# taz.de -- Neustart an der Berliner Volksbühne: Mehr als ein Lückenfüller | |
> Interimsintendant Klaus Dörr präsentiert sein neues Ensemble und Programm | |
> für die Volksbühne. Das könnte interessant werden. | |
Bild: Das neue Leitungsteam der Volksbühne (v.l.n.r.): Nicole Lohrisch, gesch�… | |
Genau ein Jahr ist es her, dass Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) | |
den Theatermacher Klaus Dörr als Feuerlöscher aus Stuttgart an die | |
Volksbühne bat. Der vormalige Intendant am Rosa-Luxemburg-Platz, der | |
Belgier Chris Dercon, war nicht nur in Sachen Akzeptanz grandios an Berlin | |
gescheitert, sondern auch in Sachen Geld. Die schlecht ausgelastete | |
Volksbühne war wohl nicht mehr sehr weit davon entfernt, Insolvenz anmelden | |
zu müssen. | |
Wenn damals noch stets von Dörrs Interimsintendanz die Rede war, tritt an | |
diesem Freitagvormittag in der Volksbühne total in den Hintergrund, dass | |
Dörr auch schon bald wieder gehen könnte. Die ökonomischen Probleme, so | |
erklärt die geschäftsführende Direktorin Nicole Lohrisch gleich zu Beginn, | |
sind übersichtlich geworden. Während Dercons Auslastung in der ersten | |
Jahreshälfte bei 59 Prozent lag, konnte Dörr in der zweiten Jahreshälfte 80 | |
Prozent erreichen. Die Volksbühne kam Ende 2018 auf 600.000 Euro Schulden | |
statt wie prognostiziert auf 1 Million. Das Notprogramm von Dörr, vor allem | |
mit Gastspielen hohe Zuschauerzahlen zu generieren, ist aufgegangen. | |
Aber nun, da Dörr anders als ursprünglich geplant nicht nur bis Sommer | |
2020, sondern bis Sommer 2021 bleiben soll, ist „genug Zeit zum Arbeiten“, | |
wie er sagt. Es folgt der eigentlich spannende Teil des Pressegesprächs, in | |
dem Dörr mit großem Selbstbewusstsein sein neues Ensemble vorstellt. Die | |
Volksbühne war immer ein Ensemble-Theater, es war eines der | |
schwerwiegendsten Argumente der Dercon-Gegner, dass Dercon sich dafür | |
herzlich wenig interessierte. | |
Also: Da ist der 1978 in Island geborenen Thorleifur Örn Arnarsson als | |
Schauspieldirektor, dessen Neuerzählung der Odyssee ab 12. September zu | |
sein wird. Da ist aber auch die 1988 geborene Hausregisseurin Lucia Bihler, | |
die sich vor allem um feministische Fragestellungen kümmern wird. In ihrem | |
ersten Stück „Final Fantasy“ ab November geht es um weibliche Lust, in | |
ihrem zweiten ab Anfang nächsten Jahres um eine Neuinterpretation einer | |
Iphigenie im Callcenter mit Stefanie Sargnagel. | |
## „Was sind Stars?“ | |
Fast noch toller aber ist, dass unter Dörrs zehn neuen Schauspielerinnen | |
und sieben neuen Schauspielern – mit Ausnahme von Sir Henry und Jella Haase | |
vielleicht – eher keine Stars sind. Mindestens drei sind bislang völlig | |
unbekannt oder kommen frisch von der Schauspielschule: vielleicht vor dem | |
Hintergrund der Befristung auf zwei Jahre, vielleicht aber auch, weil Dörr | |
tatsächlich wenig darauf aus war. „Was sind Stars?“, reagiert er | |
selbstbewusst auf die Frage eines Journalisten in dieser Richtung. | |
Thematisch ist es vor allem der Schwerpunkt „Geschichtsmaschine“, um den | |
sich alles drehen soll. 2019 ist ein Jahr der Erinnerung: 1919, 1939, 1949, | |
1989. Trotzdem wolle man natürlich keine „historischen Vorlesungen“, so | |
Dörr, sondern fragen, was einem die Geschichte über heute virulente Themen | |
wie Feminismus, Rassismus und Postkolonialismus erzählen kann. | |
Es wird also interessant am Rosa-Luxemburg-Platz. Und mal sehen: Vielleicht | |
wird Klaus Dörr der Stadt noch deutlich länger erhalten bleiben. | |
12 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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