| # taz.de -- Neue Behandlungsmethoden: Hilfe gegen den Krebs | |
| > Mit neuen Behandlungsmethoden für Krebs steigen die Chancen auf eine | |
| > Heilung. Ein Blick auf drei innovative Therapieansätze. | |
| Bild: CAR-T-Zellen können zielgenau den Tumor angreifen. Sie müssen sehr kalt… | |
| Wer an Krebs erkrankt, wünscht sich vor allem eines, Heilung. Auf dem Weg | |
| dorthin sind zumeist lange, belastende Monate und Jahre der Behandlung | |
| nötig. Doch es werden große Anstrengungen unternommen, Therapien zu finden, | |
| die einerseits wirkungsvoller und andererseits für die Patient:innen | |
| erträglicher sind. Und tatsächlich können Forscher:innen regelmäßig | |
| Erfolge vermelden. Hier werden drei innovative Therapien vorgestellt. | |
| ## Strahlentherapie | |
| Bald könnte die Zeit vorbei sein, in der sich Krebspatient:innen | |
| während einer Strahlentherapie angemalt wie eine Wanderkarte tage- oder gar | |
| wochenlang nicht duschen durften. Über Markierungen auf dem Körper werden | |
| die Orte zur Bestrahlung bisher grob festgehalten, in Zukunft könnten neue | |
| Bildgebungsverfahren das präziser ersetzen. Auch wenn die Bestrahlung schon | |
| lange im Einsatz ist, ist sie heute eine [1][Hightechtherapie] – und von | |
| zentraler Bedeutung. Die Strahlentherapie ist an der Hälfte alle | |
| Krebsheilungen beteiligt. Neben der Operation stellt sie die wichtigste | |
| Behandlungsmethode dar. | |
| „Bei personalisierter Therapie spricht man häufig über Systemtherapien, | |
| doch ist Strahlentherapie schon in ihrer Anlage auf jede Person eigens | |
| angepasst“, sagt Ursula Nestle, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft | |
| Radiologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft. Jede:r | |
| Patient:in erhält einen individuellen Behandlungsplan, der durch den | |
| Einsatz von KI und moderner Bildgebung immer präziser wird. Tumoren und | |
| Metastasen können besser identifiziert und auf den Millimeter genau | |
| bestrahlt werden. In einigen Zentren wird schon jetzt live auf dem | |
| Bestrahlungstisch ein Bild gemacht. Dadurch kann ein aktueller Plan der | |
| Anatomie ermittelt werden. „So erhöhen wir die Präzision und schonen | |
| umliegendes Gewebe“, sagt Nestle. | |
| Auch Tumoren, die sich im Körper vor der Strahlentherapie verstecken, | |
| können immer besser angesteuert werden. In der sogenannten stereotaktischen | |
| Bestrahlung findet das bereits Anwendung für Hirntumoren und -metastasen. | |
| Gerade dort ist es wichtig, bloß kein umliegendes Gehirngewebe zu | |
| beschädigen und gleichzeitig den Tumor möglichst effektiv zu zerstören. Das | |
| verbessert die Heilungschance und reduziert gleichzeitig die | |
| Nebenwirkungen, die vornehmlich durch die Beschädigung von gesundem Gewebe | |
| in der Umgebung des Tumors entstehen. | |
| An dieser Stelle setzt weitere Forschung an. Im Regelfall werden Photonen | |
| als energiereiche Teilchen genutzt, um die DNA der Tumorzellen zu | |
| zerstören. Diese gelangen von der Strahlenquelle durch die Haut in den | |
| Körper und werden, wie unter einem Brennglas, an einem präzisen Ort | |
| gebündelt. Durch diese Bündelung entfalten die Photonen ihre Wirkung. Auf | |
| dem Weg dorthin gehen jedoch kleine Energiemengen im Gewebe zwischen Haut | |
| und Tumor verloren, genauso wie im Gewebe hinter dem Tumor. Das Resultat | |
| sind Nebenwirkungen wie Haut- und Schleimhautreizungen oder Entzündungen. | |
| Inzwischen können aber auch Protonen oder Schwerionen für die Bestrahlung | |
