# taz.de -- Nicht mehr anonymer Abtreibungsgegner: Y***** H******** mahnt ab | |
> Zwei Männer erstatten Anzeige wegen angeblicher Werbung nach 219 a – | |
> einer will anonym bleiben. Er geht nun gegen diejenigen vor, die ihn | |
> outen. | |
Bild: In der Öffentlichkeit nennt sich Yannic Hendricks „Markus Krause“ | |
Es sind vor allem zwei Männer, die Ärzt*innen wegen Paragraf 219 a | |
anzeigen. Der eine möchte das aber tun, ohne dass sein Name bekannt wird – | |
und mahnt jetzt massenhaft ab. | |
„Das ist halt so mein Hobby.“ Mit diesen Worten begründete der | |
Mathematikstudent Yannic Hendricks aus Kleve [1][einst im taz-Interview] | |
und im Deutschlandfunk, warum er Ärzt*innen anzeigt, die auf ihren | |
Webseiten darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen – was nach | |
Paragraf 219 a Strafgesetzbuch als verbotene „Werbung für den Abbruch der | |
Schwangerschaft“ gilt. 60 bis 70 Ärzt*innen habe er schon angezeigt, gab er | |
damals an. Nun hat Hendricks das Instrument der Abmahnung für sich entdeckt | |
– gerichtet an Menschen, die seinen Namen im Zusammenhang mit den Anzeigen | |
öffentlich genannt haben. | |
Hendricks ist einer von zwei Männern, die hauptsächlich für die | |
Anzeigenwelle gegen Ärzt*innen verantwortlich sind. Der andere, Klaus | |
Günter Annen, tritt offen unter seinem Namen auf – etwa auf seiner Webseite | |
„Babycaust.de“, auf der er Abtreibungen mit dem Holocaust gleichsetzt. | |
Hendricks hingegen gibt seine Interviews anonym, als Pseudonym wählt er | |
„Markus Krause“. Sowohl die taz wie auch der Deutschlandfunk kamen diesem | |
Wunsch bisher nach. Anders die betroffenen Ärzt*innen und ihre | |
Unterstützer*innen: Die Gynäkologin Nora Szasz, die ebenso wie die Gießener | |
Ärztin Kristina Hänel von Hendricks angezeigt wurde und sich derzeit vor | |
Gericht verantworten muss, nannte seinen Namen in Interviews, genau wie | |
Kersten Artus aus dem Unterstützungskreis der Ärzt*innen. Die Journalistin | |
und Vorsitzende von Pro Familia Hamburg betreut unter anderem die | |
Solidaritätswebseite für die betroffenen Mediziner*innen sowie die | |
dazugehörige Facebookseite. Dort dokumentiert sie zahlreiche Artikel zu dem | |
Thema Paragraf 219 a, darunter auch solche, in denen der Name des | |
Anzeigenerstatters genannt wird. | |
„Bei diesem Herrn, der seinen Namen nicht nennen will, kann es sich nur um | |
Yannick [sic] Hendricks handeln. Er hat unter anderem Kristina Hänel | |
angezeigt“, schrieb Artus im April auf Facebook, ähnlich äußerte sie sich | |
auf Twitter. Ende Juli bekam sie Post vom Anwaltsbüro Höcker, das ihr im | |
Namen Hendricks’ eine Abmahnung zukommen ließ. Der Vorwurf: Sie habe durch | |
die „Namensnennung vor einer unbeschränkten (Internet) Öffentlichkeit“ | |
gegen Hendricks’ Persönlichkeitsrechte und das Europäische Datenschutzrecht | |
verstoßen. Ihr Mandant sei der breiten Öffentlichkeit vorher in keiner | |
Weise bekannt gewesen, argumentieren die Anwälte in dem Schreiben, das der | |
taz vorliegt. Er suche auch „in keiner Weise die Öffentlichkeit“, an einer | |
Namensnennung bestehe kein berechtigtes öffentliches Interesse. | |
## Er ist einer der zentralen Akteure | |
Artus wurde aufgefordert, die Beiträge zu löschen, eine | |
Unterlassungserklärung abzugeben sowie die Rechtsanwaltskosten in Höhe von | |
etwa 1.700 Euro zu zahlen. Sie weigerte sich. „Ich denke, dass Hendricks | |
kein Recht auf Anonymität hat“, sagte Artus der taz. „Er hat die politische | |
und gesellschaftliche Debatte um Paragraf 219 a mit seinen massiven | |
Anzeigen quasi initiiert, und er ist selbst in politischer Mission | |
unterwegs.“ Außerdem habe er auch die Strafanzeigen nicht anonym, sondern | |
unter seinem Klarnamen erstattet. | |
Auch Artus’ Anwalt, Björn Elberling, sieht seine Mandantin im Recht. In | |
