# taz.de -- Nachteile für afrikanische Länder: Geschäfte mit Emissionsrechten | |
> Den CO₂-Zertifikatehandel lehnen einige afrikanische Länder ab, weil vor | |
> allem andere verdienen. Er hat verheerende Folgen für Einheimische. | |
Bild: Violet Kelero sitzt vor ihrem zerstörten Haus in Sasimwani, Mau Forest | |
KAMPALA taz | Am Rande der [1][Internationalen Klimakonferenz COP28 in | |
Dubai] haben sich einige afrikanische Regierungen gegen den Handel mit | |
Kohlenstoffzertifikaten ausgesprochen. Tansanias Präsidentin Samia Suluhu | |
Hassan mahnte an, der CO2-Handel sei „nachteilig für Afrika“, denn „damit | |
ernten ausländische Unternehmen mehr als wir selbst“. Auch zahlreiche | |
Menschenrechtsorganisationen warnen in einem gemeinsamen Statement vor den | |
Risiken. | |
Die Vereinigten Arabischen Emirate als Gastgeber sowie zahlreiche Ölländer | |
pochen allerdings auf einen Ausbau des CO2-Handels. Damit können sie ihrer | |
freiwilligen Selbstverpflichtung nachkommen, bis 2050 netto kein CO2 mehr | |
auszustoßen. Denn dies ermöglicht ihnen, wenn sie selbst ihren Ausstoß | |
nicht einschränken, woanders Projekte zu unterstützen, die Emissionen | |
vermeiden oder reduzieren – sie können damit ihre eigene Luftverschmutzung | |
wettmachen. | |
Der [2][afrikanische Kontinent] rückt dabei in den Fokus. Denn Afrika | |
verfügt über den zweitgrößten Regenwald der Erde und über Kohlenstoff | |
absorbierende Ökosysteme wie Mangrovenwälder und Sumpfgebiete, also | |
„Kohlenstoffsenken“, die gigantische Mengen aufnehmen können. | |
Einige afrikanische Regierungen betrachten dies als Stategie, Geld zu | |
verdienen. Tech-Giganten wie Meta und Netflix haben in Kenia | |
CO2-Zertifikate eingekauft. [3][Kenias Präsident William Ruto] bezeichnete | |
Afrikas Kohlenstoffsenken als „beispiellose wirtschaftliche Goldmine“. | |
Die weltweit größte Auktion von CO2-Zertfikaten fand im Juni in Kenia | |
statt. Die saudische Firma Regional Voluntary Carbon Market Company | |
(RVCMC), die derzeit weltweit CO2-Zertfikate einkauft, hat sich Kenia | |
ausgesucht, denn das Land ist afrikaweit führend in dem Sektor. 16 | |
saudische Konzerne, darunter der staatliche Ölgigant Aramco, derzeit der | |
zweitgrößte Konzern der Welt und damit für enorme Mengen von Treibhausgasen | |
verantwortlich, erwarben über 2 Millionen Tonnen an Kohlenstoffkrediten. | |
## „Pakt mit dem Teufel“ | |
„Diese Systeme funktionieren im Grunde einfach nicht“, sagte hingegen Simon | |
Counsell, einer der führenden Experten, der taz: „Statt den lokalen | |
Gemeinden Geld einzubringen, führen sie vielmehr zu Vertreibung und | |
Gewalt.“ Sich zu erhoffen, dass große Konzerne nun in Afrika für einen | |
Geldsegen sorgen und damit den Planeten retten, sei „ein Pakt mit dem | |
Teufel“, so Counsell. | |
Grund seien vor allem ungeklärte Eigentumsfragen, so Counsell: Wem gehört | |
der Wald oder die Steppe? In den Fokus rückte jüngst der [4][Mau-Wald in | |
Kenia, eines der größten Waldgebiete des Landes]. Dort leben die Indigenen | |
des Volkes der Ogiek, der Wald ist ihr traditioneller Lebensraum. | |
Eigentlich ist der Wald Gemeindeland, doch die Regierung versucht derzeit, | |
die Eigentumsrechte unter ihre Hoheit zu bekommen. | |
Die Hürde sei nämlich, so Counsell, dass CO2-Zertifikate nicht für die | |
bereits existierenden Schutzgebiete ausgestellt werden, sondern nur für | |
solche, die zusätzlich hinzukommen. Jeder Baum, jeder Quadratmeter | |
Mangrovenwald wird damit also zum Anlageportfolio ausländischer Konzerne. | |
Zunehmend bestehe die Tendenz, diese Flächen einzuzäunen, um die Menschen | |
auch mit Waffengewalt fernzuhalten, so Counsell. | |
Erst im Oktober hat Kenias Präsident Ruto der Umweltschutzbehörde zugesagt, | |
dass die bereits jetzt militärisch ausgebildeten und bewaffneten Wildhüter | |
noch mehr Ausrüstung erhalten sollen, um die Wälder „vor Eindringlingen“ … | |
bewahren. | |
## Wildhüter im Mau-Wald | |
Kurz darauf schlugen schwer bewaffnete Wildhüter im Mau-Wald auf und | |
brannten die Hütten der Ogiek nieder, berichtete Anführer Daniel Kobei. Die | |
Ranger befahlen den mehr als 700 Waldbewohnern, sich woanders anzusiedeln. | |
Diese wissen aber jetzt nicht, wohin. Bereits vor 13 Jahren hatten sich die | |
Ogiek an den Afrikanischen Menschenrechtsgerichtshof (ACPHR) gewandt. Die | |
Richter betonten in ihrem Urteil 2017, dass die Regierung die Menschen | |
nicht ohne freiwillige Zustimmung vertreiben dürfe und eine Entschädigung | |
zahlen müsse. | |
Lucy Claridge, Direktorin des International Lawyers Project und Beraterin | |
der Ogiek, erklärte: „Wir haben den starken Verdacht, dass dies mit | |
Emissionsgutschriften zusammenhängt.“ Sie verwies auf die jüngsten | |
Verhandlungen zwischen der kenianischen Regierung und einem jungen | |
Unternehmen aus Dubai, Blue Carbon, das sich für den Mau-Wald interessiert. | |
Allein in den letzten Monaten hat Blue Carbon Verträge mit den Regierungen | |
in Kenia, Liberia, Tansania, Sambia und Simbabwe über insgesamt 24 | |
Millionen Hektar Gemeindeland unterzeichnet. Im Vorfeld der COP28-Konferenz | |
hat der Gerichtshof in Arusha nun erneut afrikanische Regierungen | |
angemahnt, die Menschenrechte zu respektieren. | |
11 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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