maximal 500 E… | |
Überbrückungshilfe gibt es, wenn das Konto leer oder in den Miesen ist: Das | |
ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig“, sagt Gehring der taz. | |
„Wenn Karliczek und die Große Koalition weiter nur auf untaugliche | |
Corona-Hilfen setzen, anstatt die Studienfinanzierung nachhaltig zu | |
stärken, droht das viele Studierende in den Studienabbruch zu treiben.“ | |
Aktuell erhalten nur mehr 11 Prozent der Studierenden Bafög. 2005 waren es | |
noch 17 Prozent. Im Jahr 2019 lag der durchschnittliche Fördersatz bei | |
Studierenden bei 514 Euro. Im vergangenen Jahr haben Union und SPD zwar die | |
[3][Bafög-Sätze erhöht]. Wegen der stark steigenden Mieten konnten aber | |
auch die neuen Höchstsätze nicht die durchschnittlichen Lebenshaltenskosten | |
decken, [4][rechnete das Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und | |
Sozialökonomie] (FiBS) vor. | |
Dies gab auch Achim Meyer auf der Heyde vom Deutschen Studentenwerk am | |
Freitag in Berlin zu: Man müsse sich fragen, ob die aktuellen Bedarfssätze | |
„den aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen“. Zudem würde er begrüßen, | |
wenn Studierende auch über die Förderhöchstdauer hinaus Bafög erhalten | |
könnten. Bisher ist das nur im Ausnahmefall möglich. | |
Bildungsministerin Anja Karliczek zeigte sich grundsätzlich zu weiteren | |
Reformen bereit, stellte aber auch klar: „Der Staat ist kein | |
Selbstbedienungsladen, wo sich jeder bedient.“ Die Forderungen, das Bafög | |
wieder elternunabhängig und als Vollzuschuss zu gewähren, um die Zahl der | |
Bafögberechtigten zu erhöhen, lehnt die CDU-Politikerin ab. | |
## Grüne: Grundsicherung – GEW: Vollzuschuss | |
Wie das Bafög am besten reformiert werden könnte, dazu gibt es verschiedene | |
Vorschläge: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert die | |
Regierung auf, die Bedarfssätze deutlich zu steigern, die | |
Ausbildungsförderung wieder auf einen Vollzuschuss umzustellen und die | |
Elternfreibeträge anzuheben. | |
Nur so „können auch alle, die keine reichen Eltern haben, sozial | |
abgesichert sein und erfolgreich studieren“, sagte GEW-Vize Andreas Keller | |
der taz. Die Verlängerung der Corona-Nothilfe sei begrüßenswert. Aber: „Die | |
grundsätzliche Kritik an diesem Förderinstrument bleibt bestehen: Der | |
Höchstbetrag von 500 Euro reicht in den meisten Hochschulstädten gerade | |
einmal für die Miete.“ | |
Die Grünen gehen in ihren Forderungen zur Bafög-Reform weiter. Wie die | |
Bundestagsfraktion im September beschlossen hat, sollen alle Studierende | |
und Azubis unter 25 einen Garantiebetrag über 290 Euro erhalten, dazu einen | |
bedarfsorientierten Zuschuss über maximal 603 Euro. Anders als das jetzige | |
Bafög sollen beide Förderungen ein Vollzuschuss sein, der nicht | |
zurückgezahlt werden muss. „Mit dem Garantiebetrag und dem variablen | |
Bedarfszuschuss erhalten die Studierenden mehr als nur Geld: Sie bekommen | |
Zeit, sich aufs Studieren zu konzentrieren“, sagt der Grüne Kai Gehring zu | |
dem Vorschlag. | |
Auch die Linkspartei fordert eine grundlegende Reform des Bafög. Während | |
der Pandemie müsse die Bundesregierung das Bafög öffnen, müssten die | |
Förderbeträge auf 1.050 Euro heraufgesetzt und auch die Elternfreibeträge | |
deutlich erhöht werden. „Wir wollen endlich eine grundsätzliche Reform des | |
Bafög, mit der die Studierenden wirksam abgesichert werden“, sagte die | |
hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Nicole Gohlke. | |
20 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Nothilfefonds-in-der-Coronakrise/!5692860 | |
[2] /Kritik-an-Nothilfe-fuer-Studierende/!5689198 | |
[3] /Kritik-an-der-geplanten-Bafoegreform/!5592898 | |
[4] https://www.fibs.eu/referenzen/publikationen/publikation/ein-bafoeg-fuer-da… | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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