# taz.de -- Neue Chefin am Bremer Focke-Museum: Anna Greve sucht blinde Flecken | |
> Die neue Leiterin des Bremer Focke-Museums will nicht nur Partizipation. | |
> Sie will auch über kolonialistisch-rassistische Exponate diskutieren. | |
Bild: Inmitten hoher Häupter im Focke-Museum: Anna Greve | |
BREMEN taz | Anna Greve fand das schon immer eigenartig: dass in | |
Deutschland so viel Geld für Kunst ausgegeben wird, während andernorts | |
Menschen hungern. In Kolumbien zum Beispiel, wo die frisch angetretene | |
Chefin des Bremer Focke-Museums ihre Kindheit und Jugend verbrachte, weil | |
ihr Vater dort als Biologe arbeitete und die Mutter als Sozialarbeiterin. | |
„Wir haben immer mit Kolumbianern in WGs gelebt“, sagt die 47-jährige | |
Kunsthistorikerin und Honorarprofessorin. „Das soziale Thema war stets | |
präsent.“ | |
Und als sie mit 17 nach Deutschland kam, war klar, dass dies ihr Leben | |
prägen würde. Natürlich hat sie sich im Zuge ihres Kunst- und | |
Politologiestudiums auch mit deutscher Geschichte befasst, über Kunst in | |
der NS-Zeit geforscht und die [1][Wehrmachtsausstellung] mitgestaltet. Aber | |
zentral blieben die Themen Kolonialismus und Critical Whiteness – und als | |
man ihr 2007 sagte, sie solle lieber über etwas Karriereförderndes | |
habilitieren, war sie höchst irritiert. | |
Zum Glück seien diese Zeiten vorbei, sagt die freundliche, eher stille | |
Frau. Sie freue sich, dass die [2][Kolonialismus-Debatte] in Gesellschaft | |
und Museen angekommen sei. Sie selbst moderiert hierzu seit Jahren den | |
Bremer Bürgerdialog, den sie nun mit ans Focke-Museum bringt. | |
Wenn man sie fragt, warum sie, die zwar ein Museums-Volontariat | |
absolvierte, nun aber schon lange in Bremens Kulturbehörde sitzt, ins | |
Museum will, sagt sie: „Dadurch, dass ich mit meinen Studierenden oft | |
Ausstellungen mitkuratiere, bin ich in Übung geblieben.“ | |
## Partizipation ist zentral | |
Was sie im Focke-Museum tun will? Erstens wird das Haus 2023 schließen, um | |
2026 mit veränderter Dauerausstellung neu zu öffnen – eine Mischung aus | |
Chronologie und Einzelkapiteln. Und dafür braucht sie Partizipation und | |
Dialog, unter anderem mit dem [3][Afrika-Netzwerk] Bremen. Denn Exponate | |
wie die mit rassistischen „Tabak-Köpfe“ könne man nicht einfach stehen | |
lasen. „Da müssen wir diskutieren: Räumt man das ins Depot, arbeitet man | |
mit künstlerischen Interventionen, erstellt man kritische Beschriftung?“ | |
Das sei ein Prozess, „bei den auch ich als weiße Frau meine blinden Flecke | |
erkennen kann“. Da spiele es auch keine Rolle, dass ihr Hintergrund nicht | |
perfekt zum historisch-archäologischen Profil des Hauses passe. | |
Moderationsfähigkeit sei schließlich eine universelle Qualifikation | |
7 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.verbrechen-der-wehrmacht.de/docs/home.htm | |
[2] /Bremen-justiert-Ausstellungspolitik-neu/!5324585 | |
[3] /Bremen-justiert-Ausstellungspolitik-neu/!5324585 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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