| genutzt werden, auch wenn das bislang noch sehr teuer ist. Sie geben genau | |
| an einem bestimmten Ort ihre Energie ab und hinterlassen auf dem Weg | |
| weniger Spuren. Die Wirksamkeit kann damit erhöht und die Nebenwirkungen | |
| verringert werden. | |
| Auch die Flash-Therapie will den Schaden für das umliegende Gewebe des | |
| Tumors reduzieren. Klassischerweise braucht eine Strahlentherapie mehrere | |
| Wochen und viele einzelne Termine. Dadurch soll dem gesunden Gewebe Zeit | |
| gegeben werden, sich mithilfe von Reparaturmechanismen zu regenerieren. Bei | |
| der Flash-Therapie wird hingegen in kurzer Zeit sehr viel Strahlung auf | |
| einmal ausgesendet. „Erstaunlicherweise führt das im Tumorgewebe zu einer | |
| hocheffizienten Zerstörungskraft, während umliegendes Gewebe weniger | |
| beansprucht zu werden scheint“, sagt Nestle. | |
| Vielversprechend kann in der Tumorbehandlung auch die Kombination | |
| verschiedener Therapieformen sein, etwa der Strahlentherapie mit Chemo- | |
| oder Immuntherapie. Erste Studien haben gezeigt, dass eine zeitnahe | |
| Bestrahlung die Ergebnisse einer Immuntherapie verbessern könnte. Eine | |
| Immuntherapie ist beispielsweise die CAR-T-Cell-Therapie oder die | |
| mRNA-Therapie, also eine Therapie, die das Immunsystem stärkt, um | |
| selbständig den Krebs zu zerstören. „Man spricht dabei von turning cold in | |
| hot tumors“, erklärt Nestle. Das menschliche Immunsystem kann einen Tumor | |
| dann besser erkennen und seine Arbeit wirkungsvoller verrichten. | |
| Immer zentraler wird auch, dass Patient:innen enger in die | |
| Behandlungspläne einbezogen werden. „Es gibt Forschung zu | |
| individualisierten Beratungstools“, so Nestle. Die Vision ist es, als | |
| Patient:in mit einer bestimmten Krebsdiagnose die eigene Therapie | |
| mitzugestalten. Das könnte so aussehen, dass man mithilfe von Tools selbst | |
| überlegen kann, was einem für die Therapie besonders wichtig ist; etwa hohe | |
| Lebensqualität verbunden mit Risiken oder eine Heilung mit den | |
| entsprechenden Nebenwirkungen. Die Tools unterstützen die Entscheidung mit | |
| Studiendaten und Daten aus der Versorgungsforschung. | |
| ## mRNA-Impfstoff | |
| Die Mainzer Firma Biontech versorgte in der Coronapandemie Millionen | |
| Menschen mit einem modernen [2][mRNA-Impfstoff]. Dem Körper wird dabei ein | |
| Bauplan gegeben, von dem ausgehend er selbst Proteine herstellt, die sich | |
| gegen einen Erreger richten könnten. | |
| Die Forschung dahinter zielte ursprünglich auf die Krebsbehandlung ab. Nun | |
| könnte sie in diesem Feld bald öfter zum Einsatz kommen. Um eine Impfung im | |
| eigentlichen Sinne handelt es sich dabei nicht, schließlich kann die | |
| Methode erst nach einer Krebserkrankung in der Therapie zum Einsatz kommen | |
| und nicht präventiv. Zur Krebsbehandlung braucht man den Tumor, um den | |
| [3][mRNA-Impfstoff für jede:n Patient:in] individuell herzustellen. | |
| Wird ein Tumor entdeckt, wird daraus eine Probe entnommen. Mithilfe von | |
| künstlicher Intelligenz werden gesunde Körperzellen mit den unliebsamen | |
| Krebszellen verglichen und die unterschiedlichen Oberflächeneiweiße | |
| dechiffriert. Diese Eiweiße werden als Neoantigene bezeichnet und entstehen | |
| zumeist durch Mutationen, also krankhafte Veränderungen im Erbgut. | |
| Da bei jedem Menschen der Krebs in seinem zellulären Erscheinungsbild | |
| einzigartig ist, muss der Bauplan in aufwändiger Einzelarbeit für jeden | |
