# taz.de -- Neuer alter Präsident in Italien: Mattarella bleibt im Amt | |
> Nach sieben ergebnislosen Wahlgängen für ein neues Staatsoberhaupt | |
> einigen sich Italiens Parteien: Alles bleibt, wie es war. | |
Bild: Wenn's denn unbedingt sein muss: Mattarella nach seiner Wiederwahl zum Pr… | |
ROM taz | Italien hat einen neuen Staatspräsidenten. Es ist der alte: Nach | |
sieben Jahren Amtszeit wurde [1][Sergio Mattarella] am Samstag mit einer | |
überwältigenden Dreiviertelmehrheit von 759 der 1.009 Wahlleute | |
wiedergewählt. | |
„Andere Pläne“ habe er eigentlich gehabt, hatte Mattarella der Delegation | |
von Fraktionsvorsitzenden noch erklärt, die am Samstagnachmittag bei ihm | |
vorstellig wurde, um ihm die erneute Kandidatur abzuringen. | |
In der Tat hatte der bisherige Präsident immer wieder erklärt, er stehe für | |
eine Wiederwahl nicht zur Verfügung. Er hatte Fotos mit Umzugskisten in | |
seinem Arbeitszimmer posten lassen und auch schon den Mietvertrag für eine | |
neue Privatwohnung in Rom unterschrieben. | |
Aus dem Umzug wird nun nichts. Mattarella bleibt, wo er vorher schon war, | |
im Quirinalspalast. „Wenn es nötig ist, bin ich da“, erklärte der | |
80-Jährige am Samstag und öffnete seiner Wiederwahl auf noch einmal sieben | |
Jahre die Tür. | |
## Sechs Tage Psychodrama | |
Vorausgegangen war ein seit Montag anhaltendes sechstägiges Psychodrama in | |
der 1.009-köpfigen Wahlversammlung aus Italiens Abgeordneten, | |
Senator*innen und Delegierten der Regionen. Wahlgang um Wahlgang | |
produzierten sie nur Leerlauf. Sie optierten im Wesentlichen zwischen zwei | |
Alternativen: Enthaltung per Nicht-Entgegennahme des Wahlzettels oder aber | |
Enthaltung per Abgabe eines leeren Wahlzettels. | |
Auf den ersten Blick muss das überraschen, denn im Vorfeld waren gleich | |
zwei schwergewichtige Kandidaten im Ring gewesen, [2][Silvio Berlusconi] | |
sowie Ministerpräsident [3][Mario Draghi]. | |
Berlusconi genoss offiziell die Unterstützung des gesamten Rechtslagers, | |
das etwa 450 Wahlleute stellt, und hoffte auf weitere Zustimmung aus den | |
Reihen der 100 parteilosen Wahlleute. Draghi hatte nicht nur seine enorm | |
hohe Popularität in der Bevölkerung mit Zustimmungswerten von über 50 | |
Prozent auf seiner Seite, sondern auch die Tatsache, dass er in Rom eine | |
Notstandsregierung führt, die sich auf die Unterstützung fast aller | |
Parteien von rechtsaußen bis linksaußen verlassen kann. | |
Berlusconi jedoch musste schon vor Beginn der Wahl einsehen, dass es für | |
eine Mehrheit nie und nimmer reichen würde, und zog schließlich seine | |
Kandidatur zurück. Draghi war mit der Tatsache konfrontiert, dass seine | |
scheinbare Stärke zugleich seine Schwäche war: Zum ersten Mal in der | |
Geschichte der Italienischen Republik nämlich ging es wegen seiner | |
Kandidatur bei der Wahl des Staatsoberhaupts zugleich auch unmittelbar um | |
die Zukunft der Regierung, ja auch um das Überleben des gegenwärtigen | |
Parlaments. | |
Denn Draghis Regierung war im Februar 2021 ja nur zustande gekommen, weil | |
das Gros der Parteien in ihr die einzige Lösung angesichts des | |
Pandemienotstands und angesichts der Herausforderung sah, das EU-Programm | |
„Next Generation EU“ in Höhe von stolzen 190 Milliarden Euro zu stemmen. | |
Zugleich gab es einen zweiten, etwas weniger noblen Grund. Das Gros der | |
Parteien wollte um jeden Preis vorgezogene Neuwahlen verhindern, da das | |
nächste Parlament mit nur noch insgesamt 600 Abgeordneten und | |
Senator*innen deutlich kleiner ausfallen wird als das bisherige mit | |
945. | |
Bei einer Wahl Draghis zum Präsidenten hätte eine neue Notstandsregierung | |
unter neuer Führung gebildet werden müssen – mit dem Risiko vorgezogener | |
Neuwahlen. Deshalb verhandelten die Führungen aller Parteien Tag und Nacht | |
heftig, um das zu vermeiden. | |
## Parteien lähmen sich gegenseitig | |
Deutlich wurde dabei die Zerfaserung der italienischen Parteienlandschaft. | |
Auf der Rechten versuchte [4][Matteo Salvini], Chef der Lega, sich als | |
Königsmacher in Szene zu setzen. Er preschte am Freitag mit der Kandidatur | |
der Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati vor, die als Inhaberin des | |
formal zweithöchsten Staatsamtes doch überparteilich sei. | |
Doch Casellati scheiterte mit nur 382 Stimmen, weil auch mehr als 70 | |
Stimmen aus dem eigenen Lager fehlten – und weil ihre Wahl wiederum eine | |
sofortige Regierungskrise bedeutet hätte. | |
Auch das [5][Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung)] unter Giuseppe | |
Conte, mit 236 Wahlleuten immerhin das größte Kontingent in der | |
Wahlversammlung, präsentierte sich gespalten. Conte wollte um jeden Preis | |
Draghi als Präsidenten verhindern, Außenminister Luigi Di Maio dagegen | |
arbeitete auf ebendiese Lösung hin. | |
So gaben wichtige Parteien vor allem das Bild auswegloser Paralyse ab. Im | |
sechsten Wahlgang, nach dem Scheitern Casellatis, erhielt dann schließlich | |
Mattarella, der doch gar nicht kandidierte, schon 336 Stimmen, im siebten | |
am Samstagvormittag dann 387. Damit war die Tür zu seiner Wiederwahl | |
aufgestoßen, denn der bisherige Präsident wollte sich diesem Ruf nicht | |
verschließen. | |
„Nichts darf sich ändern, damit sich nichts ändert“, giftete Giorgia Melo… | |
von den Postfaschisten am Ende. Und in der Tat macht Italien nun einfach | |
weiter. | |
30 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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