# taz.de -- Neue Regierung in Italien: Viele neue und junge Gesichter | |
> Im Kabinett von Fünf Sternen und PD sind nur wenige Frauen vertreten. | |
> Eine völlige Umkehr in der Flüchtlingspolitik ist nicht zu erwarten. | |
Bild: Premierminister Giuseppe Conte (l) unterzeichnet während der Vereidigung… | |
ROM taz | Italiens neue Regierung ist im Amt. Am Donnerstag traten | |
Ministerpräsident Giuseppe Conte und sein 21-köpfiges Kabinett bei | |
Staatspräsident Sergio Mattarella [1][zur Vereidigung an]. Die | |
Vertrauensabstimmungen am Montag im Abgeordnetenhaus und am Dienstag im | |
Senat stellen die letzte Hürde dar. | |
Ein alter Premier, ansonsten aber viele neue Gesichter, ein | |
Durchschnittsalter von 47 Jahren – das niedrigste in der italienischen | |
Geschichte seit 1945. Wenigstens im Tableau wollen die Partner von den Fünf | |
Sternen und der Partito Democratico (PD) Aufbruch signalisieren. | |
Beim Frauenanteil gelang dies nicht wirklich: Nur sieben der 21 | |
Kabinettsmitglieder sind Frauen. Zu den zwei jetzt koalierenden Kräften | |
gesellte sich in letzter Minute mit der radikal linken Kleinpartei Liberi e | |
Uguali (LeU – „Freie und Gleiche“) noch ein dritter Partner, der angesich… | |
der knappen Mehrheit im Senat hochwillkommen ist. | |
Zehn Ministerien gehen an das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung), | |
vorneweg das Außenministerium, das der M5S-Chef, der 33-jährige Luigi Di | |
Maio übernimmt. Er ist bisher durch außenpolitische Kompetenzen nicht | |
weiter aufgefallen, musste aber dafür entschädigt werden, dass er nicht – | |
wie in der Vorgängerregierung mit der Lega – Vizepremier bleibt. Ansonsten | |
konnte das M5S mit dem Arbeits-, dem Wirtschafts-, dem Justiz- und dem | |
Umweltministerium zentrale Positionen verteidigen. | |
## Hervorragend vernetzt | |
Auf der anderen Seite konnte die PD für sich Positionen erobern, die für | |
die nationale Politik ebenso wie für die Aufstellung in der EU | |
Schlüsselfunktion haben. Da wäre zunächst das Finanzministerium, in Zukunft | |
geführt von dem 53-jährigen Roberto Gualtieri. Der Professor für neueste | |
Geschichte, früher Vizedirektor des Gramsci-Instituts , sitzt seit 2009 im | |
Europäischen Parlament und leitet dort seit 2014 den Ausschuss für | |
ökonomische und monetäre Fragen. | |
Gualtieri war in der EU in den vergangenen Jahren an allen wichtigen | |
Verhandlungen über die Finanz- und Währungsinstitutionen beteiligt und ist | |
im EP, in der Kommission und in der EZB hervorragend vernetzt. | |
Christine Lagarde freute sich über seine Ernennung: Sie sei „zum Wohle | |
Italiens und Europas“. Auch Gualtieri verficht allerdings die Position, | |
dass das Regelwerk der Eurozone und der EU flexibler gestaltet werden muss, | |
dass öffentliche Investitionen aus der 3 Prozent-Verschuldungsmarke | |
herausgerechnet werden sollten. | |
Neben Gualtieri wird die PD mit Enzo Amendola den Europaminister und vor | |
allem mit dem früheren Ministerpräsidenten und Außenminister Paolo | |
Gentiloni den neuen italienischen EU-Kommissar stellen. Damit nehmen die | |
Fünf Sterne, die noch vor wenigen Jahren ein Referendum über die | |
Zugehörigkeit des Landes zum Euro gefordert hatten, die klare | |
proeuropäische Ausrichtung der neuen Regierung widerspruchslos hin. | |
## Dublin überwinden | |
Offen ist noch, wie sich die Regierung auf dem Feld der Flüchtlings- und | |
Einwanderungspolitik positionieren wird. Im Regierungsprogramm heißt es, | |
Dublin müsse überwunden, eine europäische Lösung müsse gefunden werden. Ob | |
jedoch die vom früheren Innenminister Matteo Salvini durchgesetzten | |
„Sicherheitsdekrete“, die den Krieg gegen die NGOs eröffneten, abgeschafft | |
werden, steht in den Sternen. | |
PD-Chef Nicola Zingaretti fordert zwar eine „Wende“, eine neue | |
Flüchtlingspolitik, die „Sicherheit, Legalität, Humanität“ gewährleisten | |
müsse. Auf der anderen Seite haben die Fünf Sterne Salvinis Politik bis | |
zuletzt mitgetragen. | |
Zugleich gilt, dass die PD zwar nicht die Kriminalisierung der NGOs | |
betrieben hat, dass aber schon unter ihrer letzten Regierung 2017 die | |
Abkommen mit Libyen ausgehandelt wurden. Auf deren Grundlage wurde die | |
Regierung in Tripolis mit italienischen Patrouillenbooten ausgerüstet. Vor | |
diesem Hintergrund ist eine völlige Umkehr in der Flüchtlingspolitik auch | |
unter der neuen Regierung nicht zu erwarten. | |
5 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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