| # taz.de -- Neue Vorschriften für Chemikalien: Giftige Stoffe, kaum zu fassen | |
| > Das Umweltbundesamt will mobile Giftstoffe, etwa in Lösungsmitteln, | |
| > strenger regulieren. Ähnliche Versuche konnte die Industrie verhindern. | |
| Bild: Schwierige Suche nach giftigen Stoffen, die im Wasser sehr mobil sind | |
| 1,4-Dioxan ist eine praktische Industriechemikalie. Sie wird als Lösemittel | |
| verwendet, um Klebstoffe, Abbeizmittel, Farbstoffe oder Gewebereiniger | |
| herzustellen, aber auch für Papier und Elektronik. 1,4-Dioxan ist einer von | |
| rund 240 Stoffen, die nach Vorstellung des Umweltbundesamtes strenger | |
| reguliert werden sollen. Diese Stoffe sind nicht nur giftig und besonders | |
| haltbar, sondern in Wasser auch sehr mobil. Abgekürzt heißen sie daher PMT | |
| – Persistente, mobile, toxische Substanzen. | |
| Bislang galten sie als unproblematisch; für gefährlich hielten die | |
| zuständigen Behörden eher die kontaktfreudigeren Verwandten der PMT, die | |
| PBT. Das sind Stoffe, die giftig sind, beständig, und sich zudem in der | |
| Umwelt anreichern, weil sie leicht Verbindungen eingehen, etwa mit | |
| Molekülen im Erdreich. Diese persistenten, bioakkumulativen und toxischen | |
| Chemikalien sind schon länger im Visier von Ökologen und Behörden. | |
| Die PMT hingegen fließen frei im Wasser, versickern mit ihm – und sind | |
| deswegen technisch kaum aus ihm herauszubekommen. „Diese Stoffe werden in | |
| der Umwelt nur langsam abgebaut und sind gleichzeitig mobil im Wasser“, | |
| sagt Michael Neumann aus dem Fachbereich für Chemikaliensicherheit des | |
| Umweltbundesamtes (UBA). „Beide Eigenschaften zusammen verursachen, dass | |
| sie im Wasserkreislauf zirkulieren. Wir könnten sie dann nur mit hohem | |
| technischen und hohem finanziellen Aufwand entfernen“, so Neumann. Selbst | |
| durch aufwendige und teure Aktivkohlefilter könnten die PMT kaum | |
| zurückgehalten werden. | |
| Das UBA möchte deswegen, dass die europäische Chemikalienverordnung Reach | |
| spezielle Kriterien aufnimmt, um die PMT künftig zu erkennen und zu | |
| regulieren. Wie dies genau geschehen kann, darüber diskutiert das UBA | |
| derzeit mit den Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission. Diese zeigten sich | |
| für die Vorschläge offen, sagt Neumann. | |
| ## Die Industrie blockiert | |
| Die Industrie hält hingegen bislang wenig von den Vorschlägen aus dem | |
| Umweltbundesamt. „Die Kriterien sind nicht gut formuliert“, sagte Ronald | |
| Bock vom European Chemical Industry Council (CEFIC), dem Verband der | |
| europäischen Chemischen Industrie mit Sitz in Brüssel. Es könnten dabei | |
| zahlreiche andere Stoffe erfasst werden, die überhaupt nicht | |
| besorgniserregend seien. Auf einem Workshop des UBA zu PMT kürzlich in | |
| Berlin stellte Bock in Frage, dass mobile Substanzen ebenso bedenklich | |
| seien wie bioakkumulative; zudem forderte er darüber hinaus eine bessere | |
| Datenbasis für die Debatte. | |
| Andere Versuche, neue Substanzgruppen in die Chemikalienregulierung Reach | |
| einzubeziehen, hat die Industrie sehr erfolgreich verhindert; etwa im Fall | |
| der „Endokrinen Disruptoren“, hormonwirksame Chemikalien, die Krebs | |
| auslösen oder die Fortpflanzung stören können. Nach Intervention von | |
| Unternehmen und Wirtschaftsverbänden verschleppt die Kommission den Prozess | |
| seit Jahren. | |
| Manuel Fernández, bei der Umweltorganisation BUND für Chemikalien | |
| zuständig, hält den Vorstoß des UBA in Sachen PMT indes für eine gute Idee, | |
| schließlich gehe es um das Vorsorgeprinzip für ein besonders sensibles Gut: | |
| Trinkwasser. Den Nutzen der Chemikalienverordnung hält er allerdings für | |
| stark ausbaufähig: „Die wichtigen Prozesse dauern viel, viel zu lang.“ Nach | |
| insgesamt zehn Jahren Reach stünden von rund 2.000 verdächtigen Stoffen | |
| erst 180 auf der Kandidatenliste; lediglich 43 davon sind | |
| zulassungspflichtig, so Manuel Fernández. | |
| Es sei trotzdem gut, das Instrumentarium Reach weiterzuentwickeln, sagt | |
| Manfred Santen, Chemikalienexperte von Greenpeace. „Es ist wichtig, die | |
| Substanzgruppe der PMT zu erfassen und dann perspektivisch ihre Verbreitung | |
| in der Umwelt zu kontrollieren“, so Santen. Reach habe zwar Schwächen und | |
| Lücken, „aber global gesehen ist die europäische Chemikalienverordnung | |
| immer noch Vorreiter“. | |
| 23 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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