| Patienten eigens konstruiert werden, bevor er als mRNA über eine Spritze in | |
| den Körper gelangt. Dort werden daraus wieder Proteinschnipsel hergestellt, | |
| die den Oberflächenproteinen des Krebses ähneln und das Immunsystem darin | |
| trainieren, die Krebszellen zu erkennen und effektiver anzugreifen. Noch | |
| ist diese Therapie nicht zugelassen. Schwierigkeiten stellen mitunter die | |
| Haltbarkeit der mRNA-Bausteine, die verzögerte Produktion der | |
| Proteinschnipsel im Körper und die Fähigkeit des Tumors, sich weiterhin dem | |
| Immunsystem zu entziehen, dar. In klinischen Studien aber wird die Methode | |
| bereits beim schwarzen Hautkrebs und einer Unterform von Lungenkrebs | |
| getestet. | |
| Für den praktischen Gebrauch werden unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten | |
| diskutiert. Eine wichtige Rolle könnten mRNA-Impfstoffe in der Vermeidung | |
| von Rückfällen – Rezidiven – einnehmen. Aber auch die Kombination mit | |
| anderen Immuntherapeutika gilt als vielversprechend. | |
| ## CAR-T-Zellen | |
| CAR-T-Zellen sind im Grunde gentechnisch veränderte Superwaffen. Sie | |
| basieren auf [4][T-Zellen], den wichtigsten zellulären Abwehrzellen des | |
| körpereigenen Immunsystems. Diese einfachen Fußsoldaten sind durch den | |
| Kampf gegen die vielen Krebszellen ausgezehrt, der Tumor entzieht sich mit | |
| vielen Tricks dem Immunsystem. | |
| Als CAR-T-Zellen werden sie aber wieder zu kraftvollen Gegnern. Dafür | |
| werden T-Zellen dem Körper entnommen, aufbereitet und gentechnisch mit | |
| einem [5][künstlich zusammengesetzten Rezeptor] – einer Andockstelle – | |
| versehen, der auf ein Oberflächenprotein des Tumors angepasst ist. Er heißt | |
| chimärer Antigenrezeptor, kurz CAR. Zurück im Körper gehen die CAR-T-Zellen | |
| dem Tumor an den Kragen. | |
| Die Therapie hat allerdings eine Schwäche. Der Rezeptor kann nur ein | |
| bestimmtes Oberflächenprotein binden. Er ist damit nur auf ein einzelnes | |
| äußerliches Merkmal der Krebszellen trainiert. Bei den sogenannten soliden, | |
| also festen Tumoren funktioniert das nicht so gut. Deshalb gibt es eine | |
| Zulassung nur für das weite Feld der Blut- und Lymphkrebse. Zudem ist die | |
| Therapie aufwändig. Mehrere Wochen sind für die Herstellung nötig. Vor der | |
| Rückführung der CAR-T-Zellen in den Körper unterlaufen die | |
| Patient:innen zudem eine Chemotherapie, um die im Körper verbliebenen | |
| T-Zellen zurückzudrängen. Nur dann können die CAR-T-Zellen ihre Wirkung | |
| entfalten. Bereits seit zehn Jahren wird diese Art der Behandlung | |
| eingesetzt. | |
| Ohne Nebenwirkungen kommt sie allerdings nicht aus. Das Immunsystem kann | |
| überfordert sein und in einer übertriebenen Immunreaktion mit Fieber und | |
| Schüttelfrost reagieren. Die gleichzeitige Zerstörung einer Großzahl an | |
| Tumorzellen kann zudem zu Stoffwechselproblemen führen. Auch | |
| Infektanfälligkeit und Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und | |
| Verwirrtheit können auftreten. Durch eine gute ärztliche Überwachung können | |
| die Folgen aber wirkungsvoll vorgebeugt werden. Mehrere ähnliche, | |
| gleichwohl aber breiter angelegte Therapeutika sind bereits auf dem Weg. | |
| Geforscht wird daran, auch feste Tumoren in Zukunft adressieren zu können. | |
| Etwa, indem man die CAR-T-Zellen durch ein unschädliches Bakterium in den | |
| Tumor lockt. | |
| 8 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simon Barmann | |
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