| # taz.de -- Nachruf auf Popkünstlerin Sophie: Mit eigenem Softdrink | |
| > Die schottische Künstlerin Sophie ist in der Nacht auf Samstag tödlich | |
| > verunglückt. Ihre Konzeptkunst-Klangsignaturen leben weiter. | |
| Bild: Sophies Auftritt beim Coachella Festival in Kalifornien, USA im April 2019 | |
| Manche Popsongs haben Textzeilen, in denen sich eine ganze Welt erschließt. | |
| Die schottische Elektronikproduzentin Sophie hat einen solchen geschrieben. | |
| „I'm real when I shop my face“, singt sie auf ihrem Song „Faceshopping“: | |
| „Real bin ich, wenn ich mein Gesicht photoshoppe.“ | |
| Sich „real“ zu fühlen, das ist ein geflügeltes Wort für die Freiheit, ü… | |
| sich selbst bestimmen zu können. Pop bietet diese Möglichkeit wie kaum eine | |
| andere Kunstform. In den Voguing Ballrooms von New York konnten sich Ende | |
| der Achtzigerjahre alle jene „real“ fühlen, die mit Crossdressing und Tanz | |
| der Gewalt entkommen wollten, die sie wegen ihres Geschlechts oder ihres | |
| Begehrens (oder beidem) erlebt hatten. | |
| Auch Sophie hat ihre realness in der Künstlichkeit gefunden. Ihre frühen | |
| Singles waren Konzeptkunst im Stil von Pop-Art: ein gerendertes Objekt – | |
| eine Rutsche, ein Pfeil, ein geschlängeltes Rohr – vor weißem Hintergrund. | |
| Als Teil des Labels [1][PC Music] entwarf die schottische Künstlerin | |
| parallel dazu die Kunstfigur „QT“: ein Popstar mit eigenem Softdrink, für | |
| dessen Werbung Sophie den Soundtrack komponierte. Ihre eigene Musik war | |
| hochverdichteter Pop. Fast wirkte es, als würde Sophie die durch | |
| Geschlechtszuschreibungen erzeugte Dysphorie auf ihren Tracks durch eine | |
| Aneinanderreihung von Euphoriemomenten ersetzen. „I can make you feel | |
| better – if you let me“, singt eine Micky-Maus-Stimme auf „Bipp“, darun… | |
| liegt ein verstolperter R&B-Beat, über dem sich synthetische Streicher in | |
| Gefühlshöhen schrauben. | |
| ## Neunzigerjahre-Optimismus | |
| Sophies Musik nimmt den Dancefloor-Optimismus [2][des goldenen | |
| Rave-Zeitalters] der 1990er Jahre auf, diese Ära hatte Sophie durch die | |
| Plattensammlung ihrer Eltern in Glasgow kennengelernt. Als öffentliche | |
| Person trat sie erstmals 2017 in Erscheinung. Auf dem Cover ihrer Single | |
| „It’s okay to cry“ zeigt sie sich als Transperson mit hennaroten Locken | |
| und Lippenstift. | |
| Ebenfalls ihr Debüt gab darauf ihre Stimme: androgyn und theatralisch. | |
| „Trans zu sein, bedeutet, die Kontrolle darüber zu haben, seinen Körper | |
| stärker in Einklang mit seiner Seele zu bringen,“ sagte sie kurz darauf in | |
| einem Interview. Sich „real“ zu fühlen, also. Auf dem nachfolgenden Album | |
| „Oil of Every Pearl’s Un-Insides“ oszillierte Sophie zwischen | |
| Hyperpop-Melodien und abstrakten Klangspielereien – Ohrwurm-Refrains | |
| kontert sie verzerrten Bassdrums und metallischen Soundeffekten, als wären | |
| diese schon immer beste Freunde gewesen. | |
| Das Album wurde für einen Grammy nominiert. Gewonnen hat Sophie die | |
| Auszeichnung damals nicht, Anerkennung hatte sie ohnehin schon gefunden. | |
| Egal ob Underground-Rapper Vince Staples, Maschinenfunk-Produzent Jimmy | |
| Edgar oder [3][Lady Gaga] – alle wollten Sophies Signatur-Sound in ihrer | |
| Musik hören und ließen sich von ihr Songs und Alben produzieren. In der | |
| Nacht zu Samstag ist Sophie vom Dach ihres Hauses in Athen gestürzt. Sie | |
| wollte den Vollmond betrachten. „So wie es ihrer Spiritualität entsprach“, | |
| wie ihr Label Transgressive auf Twitter schrieb. Sophie wurde 34 Jahre alt. | |
| 1 Feb 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Debuetalbum-von-Produzent-AG-Cook/!5702775 | |
| [2] /Methodenstreit-ueber-Elektronik/!5640883 | |
| [3] /Neues-Album-Chromatica-von-Lady-Gaga/!5690958 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Werthschulte | |
| ## TAGS | |
| Pop | |
| Schottland | |
| Nachruf | |
| Ausstellung | |
| Synthesizer | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ausstellung zum Club Studio 54: Von Bianca Jagger bis Oma Doris | |
| Was von der Disco-Ära blieb: Die Ausstellung „Studio 54 Night Magic“ | |
| vermittelt die dekadente Atmosphäre des New Yorker Clubs. | |
| Debütalbum von Produzent A.G. Cook: Immer weiter, hyper, hyper | |
| Als Produzent veredelt der Londoner Multiinstrumentalist A. G. Cook | |
| Popsongs. Nun veröffentlicht der 29-Jährige sein episches Debütalbum „7G�… |