seiner Entgegnung argumentiert er, in der öffentlichen Debatte zu dem Thema | |
werde „gerade nicht nur über die politischen Sachfragen, sondern auch über | |
die involvierten Personen, so etwa über angezeigte Ärzt_innen, als Personen | |
berichtet.“ Hendricks sei in der Auseinandersetzung einer der zentralen | |
Akteure. Er selbst habe durch die Interviews die Öffentlichkeit gesucht und | |
sich zwar unter Pseudonym geäußert, aber viele persönliche Details | |
preisgegeben, die es leicht machten, ihn zu identifizieren – etwa dass er | |
27 Jahre alt ist, seinen Wohnort und sein Studienfach. | |
Weil Artus nicht einlenkte, folgte Ende August 2018 die zivilrechtliche | |
Klage – Streitwert: 35.000 Euro. Ihr Mandant habe verhindern wollen, dass | |
sein Name bekannt wird, weil er „Anfeindungen gegen seine Person von | |
gewaltbereiten Abtreibungsbefürwortern“ befürchte, heißt es in der | |
Klageschrift der Anwälte, die der taz vorliegt. Zudem wolle er nicht, dass | |
seine persönliche Position zum Thema zum Inhalt öffentlicher Debatten wird. | |
Was Thema öffentlicher Debatten ist, beobachtet Hendricks genau. Schon | |
mehrfach hat er Beschwerde beim Presserat eingelegt wegen Artikeln | |
verschiedener Medien zu Paragraf 219 a, auch Abmahnungen bekamen | |
Redaktionen schon ins Haus. So etwa der Kölner Verein für solidarische | |
Perspektiven, der die Sozialistische Zeitung herausgibt, in der ein Text | |
mit Hendricks’ Klarnamen erschienen ist. | |
## „Ich lasse mich nicht einschüchtern“ | |
„Er scheint sein Hobby ausgeweitet zu haben“, sagt Kersten Artus. Sie finde | |
es prinzipiell richtig, dass Menschen, die etwa einer Straftat beschuldigt | |
würden, durch Anonymität vor Vorverurteilung geschützt werden. „Aber | |
Hendricks ist kein Straftäter, und aus seiner Sicht ist er ja sogar völlig | |
im Recht.“ Das Prozedere jetzt sei belastend, auch finanziell. „Aber ich | |
lasse mich nicht einschüchtern“, sagt Artus. Mitte Februar des nächsten | |
Jahres wird sich das Hamburger Landgericht mit der Zivilklage gegen sie | |
befassen. | |
Für die Freiburger Studentin und Autorin Michelle Janßen hingegen war die | |
Abmahnung ein Schock. Mitte Oktober twitterte sie, dass Hendricks nicht | |
wolle, dass sein Klarname im Internet stehe, weil er Angst habe, dass er | |
dann nicht mehr Ärzt*innen „wegen dem Informationsangebot zu Abtreibungen | |
anzeigen“ könne. Diesen Tweet spickte sie mehrfach mit seinem Namen. Anfang | |
November kam die Abmahnung. | |
„Ich habe die Tweets sofort gelöscht“, sagt Janßen. Das sei eine schnelle | |
Entscheidung aus Angst gewesen. „Mittlerweile bereue ich das.“ Dass | |
Hendricks anonym bleiben wolle, sei „lächerlich“, ebenso die „Abmahnwell… | |
„In meinen Augen ist er eine öffentliche Person, da er Dutzende Menschen, | |
vor allem Frauen, angezeigt beziehungsweise abgemahnt hat“, sagt sie. Sie | |
hat sich einen Anwalt genommen. | |
Zumindest in der Social-Media-Blase Twitter dürfte Yannic Hendricks | |
inzwischen eine ziemlich bekannte Figur sein. Die Berichte über Abmahnungen | |
haben die Welle erst richtig losgetreten, es kursiert ein eigener Hashtag | |
aus seinem Vor- und Nachnamen – wenn auch mit semantischem Fehler. „Der, | |
dessen Name nicht getwittert werden darf #YannickHendricks“, schreiben dort | |
Menschen, oder: „#YannickHendricks zeigt als Hobby Ärzt*innen an und tritt | |
das Recht von Schwangeren auf Selbstbestimmung mit Füßen. Er möchte aber | |
selbst seine Identität schützen, damit ihm sein ‚Hobby‘ nicht persönlich | |
schadet.“ | |
Inzwischen gibt es sogar einen Wikipedia-Artikel, in dem es heißt: „Markus | |
Krause (* 1990) ist das Pseudonym eines Abtreibungsgegners und politischen | |
Aktivisten.“ Dieser wurde allerdings bereits zur Löschung vorgeschlagen. | |
14 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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